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Der letzte Fleischer in der Wiener Innenstadt: Zu Besuch bei der Fleischerei Kröppel

Die 1932 gegründete Fleischselcherei Kröppel ist die letzte ihrer Art in der Inneren Stadt. Heute halten Vater Josef, Sohn Florian 
und Mutter Ulrike in der Postgasse 1 die Stellung. 
Fleisch & Co-Autor Marko Locatin spricht mit den Fleischermeistern über Logistik, Tierwohl, Zukunft ihres Handwerks und Lieblingsgerichte – und liefert eine Reportage der etwas anderen Art.

Vis-à-vis vom Rindfleischkönig Plachutta, zwischen Juwelier und einem kleinen Obst-und Gemüseladen, liegt der letzte Fleischhauer der Inneren Stadt. Gegründet 1932 von Großvater Josef wird er heute von Josef Kröppel, 58, geführt. Ihm zur Seite stehen Ulrike, seine Frau und Sohn Florian, 29. Der eigentliche Betrieb befindet sich im 9. Wiener Gemeindebezirk in einem Biedermeierhaus in der Säulengasse. Bis heute wird dort erzeugt.

Fleischerei Kröppel – ein Traditionsbetrieb in Wien

Aber zurück ins Geschäft. Die Türe hier steht immer offen, der kleine Schanigarten jedoch ist verwaist, denn es pfeift ein böiger Wind an diesem kühlen Herbsttag. Es ist knapp nach 10 Uhr morgens, Josef Kröppel, werkt hinter seiner Theke. Wetter und Co. können ihn freilich nicht beeindrucken, denn: „Empfindlichkeiten kannst dir bei meiner Arbeit nicht leisten.“ Kröppel hat ein mächtiges Teil vom Schwein in Arbeit, dass er gerade auslöst. „So präzise geschnitten bekommt man das in keinem Supermarkt“, sagt der Fleischermeister, nebenbei ein Blatterl Beinschinken naschend. Es wird nicht das letzte sein an diesem Vormittag.

Florian und Josef Kröppel

Auch Florian läuft bereits auf Betriebstemperatur. Es ist die Ruhe vor dem Mittagsgeschäft, die vierte Kröppelgeneration – übrigens die erste, die nicht den Namen Josef trägt – schlichtet die Vitrine. Rind, Schwein sowie Kalb wollen übersichtlich präsentiert werden, Rib-Eye und Tafelspitz detto und auch die Hühner, sie kommen jeden Tag frisch, werden ebenso appetitlich präsentiert. Im kleineren Teil der rechteckig angeordneten Vitrine befinden sich Salate, Aufstriche, Würste. Ja, auch hier isst das Auge mit.

Apropos Auge: Das Rib-Eye, ich sag’s nur, sieht fantastisch aus. Florian verschwindet zeitweise kurz im Kühlraum, um Josef mit Nachschub zu versorgen. Mutter Ulrike übrigens, ist nur im Geschäft, wenn sehr viel los ist oder als Aushilfe. Sonst werkt sie im 9. Bezirk, wo der eigentliche Betrieb der Kröppels liegt. Alle Salate, die hier erhältlich sind, macht sie. Außerdem das Backoffice. Ich stelle mal meinen Laptop auf der Theke ab, denn Zeit für ein gemütliches Gespräch ist hier nicht.

Und da kommt auch schon Kundschaft.
Ein Herr im grauen Anzug betritt das Geschäft. Eine Semmel mit Käseleberkäse und ein Cola bitte. Tafelspitz für fünf möchte der mit Brötchen vom Schwarzen Kameel beladene Gentleman. „Wo is der her, meine Frau fragt immer.“ Aus dem Hügelland, ist Kröppels Antwort.

Fleisch & Co: Wer macht was bei Kröppels?

Josef Kröppel: „Wir sind ja ein Familienbetrieb. Also macht jeder alles . Florian macht heiße Sachen, also Imbiss und Tagesmenüs, wobei der Imbiss im Geschäft zubereite wird. Fleischlaberln, Kalbsbutterschnitzerln, Schnitzel, Kümmelbraten, Schinkenbraten. Ich mach’ den gesamten Einkauf, die Bestellung, Frischfleisch und Verkauf. Meine Frau Ursula macht Salate, Saucen, das Backoffice und die gesamte Buchhaltung. Das passiert alles im 9. Bezirk. Am meisten Spaß beim Job macht mir allerdings der Verkauf, der Kontakt mit der Kundschaft.“

Fleisch & Co: Was genau passiert im 9. Bezirk? Wie sieht die Logistik aus?

