Die Liebe der Österreicher zum Schwein ist nach wie vor unersättlich. Das ganze Jahr wird Schwein in allen Variationen gegessen, zu Silvester allerdings werden auch oftmals nicht ganz so „gefragte” Teile des Tieres verzehrt. Denn auch in Sauschädel mit seiner Schnauze, den Öhrchen und Backen und dem Hirn viel kulinarisches Potenzial. Die Philosophie des „From Nose to Tail“ hat sich in Österreich leider noch nicht wirklich durchgesetzt – aber vielleicht konnte der „saugute” Event Koch.Campus, ein periodisch stattfindendes Treffen der gescheitesten und besten Küchenchefs und einiger sehr guter Produzenten, dazu beitragen.
Das Genussreich der Geschwister Rauch im oststeirischen Trautmannsdorf mutierte Ende Oktober kurzfristig zur „Hauptstadt des Schweins“. Verantwortlich dafür war eben dieser Koch.Campus. Der 2013 gegründete Verein hat sich eine optimale Inszenierung der österreichischen Küche zum Ziel gesetzt. Dabei sollen heimische Produzenten animiert werden, ihre hochwertigen Lebensmittel in allen Facetten zu präsentieren und so auch die Aufmerksamkeit der breiten Masse auf Qualität zu lenken – mit der Blickrichtung auf den guten Geschmack. Doch auch das Thema Tierwohl tritt immer mehr in den Vordergrund, nicht nur in Sachen Spitzengastronomie, sondern auch die Endkonsumenten sollen aufgeklärt werden, dass der Geschmack eben ursächlich von der artgerechten Haltung der Tiere abhängig ist.
Quasi nebenbei soll auch das Ausland auf die vielfältigen Produkte und Küchen aufmerksam gemacht werden, um interessierte Gourmets auf Österreich aufmerksam zu machen. Die über 50 Mitglieder sind Fleisch- und Gemüseproduzenten, Fleischhandwerker, Spitzenköche und Winzer – eben alle Protagonisten des guten Geschmacks.
Schwein – ganz fein
Österreich gilt nach wie vor als Nation der Fleischesser: In den letzten Jahrzehnten hat sich der jährliche Fleischkonsum auf rund 60 Kilogramm geschraubt. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Schweinefleisch. Ein Grund dafür, dass der Koch.Campus in seiner letzten Veranstaltung das vielfältige Schweinefleisch unter die Expertenlupe nahm. Im neu gebauten Veranstaltungszentrum Trauteum konnten sich die mehr als 70 Teilnehmer von der Qualität der heimischen Schweins überzeugen.
Bei einer zweistündigen Blindverkostung wurde das Fleisch gedrückt, beschnuppert, verspeist, um so die ganze Qualität der heimischen Produkte aufzuspüren. Verkostet wurden Sonnenschwein, Iberico, Woazschwein, Schafmolke-Weideschwein, Ötscherblickschwein, Turopolje, Jaga’s Küchenschwein und die Gruppe Mangaliza, Duroc und Pietrain. Spannend: Das Fleisch wurde sowohl roh als auch in gebratetem Zustand probiert. Übrigens: Dass den Profis bei der Verkostung dann auch eine Wildsau untergejubelt wurde, war ein kleiner Gag zum Gaudium der versammelten Mannschaft.
Schweinische Fachsimpelei am Grill
Nach der „Kost-Arbeit“ brutzelte schließlich der Pöllauer Fleischermeister Robert Buchberger auf seinem Ofyr-Grill auch noch Brat-, Erdäpfel- und Blutwürste.
Zudem fand sich auch ein „Naked Pig“-Speck vom ober- östereichischen Biohof Thomabauer, von Simon Humer auf dem Grill wieder. Humer vermarktet einen Teil seiner 160 maisfrei gefütterten Mastschweine selbst, zwei Drittel davon gehen aber an Bio-Schwein Austria. Die Ferkel kauft er von der Versuchsanstalt Raumberg-Gumpenstein – von dort kommen auch seine britischen Berkshire-Schweine. „Die sind sehr gutmütig und brav. Außerdem ist die Fettauflage extrem hochwertig, die Konsistenz des Fettes ist buttrig, kernig, ein festes Fett. Warm kann man das kaum essen, aber als kalter Speck ist es ein Traum. Außerdem ist das Fleisch intramuskulär toll gemasert.“ Nicht umsonst nennt man die Berkshire die „Kobe-Rinder“ unter den Schweinen. Ein Problem sieht Humer allerdings, wie viele Bio-Bauern, in der Klassifizierung, da er die sogenannte S-Klasse, diese zeichnet einen mehr als 60 prozentigen Muskelfleischanteil aus, nie erreichen kann. „Von der Genetik her sind die resistenten Rassen einfach anders zu beurteilen als die Hochgezüchteten und haben daher auch viel mehr Fett.“ Was er aber als sehr positiv anmerkt, ist, dass er als Bio-Schweinezüchter ein besseres Ansehen hat und so mit einem Fixpreis rechnen kann.
