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Landwirtschaft & Umwelt

Werner Habermann: „Eine Haltungskennzeichnung sehe ich als sinnvoll an!“

In der aktuellen Debatte um die Tierwohl-Standards bezieht Werner Habermann seitens der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf Position. Er spricht sich im Fleisch & Co-Interview für Transparenz in Burger-Läden, Kantinen und Co aus.

Zwischen Tierhaltern und Handel kommt den Erzeugergemeinschaften eine Schlüsselrolle in der heimischen Fleischzucht zu. Auch wenn DI Werner Habermann im Gespräch einräumt, dass sie beim Konsumenten durchaus bekannter sein könnten, tragen deren erfolgreichen Marken-Programme wie das „Tullnerfelder Schwein“, das man bei Gut Streitdorf entwickelt hat, Früchte.

Allerdings ginge es nun auch um einen fairen Umgang seitens der Verbraucher und des Handels – „damit die Landwirte nicht auf den Mehrkosten sitzen bleiben“. Denn die Bereitschaft zu mehr Transparenz sei bei den Schweinebauern da, unterstreicht Habermann im Gespräch mit Fleisch & Co ausdrücklich. Aus seiner Sicht geht die Haltungskennzeichnung aktuell nicht weit genug; vor allem der Außer-Haus-Verzehr“ sei hier künftig in die Pflicht zu nehmen.

Fleisch & Co: Herr DI Habermann, die Diskussionen um Schweinefleisch-Preis und Tierwohl sind extrem verzahnt. Wo sollte die Diskussion einsetzen?

DI Werner Habermann: „Rund um das Thema Tierwohl sehen wir momentan nicht nur eine systemische Debatte, sondern es werden auch sehr unterschiedliche thematische Aspekte und Interessen in der Diskussion vermischt. Hier braucht es entlang der Wertschöpfungskette eine offene Diskussion und eine faire Kalkulation der Kosten und Mengen – dafür stehe ich gerne zur Verfügung.“

Fleisch & Co: Aktuell schieben sich Handel und Erzeuger den ,Schwarzen Peter‘ zu, wer für die Preissteigerungen verantwortlich sind. Ihre Sicht der Dinge?

DI Werner Habermann: „Die Schweinehalter sind seit dem letzten Jahr durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland mit enormen Preiseinbrüchen konfrontiert. Die geschlossene Gastronomie und der fehlende Tourismus haben zusätzlich zu Vermarktungsschwierigkeiten geführt. Während dieser – für die schweinehaltenden Betriebe besonders schwierigen – Zeit konnte der Lebensmitteleinzelhandel die Absatzmengen teilweise deutlich steigern. Der wichtige Absatzmarkt ,Gastronomie‘ konnte aber nicht ansatzweise kompensiert werden! Vonseiten der Erzeuger bewegt sich der Schweinepreis auf einem unbefriedigenden Niveau, liegt deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt (bei gleichzeitig gestiegenen Futterkosten) und somit kann von einer Preissteigerung sicher nicht gesprochen werden.“

Fleisch & Co: Die Koppelung von neuen Tierwohl-Standards mit höherer Preisbereitschaft der Kunden baut auf einer Hypothese auf. Wird ein neues Label, wie immer das aussieht, wirklich mehr Geld zu den Bauern bringen?

DI Werner Habermann: „Die Haltung von Nutztieren ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Natürlich tragen die Tierhalter eine wesentliche Verantwortung. Die Entwicklungen der letzten Monate zeigt deutlich, dass die Schweinehalter zu einer Weiterentwicklung stehen.

Studien belegen, dass eine Weiterentwicklung zu höheren Produktionskosten führt. Hier muss es gelingen, die Verantwortung und Bereitschaft über die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Konsumenten weiterzutragen, damit die Landwirte nicht auf den Mehrkosten sitzen bleiben.“

Fleisch & Co: Sie gelten als Verfechter der Herkunftskennzeichnung. Wie weit sollte diese gehen – bis zum Gastronomen?