Josef Kröppel: „Der größte Teil der Ware kommt direkt hierher ins Geschäft. Alles täglich frisch in unser kleines Kühlhaus hier von fünf Quadratmetern. Am Abend nehmen wir dann die Ware, die wir veredeln oder verarbeiten, mit in die Zentrale. Dort wird geräuchert, gekocht, geselcht und gebraten. Dort werden auch die hausgemachten Spezialitäten erzeugt: Beinschinken, Pastrami, Geselchtes, Putenschinken, zum Teil Salate. Gebraten wird Pastrami, Putenschinken und essfertiges Selchfleisch. Auch unsere beliebten Sacherwürstel.“

Die Pastrami ist hier natürlich auch hausgemacht. © Katharina Stögmüller

Fleisch & Co: Wie groß ist die „Zentrale“?

Josef Kröppel: „Auf insgesamt 200 Quadratmetern befinden sich die Wursterei, eine Selcherei, mehere Kühlhäuser sowie Kochstelle. Dort arbeiten wir nach dem Tagesgeschäft weiter. Der Florian kocht hier täglich ein Tagesmenü.“

Vor dem kleinen Geschäft hat sich eine Schlange gebildet, die bis auf die Postgasse reicht. Ein junger Mann, deutscher Akzent, ordert eilig ein Mittagsmenü (Heute: Rindsschnitzel mit Fussili). 15 Deka Landschinken begehrt ein Herr, komplett in grünen Loden gekleidet. Nun eine junge Dame in dunkler Regenjacke mit passendem Rucksack. Sie möchte ein Beinschinkensemmerl. Beinschinken hier ist Chefsache. Der Schinken wird stets mit der Hand à la Minute runtergeschnitten. Josef: „Mit Kren?“ Dame: „Ja, bitte, aber nur ein wenig, sonst ist es mir zu scharf.“

Fleisch & Co: Apropos Beinschinken. Wie wird der bei Euch erzeugt?

Josef Kröppel: „Also wir kaufen Keulen. Die werden von mir ausgelöst, zugeschnitten und gepökelt, in der Lake über Nacht gelassen. Am folgenden Tag, wieder nach Geschäftsschluss, also um 19 Uhr, werden die Schinken rund eine Stunde geräuchert. Anschließend kommen sie in den Kochschrank. Sie kochen, eigentlich dämpfen dann bis 9 Uhr Früh vor sich hin. Und am Morgen bringen wir sie frisch ins Geschäft – täglich. Unsere Kunden schätzen das Saftige an unseren Schinken.“

Der Beinschinken ist bei Kröppels Chefsache: Der Schinken wird stets mit der Hand aufgeschnitten. © Katharina Stögmüller

Fleisch & Co: Wer liefert das Fleisch?

Josef Kröppel: „Das Rindfleisch beziehen wir vom Höller im Hügelland. Das ist ein Familienbetrieb wie wir. Und die Qualität passt, das schmeckt man! Unser frisches steirisches Milchkalb beziehen wir von Zotter aus Hartberg. Das Schwein kommt aus dem Tullnerfeld. Die Ybbstaler Maishenderln beziehen wir auch täglich frisch. Bei uns gibt es auch noch zugekaufte Spezialitäten wie Salami, Käse, Eier. So müssen die Kunden nicht in viele unterschiedliche Geschäfte gehen. Gerade für ältere Anrainer, für die wir gerne da sind und wo schon ganze Generationen bei uns einkaufen, ist das wichtig.

Fleisch & Co:  Was wird besonders gerne gekauft?

Josef Kröppel: „Was ich beobachten kann, ist, dass Spezialitäten wie Beinschinken oder Braten sehr gesucht sind. Auch unsere Sachen vom Imbiss gehen oft weg wie die warmen Semmeln. Und natürlich die selbst gemachten Sacherwürstel. Nicht zu vergessen unsere hausgemachten Semmelknödel, die gehen auch immer sehr gut. Verändert hat sich über die Jahre der Anspruch der Kunden. Der ist heute eindeutig höher. Sie wollen einfach eine Superware. Deswegen nehmen manche Kunden sogar manchmal eine längere Anfahrtszeit in Kauf. Wir, also wie ich das sehe, liefern beste Qualität hoch über dem Mittelmaß. Vielleicht ist das unser Erfolgsrezept und der Grund, warum wir noch existieren.“

Sogar die selbstgemachten Semmelnknödeln sind berühmt. © Katharina Stögmüller

Fleisch & Co:  Was gibt’s beim Fleischhauer, was es nicht im Supermarkt gibt?

Josef Kröppel: „Erstens gilt es einmal, sämtliche Kundenwünsche zu erfüllen. Spezielle Zuschnitte oder Fleischteile, die meist aus dem amerikanischen kommen. Es beginnt mit Porterhouse Steak, oder Rib Eye, T-Bone, gerade in der Grillsaison können wir da für jeden Geschmack den passenden Cut anbieten. Außerdem auch von verschiedene Schweine und Rinderrassen.“

Fleisch & Co:  Dennoch sperren immer wieder Fleischer zu …

Josef Kröppel: „Es stimmt schon, dass auch weiterhin Bäckereien aufsperren, wohingegen im ersten Bezirk alle Fleischer zusperrten. Unser Job ist vielleicht ein bisserl härter. Der Bäcker steht in der warmen Backstube, beim Fleischer ist alles kalt. Klar, der Bäcker muss früh aufstehen, aber wenn er Glück hat, geht er zu Mittag schlafen. Bei uns geht’s mitunter von vier, halb fünf in der Früh bis acht am Abend.“