Ötscherblick-Schwein von Höllerschmid
Was man lange Zeit „durchzogen“ nannte, wird heute eleganter als „marmoriert“ bezeichnet – und das ist Ergebnis aufwendiger Arbeit des Züchters und guter Fütterung. Fett verleiht Geschmack und Saftigkeit, während Muskelfasern das Fleisch mürbe machen. Die Klassifizierung der AMA von Schweinefleisch betrachtet Qualität gleich dem Fleischanteil und ignoriert die Güte des Fetts und wird daher von Spitzenköchen wie Produzenten mit großer Skepsis gesehen.
Fleischhauer Manfred Höllerschmid beliefert mit seinem Ötscherblickschwein die besten Köche Österreichs, zum Beispiel Thomas Dorfer im Landhaus Bacher oder Alain Weissgerber im Taubenkobel. Auf die Frage, was die Qualität seines marmorierten Schweinefleisches ausmache, sagt er: „Es ist immer eine Mischung aus Rasse und Fütterung (Gerste!). Und der den Tieren zur Verfügung stehende Platz, das trifft auf alle Nutztiere zu.
Bei der Verkostung belegte das Ötscherblick-Schwein übrigens Platz 1. Höllerschmid: „Qualität kommt auch von stressfreier Schlachtung. Ein hoher pH-Wert bedeutet weniger Stress, er sollte so um sechs oder darüber liegen.“ Im Supermarkt wird dieser Wert beim Schweinefleisch nicht angegeben.
Fett wird immer beliebter
Die irrige Meinung, dass Schweinefleisch mager sein sollte und damit auch gesünder ist, hat sich erst in den letzten etwa 30 Jahren in den Köpfen der Konsumenten festgesetzt. Hier sieht Robert Buchberger dringenden Informationsbedarf. Seiner Meinung nach muss man dem Kunden erklären, dass Fett mit Maß und Ziel gut und auch gesund ist. Und natürlich sollte man den heimischen Konsumenten auch langsam dahin führen, dass er bereit ist, mehr für das Fleisch zu zahlen. „Aber selbstverständlich muss der Kunde das hochwertige Fleisch auch kennenlernen, muss es kosten und muss erfahren, warum er mehr bezahlt als für konventionell hergestelltes“, so Buchberger, „und natürlich muss der Konsument auch begreifen, dass auch Fett gut schmecken kann. All das ist ein Generationenprojekt, aber wir als Fleischer könnten hier genau unsere Nische finden und professionell ausfüllen!“
Was den engagierten Fleischer übrigens auch bewegt, ist, dass „Bauern nicht nach Qualität bezahlt werden, sondern nach der Klassifizierung – mehr Fleisch weniger Fett“.
Der Kaiserin sei Dank
Auch alte Rassen rücken immer mehr in den Fokus der Gourmets – und eine ganz besondere kommt vom niederösterreichischen Juniperhof von Joe Kranawetter: Das Turopolje-Schwein. Diese Rasse gibt es seit 250 Jahren und wurde züchterisch nie beeinflusst. Ein paar Exemplare sind auch im Tiergarten Schönbrunn beheimatet. „Das Besondere ist, dass das Fleisch heute noch wie zu Maria Theresisas Zeiten schmeckt. Ursprünglich in der kroatischen Region rund um Zagreb beheimatet, kam es nach dem Jugoslawienkrieg nach Österreich“, erklärt Kranawetter, der hier viel experimentiert hat. Vor allem die Frage, in welchem Alter des Tieres das Fleisch am besten schmeckt, brauchte ein wenig Erfahrung. Die Tiere werden bei Fleischermeister Josef Kleemann in Markersdorf zerlegt und schließlich von Kranawetter zu bestem Speck verarbeitet.
