Allein die letzten Wochen zeigten die Bandbreite von Josef Mosshammers Unternehmen. Die Gulaschkanone rückte zum Nationalfeiertag aus, für Halloween gab er witzige Kochtipps („Wurstmumien“ im Blätterteig!), das Thanksgiving-Menü ist geschrieben, der Pasteten-Kochkurs im Dezember bereits ausreserviert. Auch Mosshammers Tag hat nicht mehr als 24 Stunden. Doch die Leidenschaft des steirischen Innungsmeisters für die Küche sieht er auch als Schlüssel zum Überleben der gesamten Branche. Immer wieder kreist das Gespräch des Grazers mit Fleisch & Co um veränderte Ernährungsgewohnheiten. Trends, die sich schnell ändern, verlangen auch nach modernen Ideen in der Vermarktung, ist Josef „Sepp“ Mosshammer überzeugt. Was er im eigenen Betrieb mit SB-Automaten und dem Ausbau des Webshop-Angebots vorlebt, sucht er auch für die Standesvertretung zu schaffen: „Wir brauchen die Jungen und ihre Ideen.“ Aus der Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe „Fleischer Next Generation“ wurde mit Melanie Rinner, Dominik Pichler und Peter Pierer ein stabiles Team, das die Zukunftsfragen der rund 100 steirischen Fleischereien in Angriff nimmt. Welche das aus Sicht der Innung sind, erläutert Mosshammer so, wie man ihn kennt: ohne Umschweife und mit klaren Worten, die sich am Konsumenten orientieren. Auch wenn dessen Einkaufsverhalten nicht immer logisch sein mag.
Fleisch & Co: Herr Mosshammer,die Kammerwahlen 2025 werfen ihren Schatten voraus. Wie sieht die Bilanz für die steirische Innung aus?
Josef Mosshammer: Ich glaube, dass nicht so sehr die Zeit für eine Rückschau ist – die Vergangenheit steht nur in den Geschichtsbüchern. Und wir haben ja genug herausfordernde Themen, etwa wenn ich an die demnächst anstehenden Preisverhandlungen oder die Personalsituation im Handel denke. Daher heißt es nach vorn schauen! Faktum ist, dass wir ja eine sehr heterogene Gruppe im Lebensmittelgewerbe sind, das ja von den Fleischern über die Bäcker bis zu den Müllern und NUG (Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Anm. d. Red.) sehr unterschiedliche Gruppen umfasst. Wir haben also für die Wahl geschaut, dass wir ein sehr ausgewogenes Team haben und alle Bereiche abdecken. Aktuell muss man sicher breiter denken, denn dass die Betriebe insgesamt weniger werden, braucht man nicht beschönigen. Ein wenig „retten“ uns in der Fachgruppe ja die vielen Ein Personen-Unternehmen (EPU, Anm. d. Red.) im Bereich NUG und Konditoren, zum Beispiel die Cup-Cake-Bäcker. Bei den Fleischern selbst sind diejenigen Betriebe, wo Junge – im Alter von 25 bis 30 Jahren – als potenzielle Nachfolger vorhanden sind, leider nicht viele. Aber genau die brauchen wir. Weil da neue Ideen abseits der eingefahrenen Bahnen zu erwarten sind. Und zum anderen werden wir auch die bisherige Aktion „Herzhaft essen“, die in der Steiermark schon lange eingeführt ist, überdenken. Sie hat ein wenig zu sehr auf den Fleischer abgestellt, da suchen wir dann nächstes Jahr nach zeitgemäßeren Lösungen.
Fleisch & Co: Das heißt, es soll auch einen neuen Slogan geben?
Josef Mosshammer: Das kann vielleicht ein Ergebnis oder ein Teil davon sein. Aber wichtiger ist es, auf die aktuellen Gegebenheiten zu reagieren. Wir sehen ja auch, dass es nicht stimmt, dass die Jungen gar kein Fleisch essen, wie uns Medien oft einzureden versuchen. Vor allem muss man auch da schauen, wie wird aktuell gekocht? Wenn jemand in seiner kleinen Wohnung eine Mikroküche von Ikea hat, dann muss ich mich auf die zwei Kochplatten einstellen und auch da Rezepte anbieten. Das werden dann vermutlich eher klassische „One Pot“-Gerichte sein. Oder das ganze Thema Thermomix. – Natürlich sagen die Leute mir, das ist angenehm, wenn das Gulasch köchelt und umgerührt wird, während ich Homeoffice machen kann.
Fleisch & Co: Sie haben ja auch immer darauf gedrängt, junge Fleischer in die Innung zu bekommen. Was ist da aus der Steuerungsgruppe geworden?
