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Dipl. Ing. Anka Lorencz: Zum Bürokratiewahnsinn und was da noch auf uns zukommen wird

Kommentar der Geschäftsführerin der Bundesinnung Lebensmittelgewerbe

Bürokratie ist derzeit ein riesiges Thema, mit dem wir uns tagtäglich verzweifelt auseinandersetzen müssen. Besonders schwierig sind die neuesten Vorgaben aus Brüssel. Der Generalsekretär der WKO, Karl-Heinz Kopf, hat es kürzlich in einem Interview sehr treffend formuliert: „Das Brüsseler Bürokratiemonster wurde entfesselt.“ Und da stimme ich ihm vollkommen zu.

Unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit – einem der Lieblingsthemen der alten und neuen Präsidentin – kommen Maßnahmen auf uns zu, die unseren Betrieben noch mehr Bürokratie aufbürden werden. Und zwar massiv. Ob diese Maßnahmen wirklich zur Erreichung der – durchaus unterstützenswerten – Nachhaltigkeitsziele beitragen, bezweifle ich stark.

Europa reguliert …

Es sieht leider so aus, dass unsere Unternehmen in den kommenden Jahren gezwungen sein werden, eine unvorstellbare Menge an Nachhaltigkeitsberichten zu erstellen, die dann vermutlich irgendwo in einem riesigen Datensumpf verschwinden. Es gibt einen oft zitierten Spruch, der leider wahr ist, wenn man die Unterschiede zwischen den Märkten betrachtet: In den USA werden Innovationen vorangetrieben, China kopiert sie und die Europäische Union reguliert alles und jedes. Wir arbeiten aktuell an verschiedenen Projekten, insbesondere im Bereich der erweiterten Finanzberichterstattung.

Derzeit betrifft das vor allem große Konzerne, aber nach und nach wird es auch auf Mittelbetriebe heruntergebrochen. In einigen Jahren werden auch sie davon betroffen sein. Es ist daher wichtig, dass wir jetzt die richtigen Weichen stellen, anstatt zu warten, bis die Regelungen in Kraft treten. Künftig wird es bei der Beantragung eines Kredits so sein, dass Banken nicht nur die wirtschaftlichen Kennzahlen prüfen, sondern auch das Nachhaltigkeitsverhalten des Unternehmens: Wie steht es um die Umweltverantwortung? Was wird im Bereich der sozialen Verantwortung unternommen? Wer hier keine zufriedenstellenden Antworten liefern kann, wird in Zukunft nur mehr schwer einen Kredit bekommen – Punkt.

Das Problem wird nicht kleiner

Um diese Anforderungen zu bewältigen, haben wir kürzlich gemeinsam mit der Österreichischen Kontrollbank ein Projekt gestartet. Mithilfe einer Online-Applikation sollen Unternehmen in Zukunft die Möglichkeit haben, die von der EU-Kommission geforderten Nachhaltigkeitsangaben im Finanzierungsbereich einfach und strukturiert einzugeben.

Diese Informationen können dann bei Bedarf für Banken, Kunden oder andere Zwecke verwendet werden. Große Unternehmen in unserer Branche sind bereits verpflichtet, jährlich einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Ein Geschäftsführer eines der größten Wurstbetriebe in Österreich erzählte mir kürzlich, dass sein Bericht mittlerweile so dick ist wie ein Telefonbuch. Er musste sogar zusätzliches Personal einstellen, nur um diesen Bericht zu erstellen. Aus meiner Sicht wird dieses Problem nicht kleiner – im Gegenteil.

Das Bürokratiemonster wird größer

Wir versuchen, einfache und KMU-taugliche Lösungen zu finden. Doch solange sich kein Politiker traut, in Brüssel klar Stellung zu beziehen und zu sagen: „Lasst uns die kleinen Betriebe entlasten“, wird sich nichts ändern. Ich hatte gestern ein Gespräch mit einer Kollegin aus dem Wirtschaftsministerium, die glücklicherweise unsere Bedenken teilt. Es wird in Brüssel immer betont, wie wichtig KMUs sind, aber gleichzeitig werden Regelwerke verabschiedet, die für kleine Betriebe einfach nicht umsetzbar sind.

