Die Nachfrage nach regionalem Geflügelfleisch steigt seit Jahren sehr stark an. Eine Ausweitung des Angebotes der Tiroler Landwirte scheiterte bisher an einer professionellen Lösung für die Schlachtung. Etliche Anläufe für einen regionalen Geflügelschlachthof scheiterten. Der Transport lebender Tiere über hunderte Kilometer zum nächsten Schlachthof kommt nicht infrage und entspricht in keiner Weise der Vorstellung von Tierwohl, Regionalität und Qualität. Nach einer über zweijährigen Projektphase steht aber nun mit der mobilen Geflügelschlachtung eine wunderbare Lösung zur Verfügung.
Nadelöhr Schlachtung
Ingrid Knoflach bewirtschaftet mit ihren Eltern und ihrem Sohn Philipp den Biohof-Omesbichl in Wildermieming. Am Hof sind unter anderem 60 Weidegänse, 450 Legehennen in Mobilstallhaltung, 400 Masthennen, sechs freilaufende Mastschweine und sechs Mutterkühe. Knoflach berichtet: „Die Schlachtung von Geflügel war für uns das Nadelöhr. Für einen Kleinbetrieb ist ein eigener Schlachtraum schwer zu finanzieren. Durch die mobile Schlachtung haben wir nun eine ideale Lösung, die nicht nur Stress für die Tiere vermeidet, sondern insgesamt für den Betrieb eine große Erleichterung darstellt.“ Knoflach vermarktet das Geflügelfleisch direkt ab Hof, wobei sie gerne Einblick in ihre Landwirtschaft gewährt: „Dass nun direkt am Hof geschlachtet wird, ist für mich ein weiterer Schritt in Sachen Transparenz bei der Lebensmittelproduktion und auch wichtig für verantwortungsbewussten Fleischkonsum.“
Große Chance
In Tirol erzeugen nur wenige Pioniere Geflügelfleisch. Die Selbstversorgung liegt hierzulande bei rund einem Prozent! Ziel ist es, den Selbstversorgungsgrad schrittweise auf zehn Prozent zu erhöhen. „Es gibt durchaus Potenzial am Markt. Viele kleine Betriebe könnten mit Geflügelfleisch ein Umsatzvolumen von über einer Million Euro realisieren. Die Produktion von Masthendln, Weidegänsen, Enten oder Puten passt ideal auf kleine Tiroler Bauernhöfe. Qualitätsfleisch zu erzeugen, ist in diesen Betrieben sehr gut machbar und die Vermarktung mit entsprechendem Engagement möglich“, ist Wendelin Juen, LK-Fachbereichsleiter und Initiator dieses Projekts, überzeugt. „Die mobile Geflügelschlachtung eröffnet einen schrittweisen Ausbau der Geflügelwirtschaft in Tirol“, ist er sicher. Ab sofort steht dieses Angebot, etwa für die Schlachtung von Legehennen, die dann als sogenannte Suppenhennen vermarktet werden, zur Verfügung. Die Anfrage ist groß, und die Termine zur Schlachtung von Weidegänsen im Herbst sind schon fast alle ausgebucht. „Das zeigt eindrucksvoll die Akzeptanz und den Bedarf an dieser mobilen Schlachtung für die kleinen Tiroler Betriebe“ fasst Juen die Notwendigkeit der Umsetzung dieses Projektes zusammen.
Die Herausforderungen
Die Corona-Krise hat die negativen Seiten industrieller Schlachtungen in den Fokus gerückt. Kleine Schlachtbetriebe sind meist unwirtschaftlich und die Auflagen sowie die rechtlichen Hürden hoch. Noch schwieriger waren die Herausforderungen für die Lösung und Umsetzung einer mobilen Schlachtung. Am Beginn des Projektes war die Einschätzung von Landesveterinärdirektor Josef Kössler: „Prinzipiell sinnvoll, aber sicher nicht einfach lösbar“. Sein Resümee nach der Realisierung des Projektes: „Dieses Schlachtmobil ist eineideale Lösung für Tiroler Kleinbetriebe und entspricht dem höchsten Tierwohlstandard, erfüllt alle rechtlichen und hygienischen Vorgaben und ist mit einer tirolweiten Registrierung im ganzen Land einsetzbar. Mit dieser innovativen Lösung der mobilen Geflügelschlachtung setzt Tirol neue Maßstäbe und ist Pionier und Vorreiter“, gratuliert Kössler allen motivierten und engagierten Projektpartnern.