Josef Mosshammer: Wir haben mit Melanie Rinner, Dominik Pichler und Peter Pierer, die auch bereits Prüfer bei der steirischen Lehrabschlussprüfung sind, drei sehr engagierte Kollegen, die das auch weitermachen wollen. Bei unseren rund 100 Mitgliedsbetrieben in der Steiermark fürchte ich, dass die Talsohle noch nicht erreicht ist. Wenn ich etwa sehe, dass bei vielen Kollegen in meinem Alter kein Nachfolger absehbar ist in zehn oder 15 Jahren. Aber vielleicht wird das Gewerbe wieder attraktiver, wer weiß?
Fleisch & Co: Scheitert ein Quereinstieg von Interessierten, die genug vom ewig gleichen Bürojob haben, nicht auch an den Kosten des eigenen Betriebs?
Josef Mosshammer: Nicht unbedingt, das sehen wir ja teilweise bei den Direktvermarktern. Wobei deren goldene Zeiten während der Pandemie schon wieder vorbei sind. Auch die müssen nun den Kundenansprüchen folgen und sich anpassen. Es gibt auch genug Beratung und Förderungen durch die SFG (Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Anm. d. Red.). Das ist vielleicht nur zu wenig bekannt. Aber der Hauptvorteil der landwirtschaftlichen Erzeuger liegt natürlich auf der Kostenseite. Während wir warten, dass Kunden zu uns in den Laden kommen, gelangen sie auf Märkten und mit den den Lieferwägen zu den Kunden direkt.
Fleisch & Co: Letzteres könnte aber auch der Fleischer nutzen – wie früher beim „Gai-Fahren“ mit den eigenen Waren?
Josef Mosshammer: Natürlich, ideal wäre es, wenn ich nur mit meiner Frau die Märkte abfahre. Sobald ich aber einen einzigen Mitarbeiter habe, wird das alles schon wieder anders. Doch zurück zu den Quereinsteigern: Wenn jemand beispielsweise aus der Industrie kommt, dann ist der quasi „versaut“. Man war gute Löhne und eine klare Arbeitszeit – zum Beispiel 30 Stunden am Fließband – gewohnt, mit der man auch bei minimaler Leistung seinen Arbeitsplatz erhalten hat. Warum sollte sich jemand jetzt 70 Stunden in der Woche bei ungewissem finanziellem Ergebnis antun? Und natürlich muss der als Unternehmer bei den heutigen Anforderungen und Auflagen zugleich ein Rechtskundiger, versiert in Steuerfragen und Werbe-Fachmann neben seinem eigentlichen Handwerk sein. Die Entscheidungen sind heute auch viel schneller zu treffen. Wenn du heute als Unternehmen den weltbesten Eistee entwickelst, kann dessen Geschmack in einem Jahr völlig uninteressant sein. Da kommt ein neuer Trend aus Asien, und plötzlich interessiert das Produkt keinen mehr, ohne dass du etwas falsch gemacht hast. Oder man wählt nur den falschen Werbekanal und scheitert damit. Daher Hut ab vor allen, die sich das antun, heute neu zu starten!
Fleisch & Co: Lassen Sie uns zum eigenen Geschäft in Graz kommen. Wie hat sich die Begegnungszone direkt vor der Fleischerei entwickelt?
Josef Mosshammer: Die Stadt Graz hat im Zuge dessen auch rund 1.000 Parkplätze in der gesamten Stadt gestrichen. Was man nicht bedacht hat, ist, dass dadurch viel Geld fehlt. Dafür wird umso rigoroser gestraft. Wer die zehn Minuten kostenloses Halten überzieht, bekommt zwei Strafzettel, einen für die Überziehung, einen fürs Fehlen des Parkscheins. Daher sagen mir Kunden: „Sepp, ich bin früher jede Woche zu dir gekommen, aber jetzt halt nur einmal im Monat.“ Das können wir auch mit dem Versand nicht kompensieren, auch wenn der gut läuft.
Fleisch & Co: Ein gutes Stichwort! Mit Selbstbedienungsautomaten, Lieferando und Onlineshop mit Versand bedienen Sie viele moderne Vertriebswege. Wie hat sich das heuer entwickelt?
