Die Digitalisierung ist auch im Bildungswesen angekommen: Webinare und Online-Kurse boomen, viele Lehrmaterialien werden auf Servern bereitgestellt, Dozenten und Schüler begegnen sich mal via Skype, mal im Lehrsaal. Dazu gab Experte Prof. Dr. Dr. Martin Stieger von der Allensbach Hochschule (Konstanz) bei einer Diskussionsrunde der 1. Bayerischen Fleischerschule Landshut eine positive Zukunftsprognose ab: Dieser Trend könne vielen Menschen neue Bildungschancen eröffnen und auch Praktikern aus dem Handwerk die Angst vor akademischer Arbeit nehmen.
Auf der internationalen Fleischerei-Fachausstellung IFFA in Frankfurt/Main lobte der Wissenschaftler und Lehrbeauftragte an mehreren Universitäten das wachsende digitale Angebot. Sein Hinweis: Die EU habe als Ziel benannt, dass mindestens 10 Prozent der Bevölkerung einmal im Jahr eine Fortbildung besuchen sollten. Auch die deutsche Bundesregierung setze sich für mehr Zertifikatsabschlüsse und spezialisierte berufliche „Nano-Degrees“ ein. Und je mehr sich an das Büffeln mit PC, Tablet und Smartphone herantrauen, umso besser: „Wir brauchen weit mehr Menschen, die mit modernen Medien, ihren Verknüpfungen und Gestaltungsmöglichkeiten gut umgehen können. In manchen Schulen wissen ja heute die Schüler mehr über Themen wie Datenmissbrauch und Cybersicherheit als die Lehrer.“
Im Gespräch mit Barbara Zinkl, der Geschäftsführerin der Fleischerschule, verwies Stieger vor zahlreichen Pressevertretern auch auf den ehemaligen Stanford-Professor und Google-Vizepräsidenten Sebastian Thrun als Vorbild. Der habe mit seiner Online-Akademie „Udacity“ den Versuch gewagt, „Bildung zu demokratisieren“ und mit Berufsfähigkeiten zu verbinden – zwei Jahre nach der Gründung zählte er bereits 2,8 Mio. Kursteilnehmer aus 119 Ländern.
Neuer Masterlehrgang: Fleischwirtschaft
Die wachsenden Online-Kursangebote der 1. Bayerische Fleischerschule hat Stieger in seiner Funktion als Wissenschaftlicher Leiter der Austrian School of Applied Studies – ASAS Aus- und Weiterbildung GmbH mit entwickelt. Vor drei Jahren startete man einen Master-Studiengang „Unternehmensführung“ mit Schwerpunkt Fleischwirtschaft (Voraussetzung: der Meisterbrief im Fleischerhandwerk), dessen erste vier Absolventen kürzlich ihren akademischen Abschluss geschafft haben. Künftig bietet man zudem zwei Zertifikatslehrgänge zum „Seminartrainer – Fleischbranche (BFS)“ und „Ernährungscoach – Fachrichtung Fleisch (BFS)“ für interessierte Metzger und Verkaufskräfte an, die einen etwa zweimonatigen modernen Online- mit zwei Tagen praxisnahem Präsenzunterricht kombinieren.
Wiederkehrende Inhalte können online abgerufen werden, aber viele praktische Tugenden müssen einfach lebensecht vermittelt werden – „hier kann die Fleischerschule ihre Kompetenzen gezielt einbringen“, betont Stieger. Er sieht hohes Bildungsinteresse unter Fleischermeistern, die ihre praxisnah in Betrieb, Gesellschaft und Familie erworbenen Fähigkeiten durch Fachwissen gezielt untermauern möchten. Dafür müssten möglichst viele interessante Inhalte aus der beruflichen Umwelt ins Bildungsangebot integriert werden.
Der 58 Jahre alte Universitätsprofessor hofft, dass sich speziell an Präsenztagen Content für die verschiedenen Kurse aus den Teilnehmergruppen selbst entwickelt. Nach Bedarf könnten dann auch zusätzliche Coaching-Stunden mit den Dozenten vereinbart werden. Diese individuelle Ausgestaltung der Bildungsgänge sei gerade für beruflich eingebundene Teilnehmer „das Salz in der Suppe“.