Professioneller Betreiber
Maschinenring-Obmann Hermann Gahr ist ein großer Befürworter der mobilen Geflügelschlachtung und hat die Umsetzung tatkräftig unterstützt. „Der Maschinenring bietet das Schlachtmobil für Bauern von Osttirol bis Reutte an und koordiniert den Einsatz. Diese neue Dienstleistung passt perfekt zum Angebot des Maschinenrings“, ist Gahr über das Ergebnis erfreut. Mit dem gelernten Metzgermeister und Landwirt Martin Gröbner aus Obernberg ist die professionelle Schlachtung gewährleistet. Er kommt mit dem Schlachtmobil auf den Hof. Vom Schlachten über das Rupfen bis hin zum Ausnehmen von Geflügel braucht es Erfahrung, Können und Fingerspitzengefühl. Gröbner steht als Fachmann mit seinem Mitarbeiter für eine perfekte Qualität. Der Direktvermarkter bekommt das verkaufsfertige Schlachtgeflügel und muss dieses nur noch auf die vorgeschriebene Temperatur kühlen. Dazu kann er vom Maschinenring auch einen Kühlanhänger mieten.
Mastermind Mayr
Den Anfang hat das Projekt aber bei Matthias Mayr genommen. Der Mostviertler, der jetzt im Tiroler Kematen lebt, ist selbst Landwirt mit Lege- und Masthennen in der Direktvermarktung und hatte seinerzeit die Idee, eine mobile Gef lügelschlachtung in Tirol umzusetzen.
Fleisch & Co traf den innovativen Landwirt und Geflügelfacharbeiter zum großen Interview.
Zur Person: Matthias Mayr
Matthias Mayr lebt mit seiner Familie in Kematen in Tirol und betreibt gemeinsam mit Gattin Theresa den Oberländerhof. Er ist selbst Landwirt mit Mobilställen für Lege- und Masthennen und Puten in der Direktvermarktung (#wanderhendl). Matthias kommt aus Gaming im Mostviertel und ist des Sports (SWARCO Raiders Tirol) und der Liebe wegen nach Tirol gezogen. Ursprünglich im Marketing tätig mit Studium an der FH Wieselburg und an der FH Kufstein hat der Quereinsteiger inzwischen auch sämtliche landwirtschaftliche Ausbildungen, vom landwirtschaftlichen Facharbeiter bis zum Geflügelfacharbeiter, absolviert. Aktuell befindet sich Mayr gerade in der Geflügel-Meisterausbildung.
Wie kam es zur Idee der mobilen Schlachtung?
Matthias Mayr: „Ich habe mich mit dieser Thematik einige Jahre beschäftigt. Ursprünglich wollte ich eine fixe Schlachtstelle am Hof bauen. Bekanntlich kommt das teuer. Selbst betreibe ich einen mobilen Geflügelstall. Und die Idee ist oder war: Direkt am Feld zu schlachten, direkt beim mobilen Stall.“
Wie kann man sich einen mobilen Geflügelstall vor stellen?
Mayr: „Das Ei-Mobil ist eine ganz normale Stalleinheit für Legehennen und Mastgeflügel auf Kufen oder Rädern. Das bedeutet, man kann diese Einheiten auf dem Feld versetzen. So finden die Tiere stets frisches Futter und Gräser, der Boden wird daher weniger belastet.“
Und so entstand die Idee?
Mayr: „Ja. Ich habe das Modell selbst entwickelt, in Abstimmung auf Hygienemaßnahmen und gesetzliche Auf lagen. Ursprünglich wollte ich die mobile Schlachtstelle selbst betreiben und als Dienstleistung anbieten. Da bin ich aber an meine Grenzen gestoßen.“
Inwiefern?
Mayr: „Es hätte zu viele Ressourcen gebunden. Ich betreibe einen Hof mit Direktvermarktung, bin junger Familienvater. Also habe ich mich nach Kooperationspartnern umgeschaut. So konnte das Projekt der mobilen Geflügelschlachtung gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Tirol und dem Maschinenring Tirol als Dienstleister starten.“
Was ist Ihre Rolle dabei?
Mayr: „Ich habe das Tiroler Projekt bis vor Kurzem noch als Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Tirol mit meinem Know-how begleitet. Einer Anfrage der Firma Stückler (Kärntner Hersteller des Hängers für die mobile Schlachtung), ob ich die Beratung und Vermarktung und den Aufbau übernehmen wolle, habe ich zugestimmt. Wir haben dazu die Gesellschaft für mobile Schlachtunggegründet.“
Die mobile Schlachtstelle nimmt also bereits größere Formen an?
Mayr: „Ja, die mobile Geflügelschlachtung ist inzwischen von den Landesveterinärdirektionen in den Bundesländern genehmigt. Und aktuell entstehen in ganz Österreich Initiativen. Meine Rolle ist es, das Bindeglied zwischen Praxis und den Behörden zu sein. Es braucht Fachwissen über Auflagen, Gesetze und Abläufe. Ich kann die Landwirte dabei unterstützen, die mobile Schlachtung auf ihrem Hof einzusetzen.”
