Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein, Österreich laut erklärtem Ziel schon 2040. Nach der Digitalisierung treiben Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit die nächste große Transformation der Wirtschaft voran. Vor diesem Hintergrund haben der Handelsverband und EY Österreich in Zusammenarbeit mit MindTake Research eine großangelegte Konsumentenstudie mit über 1.000 Befragten durchgeführt, um die Einstellung der österreichischen Verbraucher:innen im Bereich der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu untersuchen.
Ergänzt wurde diese Studie mit einer Händlerbefragung unter 81 Mitgliedern des Handelsverbands, die den Status quo und die zukünftigen Auswirkungen von Nachhaltigkeit als Bestandteil der Unternehmensstrategie evaluiert.
Transparenz kann die Wende beschleunigen
- Top-Nachhaltigkeitskriterien der Konsument:innen beim Einkauf: Regionalität (77 %) und Tierwohl (72 %).
- Top-Nachhaltigkeitsthemen der Konsument:innen: Müllvermeidung, Recycling, nachhaltige Verpackungen (62 %), Vermeidung von Produkt- oder Lebensmittelverschwendung (55 %) sowie Tierwohl (54 %)
- Überzahlungsbereitschaft der Konsument:innen variiert nach Thema: Für regionale und Bio-Produkte würden 57 % tiefer in die Tasche greifen, jede:r Zehnte würde sogar 25 % oder mehr aufzahlen. Für fair gehandelte Produkte ist knapp die Hälfte (49 %) bereit, aufzuzahlen.
- Hemmschuhe beim nachhaltigen Konsum sind für Konsument:innen nach dem höheren Preis für Öko-Produkte (47 %) insbesondere Verzichtsunwillen (36 %), Bequemlichkeit (23 %) und mangelnde Aufklärung (21 %).
- Worauf würden Konsument:innen am ehesten verzichten für mehr Nachhaltigkeit? Vereinzelt leeres Supermarktregal, Marken-Boykott und -1° C Heizwärme zuhause rangieren weit vor Verzicht auf Fleisch, Auto oder Reisen.
- Ältere Personen haben sowohl beim Lebensmittel- als auch beim Kleidungskauf überdurchschnittlich hohe Erwartungen an Nachhaltigkeitsaspekte. 18- bis 29-Jährige sind eher bereit aufzuzahlen, jedoch schwächer im Verzicht.
- Green-App als Trend-App: Positive Anreize wie ein Bonusprogramm für nachhaltigen Konsum für 75 Prozent interessant – über alle Altersgruppen hinweg.
- Händler sehen Nachhaltigkeit als Chance (84 %) und Chefsache (85 %). Hemmschuhe sind Unklarheit über Zahlungsbereitschaft der Kund:innen (42 %), mangelnde Kapitalausstattung (33 %) sowie mangelnde Information über geeignete Maßnahmen, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu erreichen (33 %).
Nachhaltigkeitskriterien beim Einkauf für Konsument:innen an dritter Stelle
Beim Kauf von Lebensmitteln achten die Verbraucher:innen vor allem auf ein gutes Preis-Leistungsverhältnis (87 %) und eine hohe Produkt-Qualität (83 %). Ab dritter Stelle folgen Nachhaltigkeitskriterien wie Regionalität (77 %), Tierwohl (72 %) oder der Verzicht auf fragwürdige Inhaltsstoffe (68 %). Ähnlich verhält es sich beim Kauf von Kleidung, hier spielt jedoch das Thema Regionalität eine deutlich untergeordnete Rolle. Die Hälfte der Befragten gibt an, auf einen „generell niedrigen Preis“ Wert zu legen.
Gründe gegen nachhaltiges Handeln?
Ein Drittel der Konsument:innen möchte ungern auf Komfort wie Auto, Flugreisen oder den Wäschetrockner verzichten. Jede:r Fünfte fühlt sich zu wenig darüber informiert, was man als Einzelperson tun kann, um nachhaltiger zu konsumieren.
Leeres Regal statt Verzicht aufs Auto.
“Drei Viertel der Konsument:innen würden auch einmal ein leeres Regal im Supermarkt in Kauf nehmen, um der Lebensmittelverschwendung vorzubeugen“, sagt Rainer Will. Ebenso ist das Boykottieren von Marken und Händlern, die Umweltsünden begehen oder Menschenrechte verletzen, für drei Viertel vorstellbar. Zwei Drittel würden zuhause sogar auf 1° C Heizwärme verzichten, während der vermehrte Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel für nur knapp die Hälfte vorstellbar wäre.
“Warum Klimaschutz nicht durch positive Anreize auch belohnen? Knapp 70 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten würden bei einem Bonusprogramm für nachhaltiges Handeln mitmachen, etwa für den Kauf nachhaltiger Produkte oder für eine niedrige Stromrechnung. Eine Cashback-Option wäre sogar für drei Viertel der Bevölkerung interessant, und dies über alle Altersklassen hinweg“, bestätigt Rainer Will. „Hinzu kommen virale Potenziale: Jede:r Fünfte fände es sogar spannend, den eigenen Öko-Punktestand in den sozialen Medien zu posten. Was heute die Kilometer in der Lauf-App sind, könnten morgen die Green Points beim Shoppen sein.“
Nachhaltigkeitssiegel: Dickicht statt Transparenz
Hinsichtlich Nachhaltigkeitssiegel ist das Vertrauen der Österreicher:innen durchmischt: Nur vier von zehn Personen vertrauen auf Nachhaltigkeitssiegel (42 %), mehr als ein Drittel (38 %) ist sich diesbezüglich unsicher. Am ehesten wird auf das AMA-Gütesiegel (68 %) geachtet, wie auch auf das Fairtrade-Siegel (65 %) und das MSC-Siegel (56 %). „Am Markt gibt es eine große Anzahl an Siegeln, die für die Befragten nur wenig Orientierung bieten. Hier besteht Handlungsbedarf, um die Konsumentinnen und Konsumenten dabei zu unterstützen, eine fundierte Entscheidung treffen zu können“, schätzt Nikolaus Köchelhuber die Situation ein. Martin Unger ergänzt: „Der Handel nimmt bei der Erreichung von Nachhaltigkeits- und Klimaneutralitätszielen eine zentrale Rolle ein: Zum einen ist er gefordert, Millionen Konsumentinnen und Konsumenten am Weg zu einem nachhaltigen Leben zu begleiten und zum Teil auch anzuleiten. Zum anderen liegt es auch in der Verantwortung der Handelsunternehmen, mit ihren Lieferanten gemeinsam an nachhaltigen Lieferketten und Sortimenten zu arbeiten.“