Auch der Schweinepapst war da
Klarerweise auch mit am Koch.Campus dabei war der vielfach ausgezeichnete „Schweinepapst“ Norbert Hackl, der mit seinen Labonca Sonnenschweinen österreichweit immer wieder für Furore sorgt. Er lässt bei Grill-Talk seinen Weg Revue passieren: „Als ich 2003 auf Bio umgestellt habe, war klar, dass die Zufriedenheit der Tiere im Mittelpunkt steht. Das sieht man am Ausdruck und dem Verhalten der Tiere. Aber auch für den Geschmack des Fleisches ist wichtig, dass ohne Stress geschlachtet wird.“
Also hat Hackl eine Weideschlachtung eingerichtet, die er durch „Genussscheine“ finanzierte. Hier haben seine Kunden quasi Gutscheine erworben, die er innerhalb von zehn Jahren in Form von Naturalien „zurückzahlt“. In dieser Form hat er, so verrät Hackl, über 400.000,– Euro für das Projekt aufstellen können.
Das gesunde Wollschwein
Ein weiteres Highlight des Events war ein Besuch auf dem Bauernhof von Toni Krispel, der seit mehr als 20 Jahren seiner Leidenschaft, dem Wollschwein frönt – und dabei eng mit der Fleischerei Eduard Scharfy zusammenarbeitet. Ursprünglich von der Arche Austria erhalten, liefert die etwa 300 Jahre alte Rasse mit einem etwa 70 %igen Fettanteil viele gesunde Omega-3-Fettsäuren. Wie gut das schmecken kann, wurde selbstverständlich auch gleich gezeigt. Die Spezialität vom Genussgut Krispel in Neusetz bei Hof bei Straden, bekannt auch für seine feinen Weine, ist der Neusetzer, ein bis zu 15cm dicker Rückenspeck, der im Basalttrog zwischen sechs und neun Monaten im Meersalz und verschiedenen Kräutern bei einer Temperatur von 2 bis 4 ° C reift.
Wie sich Metzger abheben sollen
Auch Haubenkoch Andreas Döllerer hat sich diesen Genussevent nicht entgehen lassen. Als Mitglied des Koch.Campus sprach er unter anderem auch sehr offen die Probleme der Fleischereien an. „Die heutigen Fleischhauer dürfen nicht einfach die gleichen Produkte wie im Supermarkt anbieten. Sie müssen sich mit speziellen Produkten und ebensolcher Qualität von der Masse abheben“, analysiert Döllerer, „die Supermärkte werden im Angebot ja auch immer besser, da muss der Metzger als individueller Betrieb seine Situation nutzen.“
Und Döllerer nimmt auch nicht mehr zeitgemäße Sortimente einiger Metzger unter die Lupe: „Man braucht keine 30 Sorten Wurst. Wenn es die 15 richtigen sind – und die dann auch besonders gut produziert und/oder biologisch sind, dann ist das dem heutigen Kunden lieber. Nur so kann der Metzger in Zukunft erfolgreich sein.“ Nicht zuletzt sieht er auch die Preisentwicklung extrem kritisch, denn „richtig gutes Fleisch muss teurer werden“.
Die Zukunft des Schweins
Doch zurück zum Thema „Schwein von Schnauze bis Schwanz“: Die meisten der bei uns geschmähten Köstlichkeiten werden nach China verkauft, wo man sie zu schätzen weiß. Schweinsohren oder gefüllte Schweinsfüße gelten aber auch etwa in der Lyonnaiser Küche als Spezialität. Beim Koch.Campus zeigten Hans Peter Fink und Heinz Reitbauer, was damit möglich ist. Unter anderem bereitete Heinz Reitbauer Schweineschlepp am Spieß zu – und begeisterte damit wirklich alle anwesenden Gourmets.
Eines hat der Koch.Campus auf alle Fälle aufgezeigt: Produzenten, Fleischer und Köche müssen an einem Strang ziehen, denn nur gemeinsam kann dem Konsumenten vermittelt werden, was Qualität bedeutet. Und Fleischermeister Robert Buchberger bringt es auf den Punkt: „Das Credo für den Konsumenten sollte sein: weniger Fleisch, dafür hochwertige Qualität.“
Autorin: Andrea Pascher