Einfach war es nicht. Wir haben damals Neuland betreten“, erinnert sich Hans Plattner. Der geschäftsführende Gesellschafter des Tiroler Fleisch und Wursterzeugers Hörtnagl blickt auf die mehr als 25 Jahre währende Zusammen arbeit mit den Tiroler Almbauern zurück.
Konkret geht es um das Projekt „Tiroler Grauvieh Almochs“. Mitte der 90er Jahre war der Almochs eine aussterbende Rasse, niemand habe sich vor stellen können, dass man neben Milch und Käse auch Fleisch von der Alm vermarkten könne. Plattner erinnert sich auch an die Kluft zwischen Bauern und Produzenten: „Es hat das gegenseitige Verständnis gefehlt. Die Bauern wussten nicht, was die Konsumenten wollten. Und die Konsumenten glaubten, dass immer alles sofort und in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht.“ Auch Hörtnagl selbst hatte mit Argwohn zu kämpfen. „Dass sich jetzt ein Veredler, wie wir es sind, in der Wertschöpfungskette zwischenschaltet – das war für damalige Zeiten sehr ungewöhnlich.“
Initialzündung Almochs
Heute ist der Grauvieh Almochs das Erfolgsprojekt. Hörtnagl veredelt und vermarktet rund 400 Almochsen pro Saison. „Das ist eine für Tiroler Verhältnisse stattliche Zahl“, so Plattner. Das gestiegene gegenseitige Verständnis und das immer stärker werdende Bewusstsein für regionale Kreisläufe seien mitverantwortlich für das tolle Ergebnis. Auch wüssten und akzeptierten die Konsumenten heute, dass nicht immer alles auf Knopfdruck verfügbar ist und es hochwertiges Fleisch von den Almen nur saisonal und in bestimmten Mengen gibt. Dieses Projekt war für Hört nagl und die Tiroler Almbauern die Initialzündung. Im Laufe der letzten Jahre hat Hörtnagl selbst aber auch weitere Veredler und vor allem der Lebensmittelhandel gemeinsam mit der Agrarmarketing Tirol regionale Fleischvermarktungsprojekte gestartet.
Bei MPREIS etwa ist es der Tiroler Jahrling, bei SPAR die Tiroler Kalbin und das Tiroler Almrind. Verarbeitet und regional verkauft wird das Almrind mit Tiroler Herkunftsgarantie im TANN Frischfleisch-Produktionsbetrieb in Wörgl. Damit aber ein solches Projekt wie das Tiroler Almrind überhaupt auf Schiene kommen kann, braucht es regionale Partner. „Durch die gute Zusammenarbeit mit der Rinderzucht Tirol, dem Landeskulturfonds und SPAR Tirol als Vermarktungspartner wurde es möglich, ein so tolles Produkt mit Tiroler Ursprungsgarantie anbieten zu können“, erklärt Matthias Pöschl, Geschäftsführer der Agrarmarketing Tirol dazu.
Vom Rind zum Schwein
Mit der Agrarmarketing Tirol hat Hörtnagl übrigens ein weiteres Fleischprojekt gestartet: das „Tiroler Almschwein“. Nach einem steinigen Anfang ist auch dieses mittlerweile zu ei nem Erfolgsprojekt geworden, wie Plattner erzählt. Zum einen habe dem Schwein das Label „Billigprodukt“ angehaftet, zum anderen habe die Schweinwirt schaft auf Tirols Almen vor sich hingeschlummert. Aus diesem Schlaf konnte Hörtnagl inzwischen 15 Almenbauern erwecken und ihnen das „Produkt Almschwein entlocken“, wie es Hans Plattner sehr diplomatisch erzählt.
Das Almschwein ist lediglich sechs Wochen im Jahr verfügbar, biete eine tolle Qualität und ist im Premium-Bereich angesiedelt. „Wir sind nicht in der Lage, die große Nachfrage zu bedienen“, so Plattner. Aber das sei auch nicht Sinn der Sache. Um die regionalen Kreisläufe zu stärken, zahlt Hörtnagl den Almbauern einen weit höheren Preis als marktüblich. Und für die Konsumenten und Gäste sei es gut zu wissen, dass die Alm, auf der das Tier aufgewachsen ist, einen Namen hat.
Projekt Almkulinarik
Tirol ist mit über 2.000 Almen Österreichs Almland Nummer eins. Im Bundesvergleich hat Tirol mit über 120.000 Hektar sogar fast doppelt so viel Almfutterfläche wie das zweitplatzierte Salzburg. 75 % der österreichischen Almmilch stammt aus Tirol. Mehr als 100.000 Tiere verbringen ihren Sommer jährlich auf den Almen. Und deshalb soll jetzt auch dem Trend zu regionalen und nachhaltig produzierten Produkten Rechnung getragen werden. Um diese enorme Stärke der Marke Tirol zu bündeln, wurde im Oktober 2018 die Lebens raum Tirol Holding geschaffen. Diese vereint Tirol Werbung, Agrarmarketing Tirol und Standortagentur Tirol unter einem Dach. Jetzt wurde auf der Schlickeralm von Landeshaupt mann Platter das erste Projekt der Holding vorgestellt.
Das „Almkulinarik“-Projekt sieht vier konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Tiroler Almen als Erholungs und Wirtschaftsraum und stärkeren Positionierung von regionalen und nachhaltig produzierten Produkten vor:
Das seit 2011 bestehende Projekt „Almleben“ der Agrarmarketing Tirol wird fortge setzt. Schon jetzt profitieren die 50 teilnehmenden Partneralmen von der gesammelten Expertise der Agrarmarketing Tirol in Form von Produktentwicklung, Vermarktungsstrategien sowie Teilhabe an Werbekampagnen.
„Tiroler Almkäse“ soll mit geschützter Ursprungsbezeichnung als Premium-Produkt auf den Markt kommen. Dazu beteiligt sich das Land Tirol an der Errichtung des „Tiroler Felsenkellers“. Mit acht Kleinsennerei en gibt es auch bereits eine Gemeinschaft zur Realisierung des Vorhabens. Damit soll eine Premium-Produktlinie geschaffen werden, die sich auch außerhalb Tirols einen Namen machen soll.
Die Erlebnisalm
In Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck und der FH Kufstein wird ein grundlegendes Konzept zum Thema „Erlebnisalm“ entwickelt. Almen sollen dadurch zu einem Ort werden, an dem jede Generation, vor allem aber Kinder und Jugendliche, eigene positive Erfahrungen mit sämtlichen Aspekten des Themas Almwirtschaft machen können. Das können Erlebnisse in der Schausennerei ebenso sein wie im Stall.
Tirol Werbung hat eine Werbekampagne rund um Almwirtschaft und Kulinarik konzipiert.
Unter dem Titel „Kulinarische Wanderungen“ werden auf den Hauptmärkten (Ö, D, CH, I, F, B & NL) lukullische Erlebnisse in den Bergen und Almen mit eigener Produktion kommuniziert. Zusätzlich werden in Zusammenarbeit mit den Tiroler Tourismusverbänden und den Tiroler Seilbahnen Gäste wie Einheimische mit einer Informationskampagne zum richtigen Verhalten auf Almen sensibilisiert.