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Wien Neubau: Georg Leitenbauer bringt Wurstkultur ins Grätzl

Wie ein „Best-of“ des heimischen Fleischerhandwerks wirkt die Theke in Wien-Neubau. Aus Leidenschaft für die Wurstkultur eröffnete der Salzburger Georg Leitenbauer sein gleichnamiges Geschäft. Und sicherte damit zugleich eine Art Greißler für den 7. Bezirk. Fleisch & Co-Autor Roland Graf hat dem neuen Laden einen Besuch abgestattet.

Wurstkultur bei Leitenbauer

Das wohltuenste am Stimmengewirr in der Neubaugasse 71 ist die Vielfalt der Wünsche. „Machst mir wieder eine Überraschungsplatte”, „Heute nehm ich einen Leberkäse” oder „Ist der Whisky schon da?”, schallt es munter durch die Räume der Neueröffnung. Wohlgemerkt: Es ist ein Montag, 15 Uhr. Da wird ein Snack geordert, dort lässt sich der heimische Top-Maler Feines für den Abend einpacken. Die viergliedrige Fassade lässt in altvertrauter Typografie die Schwerpunkte wissen: Wurstkultur, Delikatessen, Feinkostimbiss und Grätzlvinothek. Weine aus Wien und dem Burgund, zwei Jahre gereifter Gruyère, dänischer Karamellkäse und feiner St. Maure finden sich in bunter Vielfalt neben Senf von Fallot oder Kolschitzky-Karrees des famosen Rösters Rüdiger Eggers. „Eigentlich wollten wir der Kramerladen ums Eck sein”, fasst Georg Leitenbauer das Sortiment zusammen. Und im Falle des 48-Jährigen ist das wörtlich zu nehmen.

Der kleine, feine Delikatessen-Laden in der Wiener Neubaugsse. © Roland Graf

Der Gastgeber ums Eck

Denn der bis vorigen August beim Fleisch-Veredler „Aumaerk“ (siehe Fleisch & Co 1/2022) tätige Leitenbauer wohnt selbst um die Ecke in Wien-Neubau. Das „G’schäft“, wie Helmut Hochwallners Delikatessenhandlung vor der Neuübernahme hieß, kannte der Marketing-Mann vom Einkaufen. „In der Pandemie habe ich ihn dann ab und zu vertreten“, begann die neue Feinkostkarriere durch Zufall. „Doch beim Schinken-Schneiden habe ich schnell gesehen: Das ist meins!“ Denn im Grunde kommt Leitenbauer aus der Gastronomie und er ist nach eigenem Bekunden „gern Gastgeber”. Die Mittel dazu hat er in der rund sechsmonatigen Planungsphase angeschafft. So wird etwa das „Hopfenherz“ aus der oberösterreichischen Brauerei Wildshut – einem Projekt von „Stiegl“ – nur hier in Wien vom Fass gezapft.

Story-Teller und Wurst-Peller

Eher zufällig habe sich die Spezialisierung auf Wurst ergeben, doch gerade hier fallen die Liebe zu Delikatessen und das erzählerische Element seiner Marketing-Zeit zusammen. „Zu Wurst hat jeder eine Geschichte. Die einen erinnern sich, dass es die ,Frischen‘ jeden Mittwoch gegeben hat, andere schwärmen von den ,Wurstschüsserln‘ der Kindheit und suchen die ideale Pariser dafür.“ Und natürlich lässt sich auch lange diskutieren, was jetzt am besten in ein Erdäpfelgulasch geschnitten wird. Man könnte aber auch ein „fleischiges“ Spiel in der „Wurstkultur“ inszenieren: Nennt man eine Lieblingssorte, ist sie nicht nur vorrätig. Sondern meist auch von einem der Besten in Österreich. Franz Dormayers „Weltmeisterblunzen“ aus dem Weinviertel liegt neben Simon Humers Mortadella vom „Biohof Thomabauer“. Die im Burgenland erzeugte, überaus pikante Cabanossi wiederum liefert der Kochbuch-Autor, Gastronom („Palette“ am Vorgartenmarkt) und Genussscout Gerd Sievers exklusiv. Mangalitza-Salami mit Trüffel steuert Stefan Windisch aus Wiener Neustadt zu diesem „Concept Store des Köstlichen“ bei. Und dann wäre da noch das Lammfleisch bzw. die Hirschbirnen-Säfte der „Schäferei“ aus dem steirischen Vorau, an denen Leitenbauer nicht vorbeikonnte. Denn „Leitenbauer“ ist auch der Hofname von Antonia Kirchsteigers und Michael Pongratz‘ Bioproduktion. Überhaupt sieht der „Wurstkultur“-Gründer „Bio beinahe schon als Selbstverständlichkeit“ bei seinen Lieferanten an. Entsprechend gut ins Bild passen auch die Bezirkshonige von Imkern aus ganz Wien, die sich in den antiken Regalen des Geschäfts finden. Nicht ganz unwesentlich ist neben seinem Vorleben als Fleisch-Vermarkter auch die Herkunft des Neo-Greißlers. Denn Leitenbauer stammt ursprünglich aus Salzburg. Deshalb sind nicht nur Spirituosen wie Sigi Herzogs Gin oder der Wermut von Sporer aus der Getreidegasse gelistet. Aus dem Lungau stammen die beiden Leberkäse-Varianten Hannes Höneggers. „Aber auch St. Johanner mussten einfach sein“ – sie liefert zwar ein Tiroler, doch die Qualität von Stefan Horngachers Würsteln aus dem Pillerseetal überzeugte. Auch die „Landjager“, echt salzburgerisch ohne „ä“ ausgesprochen, sind so eine Reminiszenz an Leitenbauers Heimatbundesland.

Die getrüffelte Mangalitza-Salami kommt von Stefan Windisch vom Genuss-Concept-Store nach Neubau.
© Roland Graf

Trio von Belgiens Kult-Fleischer

Endgültig zur Adresse für Fleischkenner wird die „Wurstkultur“, wenn man zwischen den Delikatessen made in Austria den Namen Hendrik Dierendonck entdeckt. Der Belgier ist einer der wenigen Fleischer, die über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus Bekanntheit genießen. Das auf der eigenen Schlachtung basierende Restaurant „Carcasse“ in Sint-Ides- bald bei Dünkirchen ist Kult. Das dazugehörige Kochbuch, stilecht mit Fleischerhaken zum Aufängen geliefert, hat noch mehr zum Ruf Dierendoncks beigetragen. „Das ist nicht regional oder nachhaltig“, räumt Leitenbauer ein, „doch da geht es um den Geschmack“. Rubinrot leuchtet die Coppa aus dem Rindernacken aus der Vitrine, daneben hängen verführerisch die Salsicce. Die Pastrami des Belgiers ist hingegen längst ausverkauft. Ein gutes Zeichen in dem jungen „Kramerladen“: Offenbar braucht Neubau, braucht Wien eine hochstehende „Wurstkultur“!

www.leitenbauer.wien

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