Josef Mosshammer: Wenn ich mir anschaue, dass in Graz angeblich 60 Prozent der Haushalte zumindest zeitweise Lieferdienste für Lebensmittel nutzen, dann muss man da reagieren. Wir haben bei den Automaten zwar um einen Standort reduziert, weil auch das Befüllen eine Personalfrage ist, der zweite in Andritz ist gut erreichbar, wenn etwas sein sollte, und auch gut frequentiert. Dafür hat unser Frischwaren-Partner in seinen 15 Automaten großzügig Produkte von uns aufgenommen. Bei Lieferando gibt es ein Problem, das ich persönlich auch in Restaurants nicht schätze, die den Dienst nutzen: Der Radkurier hat – wenn auch mit einer gewissen Berechtigung – immer Priorität. Dafür hat der Kunde aber wenig Verständnis, dass alles steht im Geschäft, wenn sich der mit seinem Rucksack durchzwängt. Daher machen wir das nicht mehr. Zumal auch der Paketversand mit unseren Gerichten in Gläsern gut funktioniert. Wir sehen allerdings auch, dass wir neue Kunden im Geschäft haben, weil einige den Preis-Bogen überspannt haben – das betrifft hauptsächlich den Feinkostbereich. Die kommen heute zu uns. Was den Webshop dahinter betrifft, haben wir auch einiges dazugelernt. Etwa, wie wichtig es ist, das richtige Bild zu wählen. Wenn der Kunde nämlich drei Spieße auf dem Foto sieht, liest er nicht mehr weiter, dass er um 3,50 Euro nur einen davon bestellt hat. Da denkt dann auch keiner mehr logisch, dass sich das wohl preislich nicht auf drei Spieße beziehen kann. Das sind aber die Lernerfahrungen, die uns laufend besser machen.
Fleisch & Co: Sie haben ja mit Grillkursen vorgezeigt, wie man die Kochinteressierten auch abholt.
Josef Mosshammer: Bei uns war das ja so, dass wir früher einen großen Catering-Bereich hatten: Zwei Drittel des Umsatzes kamen aus dem Catering, ein Drittel aus der Fleischerei. Das haben wir dann auf 100 Prozent Fleischerei umgestellt. Da waren dann die Grillkurse ein wichtiges Begleitinstrument. Man muss den Leuten, die kochen wollen, zur Seite stehen. Da geht es weniger darum, den Kunden zum Beispiel auch Mehl in der Fleischerei zu verkaufen – die wissen teils ja nicht, wie sie damit eine Palatschinke zubereiten sollen. Und landen dann erst beim Supermarktteig, der halt Massen Backpulver enthält. Ich sehe da ein wenig ein Zwei-Klassen-Kochen: Einerseits muss es schnell gehen, da greifen immer mehr zu Convenience-Produkten, und zum anderen wird Kochen am Wochenende – Stichwort: Sonntagsbraten – mit Familie und Freunden zelebriert.
Fleisch & Co: Das heißt aber, dass die Beratungsleistung im Geschäft eigentlich immer wichtiger wird?
Josef Mosshammer: Dieses Know-how weiterzugeben ist aber auch eine Personalfrage, das schaffe ich im laufenden Betrieb nicht immer. Insofern ist die gute alte Rezeptkarte, wie es sie bei den Bonus-Fleischern immer gab, vielleicht keine schlechte Lösung. Weil gerade Halloween war, dazu nur ein Beispiel: Das können etwa auch nur ein, zwei Tipps sein, wie man ein Chili con Carne für die Familie kocht. Und ich erkläre als Fleischer, wie ich das „gruseliger“ anrichten kann. Ist doch super! Welches Werbemedium dafür das richtige ist, muss man sich sicher anschauen. Erreiche ich mehr mit – teuren – Influencern im Internet mit deren Reichweite oder doch mit klassischer Werbung auf Plakaten und in Zeitungen.
Fleisch & Co: Die Zukunft gehört also eher dem gepflegten Web-Shop mit Versand?
Josef Mosshammer: In manchen Regionen, wo wir eine alternde Bevölkerung haben, etwa die Region um Eisenerz oder Murau, ist das sicher so. Die Leute sind nicht mehr so mobil, und das „Gai-Fahren“ zahlt sich da wenig aus. Das Paket mit garantierter Zustellung am nächsten Tag ist da eine Lösung. Da können die Kunden zum Beispiel ein Glas vom Beuschel bestellen und ordern den Schweinsbraten für das Wochenende, wenn das Enkerl zu Besuch kommt, gleich mit. Was ich nicht ganz verstehe, ist, dass wir sogar Pakete haben, die innerhalb von Graz verschickt werden. Das könnten die Kunden genauso im Geschäft abholen, das Paket ist ja eh fertig für sie. Aber in der „Generation Amazon“, wie ich es nennen, sind die Leute das wohl so gewohnt, dass alles auf einen Klick hin geliefert wird. Dass die Welt im Umbruch ist und auch Europa vieles verschlafen hat, sehen wir ja auf der globalen Ebene. Und vielleicht kommt dann in ein paar Jahren auch wieder eine Renaissance der Selbstversorgung und des Kochens. Aber wenn wir das genau wüssten, hätten wir wohl einen anderen Beruf. Dann wären wir Propheten, würden uns in eine weiße Toga hüllen und von Weissagungen leben.
Fleisch & Co: Bitte lieber Fleischer bleiben – und danke für das Gespräch!