Ein halber Nachhaltigkeitsbericht reicht aus, um kleine Unternehmen zu überfordern. Ein Mitarbeiter von mir hat den Auftrag erhalten, die bevorstehenden Anforderungen für die Betriebe verständlich und in einfachen Worten zusammenzufassen –, doch das ist leichter gesagt als getan. Es fühlt sich tatsächlich so an, als stünden wir vor einem Bürokratiemonster. Und solange die Politik nicht den Mut hat, in Brüssel gegen diese Entwicklungen aufzubegehren, werden unsere Betriebe weiterhin stark belastet. So weh es mir tut, aber ich verstehe die jungen Menschen, die bei diesen Rahmenbedingungen und diesen Aussichten ihren Eltern sagen: „Unter diesen Bedingungen übernehme ich den Betrieb nicht.“

Unsere Betriebe arbeiten nachhaltig

Natürlich kann auch ein kleiner Betrieb etwas tun. Viele der Themen, die heute unter Nachhaltigkeit fallen, werden von kleinen Betrieben schon längst umgesetzt – oft ohne, dass es ihnen bewusst ist. Sie engagieren sich sozial in ihrer Gemeinde, entlassen Mitarbeiter nicht sofort beim kleinsten Anzeichen von Krankheit und übernehmen damit eine hohe soziale Verantwortung. Viele behalten auch ältere Mitarbeiter, die vielleicht nicht mehr voll einsatzfähig sind, weil sie kurz vor der Pension stehen. Im Bereich Soziales wird also bereits viel geleistet, aber kaum ein Betrieb macht sich die Mühe das zu dokumentieren oder darüber zu kommunizieren, was er alles tut.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit ist das Thema Energie. Viele meiner Betriebe haben inzwischen Photovoltaikanlagen auf dem Dach oder eine Wärmerückgewinnungsanlage, um zumindest einen Teil ihres Energiebedarfs selbst zu decken. Natürlich gibt es hier auch ein Eigeninteresse, aber man kann ebenso sagen, dass dies zum Energiewandel beiträgt und somit nachhaltig ist. Außerdem kaufen viele lokal ein – nicht unbedingt, weil sie an Nachhaltigkeit denken, sondern weil sie ihre Lieferanten kennen. Doch auch das kann man positiv kommunizieren, denn es verkürzt die Transportwege und fördert regionale Strukturen.

Kommunikation ist wichtig

Das Hauptproblem ist oft, wie wir all diese Maßnahmen kommunizieren. Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass sie bereits nachhaltige Praktiken in großem Umfang umsetzen. Gleichzeitig stehen wir vor neuen Herausforderungen wie der Gebinde-Rücknahme und Kreislaufwirtschaft. Ich weiß oft nicht mehr, wie ich unsere Betriebe erreichen soll, um ihnen all diese Anforderungen verständlich zu machen und zu vermitteln, was sie konkret tun müssen.

Die österreichischen Betriebe können durchaus etwas tun, indem sie das, was sie ohnehin schon nachhaltig machen, in einer „Brüssel-konformen“ Sprache formulieren. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass gerade kleine und mittlere Gewerbebetriebe oft schon echte Nachhaltigkeitsweltmeister sind – sie tun so viel, ohne es zu merken. Wir haben – wie gesagt – kurze Transportwege, soziales Engagement und die Nutzung erneuerbarer Energien wie Photovoltaik – all das tragen sie bereits bei.

Sie müssen nur erkennen, dass sie damit wirklich einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Und das auch laut sagen. Ich bin überzeugte Europäerin. Ich glaube, dass der europäische Zusammenschluss unsere einzige Chance ist, wirtschaftlich und politisch zu überleben – gerade für Österreich. Aber momentan fällt es mir ehrlich gesagt schwer, die EU-Bürokraten zu lieben. Was da unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit auf unsere Unternehmen zukommt, ist einfach unglaublich. Gut gemeint ist eben vielfach das Gegenteil von gut.

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