DI Werner Habermann: „Bei Schweinefleisch wird in Österreich seit Jahren die durchgängige Herkunftskennzeichnung umgesetzt. In der Kühltheke kann dadurch Fleisch von österreichischen Schweinen eindeutig von importiertem Fleisch unterschieden werden. Wenn es um Lebensmittel geht, soll jeder Konsument eine echte Wahlfreiheit haben, um sich bewusst für heimische, regionale Produkte entscheiden zu können. Ein wesentlicher Anteil des Konsums findet mittlerweile aber im so genannten ,Außer-Haus-Verzehr‘ statt: Mit über 50 % wird Schweinefleisch in betrieblichen Kantinen, der System-Gastronomie oder beim ,Wirt ums Eck‘ konsumiert. Auch hier soll der Konsument erkennen können, woher das Fleisch stammt!“

Fleisch & Co: Wäre im Restaurant eine Wahl „Billigschnitzel aus EU“ versus „Tullnerfelder“ auf der Speisekarte vorstellbar?

DI Werner Habermann: „Das ,Tullnerfelder Schwein‘ ist ein Markenprogramm der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf und durch eine spezielle AMA-Spezifikation abgesichert, die auch laufend kontrolliert wird. Damit kann den Gästen in der Gastronomie jederzeit eine 100%ige Transparenz über Herkunft und Produktion geboten werden. Das ,Billigschnitzel aus der EU‘ bietet diese Lebensmittelqualitätsregelung meistens nicht. Konsumenten-Befragungen der AMA zeigen deutlich, dass besonders die regionale, heimische Produktion eines der wichtigsten Kauf-Argumente darstellt und weiter an Bedeutung gewinnt. Ich bin überzeugt, dass sich die Gäste – bei einer Auslobung auf der Speisekarte – für das heimische Qualitätsschnitzel entscheiden.“

Fleisch & Co: Der Konsument weiß in der Regel nicht einmal von der Existenz der Erzeugergemeinschaften – verliert man da nicht einen Verbündeten?

DI Werner Habermann: „Eine wesentliche Aufgabe von Erzeugergemeinschaften ist die Entwicklung und Stärkung von Qualitätsfleisch-Programmen. Hier werden wir aktiv eine Bewusstseinsbildung bei den Konsumenten fördern, da ich überzeugt bin, dass die Konsumenten dann noch gezielter und bewusster zur heimischen Qualität greifen werden. Die Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf ist hier mit der Sparte GASTRO laufend dabei, Qualitätsfleischprogramme in den Bereichen Rind, Schwein und Schaf/Ziege zu entwickeln, um gemeinsam mit dem Handel und der Gastronomie Konsumenten-Wünschen nachzukommen und eine heimische Produktion zu sichern.

Zusätzlich informieren wir unsere Vermarktungspartner von der Produktion bis zum fertigen Gericht auf dem Teller. Künftig wollen wir hier noch aktiver und näher beim Konsumenten sein – so sollen Rezeptvideos zum Nachkochen einladen und in einem eigenen Fleisch-Blog können sich Fleischfans und Genießer austauschen.“

Fleisch & Co: Wird eine neue Tierwohl-Kennzeichnung kommen oder reicht der AMA-Standard, wenn die Schweinebauern Zukunft haben sollen?

DI Werner Habermann: „Das AMA-Gütesiegel und das AMA-BIO-Siegel bilden die Grundlage für die Herkunfts- und Qualitätssicherung. Darauf aufbauende Qualitätsprogramme nutzen deren Qualitätssicherungsmaßnahmen.

Der Bekanntheitsgrad des AMA-Gütesiegels beträgt 92 % und der des AMA-BIO-Siegels 61 %. Ergänzend dazu gibt es beim AMA-Gütesiegel schon länger Module (z. B. gentech- nikfreie Fütterung, besondere Haltungsformen, …). Diese sind aber für den Konsumenten an der Theke häufig nur schwer erkennbar. Gerade diese klare Differenzierung bei den Produktionsrichtlinien wird von vielen Konsumenten aber stärker gewünscht. Eine Weiterentwicklung der Herkunftskennzeichnung zu einer Haltungskennzeichnung im AMA-Gütesiegel sehe ich als sinnvoll an.“

Autor: Roland Graf

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