Könnten auch größere Tiere mobil geschlachtet werden?
Mayr: „Genau in diese Richtung wollen wir gehen. Momentan liegt der Fokus auf der mobilen Geflügelschlachtung. Wir wollen aber die Idee weiterentwickeln. Es kommen langfristig auch das Niederwild, Ziegen, Schafe, Rinder und Schweine in Betracht. Warum darf ich im Wald ein Reh zerlegen, muss aber beim Schaf Hygienestandards einhalten? Das heißt, der Sprung vom Wild zu Schaf und Ziege ist nicht allzu groß, dass man sich hierzu ebenfalls eine passende mobile Lösung überlegt. Die Königsklasse wäre dann Schwein und Rind. Da sprechen wir aber nicht von einer mobilen Schlachtung, sondern von einer Hof- oder Weidentötung mit dem Ziel, das Tier möglichst schnell zum stationären Fleischer zu bringen.“
Ist die mobile Schlacht stelle auch etwas für Fleischer?
Mayr: „Gerade bei den Fleischern ist es häufig so, dass der gesamte Produktions- und Hygieneablauf auf rotes Fleisch abgestimmt ist. Um Geflügel zu schlachten, müssten die Prozesse verändert werden. Die mobile Geflügelschlachtung eröffnet diese Möglichkeit und gibt den Fleischern darüber hinaus die Chance, Lohnschlachtung anzubieten.“
Wie ist es derzeit um die mobile Schlachtung in Österreich bestellt?
Mayr: „Es sind in etwa zehn Stück der mobilen Hänger für die Schlachtung in Österreich im Einsatz, davon der Großteil betrieblich. Das von mir entwickelte und vom Maschinenring betriebene Modell ist überbetrieblich in ganz Tirol im Einsatz.“
Wie läuft das Modellprojekt in Tirol ab?
Mayr: „Die mobile Schlachtung ist in Obernberg bei Metzgermeister und Landwirt Martin Gröbner stationiert. Von dort aus fährt das Mobil auf Anfrage ganz Tirol an. Die Schlachttage sind Freitag und Samstag, und diese sind bereits gut gebucht. Die Koordination obliegt dem Maschinenring Tirol. Die Landwirtschaftskammer berät die einzelnen Betriebe, etwa über die richtige Haltung von Mastgeflügel, Gänse, Puten und Legehennen und die Chancen der Direktvermarktung.“
Und wie geht es österreichweit weiter?
Mayr: „Wir haben im Oktober mehrere Präsentationen in den Bundesländern, z. B. Salzburg und Steiermark – stets gemeinsam mit dem ortsansässigen Maschinenring und den Landwirtschaftskammern. Wir können bereits verschiedene Modelle anbieten, mit oder ohne integrierter Kühlzelle und in verschiedenen Längen mit vier, fünf, sechs oder acht Metern plus Sonderanfertigungen (z. B. für zwölf Betriebe in Deutschland, die eine gemein- same Schlachtstelle betreiben möchten).“
Können wir auch über das Tierwohl sprechen?
Mayr: „Die mobile Schlachtung entspricht voll und ganz dem Prinzip der Regionalität. Die Anwender können jederzeit eine Hofschlachtung vornehmen, also direkt vor Ort. Der Tiertransport entfällt. Ein weiterer wesentlicher Faktor der mobilen Schlachtung ist die Betäubungsart. Häufig werden die Tiere gedreht und kopfüber durch ein Wasserbad geschleust. Bei der mobilen Schlachtung werden die Tiere nicht gedreht und elektrisch betäubt.“
Für welche Betriebe eignet sich die mobile Geflügelschlachtung?
Mayr: „Für alle Betriebe, die Geflügel halten, und für Legehennenbetriebe ergibt sich die Möglichkeit, das Suppenhuhn zu vermarkten. Die Wertschöpfung liegt darin, die Ressource Althenne verwerten zu können. Auch für Betriebe, die ein Nebeneinkommen erwirtschaften wollen, ist das Projekt interessant. Sind Rind, Schaf, Ziege auf der Alm, steht die Infrastruktur leer. Man kann in dieser Zeit in den Stallungen Gänse, Puten und Hühner halten.”
Da ergibt sich eine Ne benerwerbskombination?
Mayr: „Ja. Der Landwirt kann in den zwei, drei Monaten, in denen der Stall leer stehen würde, kleine Partien für die Direktvermarktung in sehr hoher Qualität produzieren. Er kann über die Hofschlachtung einen guten Preis erzielen, mit dem Argument der kleinbäuerlichen, regionalen Haltung und null Tiertransport. Das ist letztlich auch Storytelling für die Kunden und tatsächlich nachhaltige Direktvermarktung.“