Am Rande der Fußball-EM ging ein Aufschrei durch die sozialen Medien. Das jüngste Angebot von Spar und Rewe der Leberkäsesemmeln um €1,69 bzw. €1,70 ist die Spitze des Eisbergs und gibt einmal mehr Anlass, die Konsumenten sowie alle Beteiligten in der Nahrungsmittelindustrie und im Lebensmitteleinzelhandel zu sensibilisieren: Solche Dumping-Preise sind für alle Beteiligten schädlich.
Aus diesem Grund habe wir uns einmal angesehen, was eine durchschnittliche Leberkäsesemmel in einer durchschnittlichen Produktion kostet. Grundsätzlich haben wir hier die Industrie-Produkte als Basis genommen. Eine Qualitätssemmel im bestem Falle handwerklich hergestellt und ein Leberkäse aus Tierwohl-Fleisch und ebenso handwerklich hergestellt schmecken natürlich um vieles besser, doch diese Qualitätsprodukte sind im Supermarkt ohnehin nicht typisch.
Die Semmel: Zutaten und Energiekosten
Eine typische Industrie-Semmel benötigt in etwa folgende Zutaten:
- Weizenmehl: 55-65g
- Wasser: ca. 30-35ml
- Hefe: 1-2g
- Salz: 1-2g
- Zucker: 0,5-1g
- Backmittel: 0,5-1g
- Fett/Öl: 0,5-1g
Energiekosten:
- Backzeit: 12-15 Minuten
- Ofentemperatur: ca. 220°C
- Energieverbrauch: ca. 0,1 kWh pro Semmel
Die Herstellungskosten einer Industrie-Semmel betragen etwa 0,10 bis 0,20 Euro pro Stück, inklusive Zutaten und Energiekosten.
Der Leberkäse: Menge und Herstellungskosten
Zutaten für Leberkäse (pro kg):
- Schweinefleisch: 700g
- Rindfleisch: 200g
- Speck: 100g
- Eis/Wasser: 150-200ml
- Nitritpökelsalz: 18-22g
- Gewürze (Pfeffer, Muskat, Ingwer): 5-10g
Herstellungskosten für Leberkäse:
- Fleischkosten: ca. €4,00 pro kg
- Zutaten und Gewürze: ca. €0,50 pro kg
- Energiekosten (Mahlen, Mischen, Backen): ca. €0,50 pro kg
- Gesamtkosten: ca. €5,00 pro kg
Eine typische Leberkäsesemmel enthält durchschnittlich 100-120g Leberkäse, das heißt die Kosten belaufen sich auf etwa €0,50 bis €0,60.
Gesamte Kalkulation der Leberkäsesemmel
Gesamtkosten:
- Semmel: €0,10 bis €0,20
- Leberkäse: €0,50 bis €0,60
- Sonstige Kosten (Transport, Personal, Verpackung): ca. €0,20
Gesamtkosten pro Leberkäsesemmel: €0,80 bis €1,00
Verkaufspreis: €1,69 bis €1,70
Der Verkaufspreis von €1,69 bis €1,70 ist somit extrem knapp kalkuliert, wenn man die gesamten Produktionskosten und den nötigen Gewinnmargen berücksichtigt. In Zeiten steigender Rohstoff-, Energie und Lohnkosten ist dieses Angebot besonders kritisch zu betrachten.
Manche gehen davon aus, dass der Lebensmitteleinzelhandel nicht auf sein Plus verzichten will und die Einkaufspreise bei den Produzenten drückt – in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Stimmen laut, die diese Geschäftspraktiken (meist hinter vorgehaltener Hand) bestätigen.
Querfinanzierung und ihre Folgen
Es ist natürlich sehr wahrscheinlich, dass solche Angebote querfinanziert werden. Das bedeutet, dass Verluste aus dem Verkauf von Leberkäsesemmeln durch höhere Preise bei anderen Produkten ausgeglichen werden. Diese Strategie kann selbstverständlich kurzfristig mehr Kunden anlocken, stellt aber die Frage, ob es in der aktuellen wirtschaftlichen Lage sinnvoll ist, solche Dumpingpreise anzubieten.