Die nächste Kundschaft drängt. Frau Claudia, Sie san’ die Schweinsschulter? „Exaktamente“, sagt – erraten – die Frau Claudia. „Frisch ausgelöst“, sagt Josef. A Stückerl mehr noch, i hob immer Angst, dass es z’wenig is. Und noch eine Presswurst, bitte. Ein Herr ist der Nächste in der Schlange: „Halbes Kilo Gemischtes Faschiertes. Muass net mager sein. Dazu einen Leberkäs. Pikant. In ana Semmel.“ Ein älterer Anrainer mit grüner Tasche: „10 Eier und 10 Deka Beinschinken. Weißwürst’ habts keine?“ „Na“, vertröstet Kröppel, „die kommen morgen.“ „Dann nehm’ i den Ochsenschelpp, 1/2 Kilo eingeschweißt bitte. Und ein Stockerl Kalbfleisch dazu: aha nur 20 Deka bitte und 20 Deka Kalbslebersteichwurst.“

Fleisch & Co: Es wird immer schwerer …

Josef Kröppel: „Ich würde nicht sagen, dass früher alles besser war. Leichter aber schon. Heute brauchst du einen Bescheid für die Lüftung, für die Kühlung, ein Pickerl fürs Parken, und so weiter und so fort. Das Rundherum und Schreibtischarbeit ist viel aufwendiger.“

Fleisch & Co:  Wie geht ihr mit dem Personalmangel und dem Image des Berufs um?

Josef Kröppel: „Ganz einfach: Wir drei müssen mehr arbeiten! Naja, es gibt ganz wenig Nachwuchs. Das ist schon schade. Es ist halt ein Unterschied, ob ich einmal etwas Besonderes einkaufen gehe und ein gutes Rezept bereite, oder ob ich täglich ab 5 Uhr arbeiten muss.“
Florian Kröppel: „In Wien gibt es keine Meisterprüfungen mehr. Ich musste nach Oberösterreich fahren. Das sagt doch schon alles, oder?“

Fleisch & Co: Kaufen Konsumenten heute anders? Gibt es Trends?

Josef Kröppel: „Grillen hat sich am Markt flächendeckend etabliert. Früher wurde mehr gekocht, heute wird mehr gegrillt. Und die Leute schauen mehr auf das Geld – müssen sie ja. Also wird heutzutage etwas weniger genommen. Wenn aber das Stück passt, dann essen sie alle gerne ein bisserl mehr.“

Fleisch & Co: Ist Nose to Tail ein Thema?

Josef Kröppel: „Also ich muss ehrlich sagen, das machen wir so nicht. Von einer Sau ist der Schinken mager, aber das Karree soll fett sein. Aber wir kaufen, wie gesagt, von kleinen Betrieben.“

Fleisch & Co: Wie stets mit Reifung und Fettgehalt?

Josef Kröppel: „Wir verwenden nur Kalbinnen, also weibliches Jungrind, mit Mindestfettabstufung von 3. Das lassen wir mindestens drei Wochen im Kühlhaus am Knochen reifen. Durch den Fettgehalt, die Marmorierung hält es sich auch.“

Fleisch & Co:  Tierwohl und Kennzeichnung – laut Medien pochen die Kunden darauf …

Josef Kröppel: „Bei uns ist das überhaupt kein Geheimnis. Die Leute wollen vor allem wissen, wo es herkommt – und sie fragen immer mehr danach. Ich finde, dass auch in der Gastronomie vermehrt gekennzeichnet werden soll!“

Fleisch & Co:  Wie viel Fleisch esst ihr? Und habt ihr ein Lieblingsessen?

Florians Lieblingsessen ist Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln. Klassisch gemacht, also Bauchfleisch.© Katharina Stögmüller

Josef und Florian Kröppel: „Wir essen täglich Fleisch.“
Florian Kröppel: „Mein Lieblingsessen ist eigentlich Schweinsbraten mit Kartoffelknödel. Klassisch gemacht, also Bauchfleisch. Knoblauch, Salz, Kümmel und langsam bei niedrigere Temperatur, damit es saftig bleibt. Kruste nur mit Oberhitze. Schweineschmalz und der Saft, der sich ergibt.“
Josef Kröppel: „Kalbsschnitzel. Mit Erdäpfel-Vogerl-Salat und natürlich ein …“

Doch dann ist die Kundenschlange schon zu lang. 10 dag Beinschinken, ein halber Zentimeter Leberkäse. Der nächste Kunde: Kalbsfilet 300–400 Gramm. „Grüß Sie, ich hätte gern Beinschinken in eine Semmel – und ich nehm’ noch 15 Deka zum Mitnehmen.“ Zwei Kabanossi und zweimal Käswurstsemmel möchte ein junger Mann …

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