Auswirkungen auf lokale Lebensmittelproduzenten
Billigfleisch und Dumpingpreise haben schwerwiegende Folgen für die gesamte Lebensmittelindustrie. Diese Praktiken setzen lokale Produzenten unter enormen Druck, da sie kaum in der Lage sind, mit den niedrigen Preisen mitzuhalten. Dies führt oft zu einem Teufelskreis: Um Kosten zu sparen, werden Tiere unter schlechten Bedingungen gehalten, was das Tierwohl massiv beeinträchtigt. Die Qualität des Fleisches leidet, und die Umwelt wird durch intensive Landwirtschaft belastet. Langfristig können solche Preisstrategien lokale Betriebe ruinieren, Arbeitsplätze vernichten und die Abhängigkeit von ausländischen Importen erhöhen. Konsumenten sollten sich daher bewusst für hochwertige und nachhaltig produzierte Fleischprodukte entscheiden, um diese negativen Auswirkungen zu vermeiden.
Die drastische Preisreduktion hat schwerwiegende Folgen für lokale Produzenten wie Fleischer, Bäcker, Bauern und Müller. Diese kämpfen bereits mit hohen Betriebskosten und können kaum mithalten. Wenn Supermärkte weiterhin solche Dumpingpreise anbieten, könnten lokale Produzenten aus dem Markt gedrängt werden, was zu einer Abhängigkeit von internationalen Lieferanten führt und die lokale Wirtschaft schwächt.
Das mögliche Szenario ohne lokale Produzenten
- Abhängigkeit von Importen: Höhere Kosten und weniger Kontrolle über Qualität.
- Verlust von Arbeitsplätzen: In der heimischen Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung.
- Verlust von Know-how: Traditionelle Handwerkskunst und lokale Rezepte gehen verloren.
- Tierwohl: Österreich hat einige der höchsten Standards in Sachen Tierwohl. Ein Wegfall der lokalen Landwirtschaft würde bedeuten, dass wir vermehrt Fleisch konsumieren, das unter schlechteren Bedingungen produziert wurde. In vielen Ländern wird nach wie vor stark auf den Einsatz von Antibiotika gesetzt, was nicht nur das Tierleid erhöht, sondern auch unsere Gesundheit bedroht.
- Zersiedelung der Orte: Der Wegfall lokaler Produzenten würde zur Zersiedelung der Orte beitragen. Dies ist bereits jetzt spürbar durch die enorme Anzahl an Supermärkten, das Verschwinden vieler Nahversorger und das Verlegen der Einkaufszentren an den Ortsrand.
- Qualität der Lebensmittel: Die Qualität der Lebensmittel würde selbstverständlich ebenfalls leiden. Lokale Produzenten können durch ihre Nähe und Transparenz eine hohe Qualität sicherstellen, während importierte Lebensmittel oft längere Transportwege und weniger strenge Kontrollen durchlaufen.
Politische Maßnahmen und die Rolle der AMA Marketing
Es stellt sich die Frage, ob politische Maßnahmen ergriffen werden können, um diese Praxis zu unterbinden. Regulierungen könnten eingeführt werden, um Dumpingpreise zu verhindern und faire Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu gewährleisten. Mögliche Maßnahmen könnten Preiskontrollen, Subventionen für lokale Produzenten oder strengere Regulierungen für Lebensmittelpreise umfassen.
Die AMA Marketing spielt an sich eine wichtige Rolle im österreichischen Lebensmittelmarkt, ist jedoch in gewissem Maße von den Supermärkten abhängig. Es wäre zu prüfen, ob und wie die AMA Marketing Maßnahmen gegen diese Preispolitik ergreifen könnte, ohne ihre Position zu gefährden.
Die AMA Marketing (Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH) wird hauptsächlich durch folgende Quellen finanziert:
- Beiträge der Landwirtschaft: Die AMA Marketing erhält Beiträge von landwirtschaftlichen Betrieben. Diese Beiträge werden auf Basis der Betriebsgröße und des Produktionsumfangs erhoben.
- Abgaben von Lebensmittelverarbeitern und Handel: Unternehmen aus der Lebensmittelverarbeitung und dem Handel zahlen ebenfalls Abgaben an die AMA Marketing. Diese Abgaben basieren oft auf dem Umsatz oder der Produktionsmenge der jeweiligen Unternehmen.
- Fördermittel: Die AMA Marketing erhält auch Fördermittel von der öffentlichen Hand, insbesondere von der österreichischen Bundesregierung und der Europäischen Union. Diese Mittel dienen der Unterstützung von Projekten zur Förderung der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie.
- Eigenmittel: Zu den Eigenmitteln gehören Einnahmen aus Dienstleistungen, die die AMA Marketing selbst anbietet, wie z.B. Marktforschung und Zertifizierungsdienstleistungen.
Die finanzielle Abhängigkeit der AMA Marketing von Beiträgen und Abgaben der Landwirtschaft sowie der Lebensmittelverarbeitung und des Handels könnte die Unabhängigkeit der Organisation bei der Durchsetzung von Maßnahmen gegen die Preispolitik der Supermärkte beeinträchtigen.
Tierwohl und Verantwortung
Die Diskussion über die Leberkäsesemmel für €1,69 führt auch zu einer wichtigen Frage des Tierwohls. Supermärkte sollten in die Pflicht genommen werden, solches Billigfleisch gar nicht erst anzubieten. Doch auch die Konsumenten tragen Verantwortung. Wer nur Billigfleisch kauft, unterstützt indirekt eine Produktionsweise, bei der Tiere oft unter schlechten Bedingungen leiden müssen.
Um das Tierleid zu reduzieren, sollten Verbraucher verstärkt auf hochwertige, verantwortungsvoll produzierte Fleischprodukte setzen. Der Kauf bei einem vertrauenswürdigen Fleischer, der langjährige Beziehungen zu den Bauern pflegt, gewährleistet, dass die Tiere gut gehalten und korrekt geschlachtet wurden. Dies unterstützt nicht nur das Tierwohl, sondern auch die lokale Wirtschaft.
Vom Stall in die Semmel: Die Kosten der Tierhaltung
Der Leberkäse stammt in der Regel von Schweinen und Rindern, die in der industriellen Tierhaltung aufgezogen werden.
Schweinehaltung:
- Aufzuchtzeit: ca. 5-6 Monate
- Futterkosten pro Schwein: ca. €100-€150
- Schlachtreife: 110-120 kg Lebendgewicht
- Fleischertrag: ca. 75-80 kg Fleisch pro Schwein
Rinderhaltung:
- Aufzuchtzeit: 18-24 Monate
- Futterkosten pro Rind: ca. €500-€800
- Schlachtreife: 500-600 kg Lebendgewicht
- Fleischertrag: ca. 300-350 kg Fleisch pro Rind
Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Kosten für die Tierhaltung erheblich sind und sich letztlich in den Produktionskosten für Fleischprodukte niederschlagen.
Die Diskussion über die Leberkäsesemmel für €1,69 führt also auch zu einer wichtigen Frage des Tierwohls. Supermärkte sollten in die Pflicht genommen werden, solches Billigfleisch gar nicht erst anzubieten. Doch auch die Konsumenten tragen Verantwortung. Wer nur Billigfleisch kauft, unterstützt indirekt eine Produktionsweise, bei der Tiere oft unter schlechten Bedingungen leiden müssen.
Um das Tierleid zu reduzieren, sollten Verbraucher verstärkt auf hochwertige, verantwortungsvoll produzierte Fleischprodukte setzen. Der Kauf bei einem vertrauenswürdigen Fleischer, der langjährige Beziehungen zu den Bauern pflegt, gewährleistet, dass die Tiere gut gehalten und korrekt geschlachtet wurden. Dies unterstützt nicht nur das Tierwohl, sondern auch die lokale Wirtschaft.
Die Leberkäsesemmel für €1,69 mag auf den ersten Blick verlockend erscheinen, wirft jedoch viele Fragen auf. Von den Produktionskosten über die Auswirkungen auf lokale Produzenten bis hin zu möglichen politischen Maßnahmen – es gibt viele Aspekte, die berücksichtigt werden müssen, um eine nachhaltige und faire Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Supermärkte und Konsumenten tragen gemeinsam Verantwortung für eine tiergerechte und wirtschaftlich faire Produktion. Daher ist es wichtig, tierische Produkte bewusst und verantwortungsvoll einzukaufen, am besten bei regionalen Fleischern, die eine artgerechte Tierhaltung sicherstellen können.