Verführerisch duftet der faschierte Braten, das heutige Mittagsangebot, die Frische-Theke ist mustergültig bestückt und über die Gasse verkauft Josef „Sepp“ Mosshammer eine Leberkäse-Semmel. Man merkt schnell, dass man hier in einem Vorzeigebetrieb gelandet ist. Grillmagazine und das „Metzger-Bier“ vertiefen die Fleisches-Lust für die Kunden. Warum sich zwischen all den Köstlichkeiten im Grazer Uni-Viertel ganz selbstverständlich auch Gemüse befindet, erzählte Innungsmeister Mosshammer im Gespräch mit Fleisch & Co. Den Schwerpunkt des Interviews mit Roland Graf bilden aber die Überlegungen, wie man die schrumpfende Branche zukunftsfit machen kann.
Fleisch & Co: Zwischen den Rabatt-Aktionen des LEH und den Direktvermarkter wird die Luft für den gewerblichen Fleischer dünn. Wie sieht das aktuell in der Steiermark aus?
Josef Mosshammer: „Wir haben sehr unruhige Zeiten. Wenn ich mir die Preisentwicklungen anschau‘: Rind haben wir ja schon hochpreisig, Schwein zieht jetzt im Einkauf nach. Und ich glaube, dass wir da noch eini- ges erleben werden. Selbst im LEH mit der langen Planung im Voraus wird hier vieles überdacht werden müssen, damit sich das weiter ausgeht. Aber im Regelfall findet sich leider immer ein Schwachsinniger, der doch unter Preis anbietet.
Zur Direktvermarktung: Die war vor 20 Jahren schon ein Gegner, auf den sich die Innung eingeschossen hat. Aber ich habe damals schon gesagt, dass die wohl den längeren Atem haben. Mittlerweile sind das teils Betriebe in beachtlicher Größe und mit ordentlichen Produktionsmengen, die auch schon ins Gewerbe gehen wollen. Da kämpfen wir heute zum Teil mit den Behörden, die die nicht wechseln lassen wollen. Aber wenn da nur 10 % der Betriebe wechseln, hätten wir eine Verdopplung der Mitgliederzahl in der Innung! Nur, damit man da einmal die Verhältnisse sieht. Denn ich fürchte, bei unseren 150 Mitgliedern ist die Talsohle vermutlich noch nicht ereicht. Große Sorgen macht etwa die Mur-Mürz-Furche. Da füllt die Direktvermarktung die Lücke, die wir hinterlassen haben. Und jetzt war ja gerade Ostern, das Weihnachtsfest der Direktvermarkter. In puncto Marketing und Weiterbildung passiert da bei der Landwirtschaftskammer einiges, da kann man ruhig über den Tellerrand schauen. Wobei man sagen muss, dass die Lebensmittelakademie mittlerweile auf dem richtigen Weg ist. Vor allem aber müssen wir uns als Gewerbe so interessant machen, dass die einen Benefit darin sehen, zu wechseln. Der Umbruch ist da sicher noch nicht abgeschlossen. Zumal wir ja sechs Tage die Woche im Geschäft stehen und warten, dass die Kundschaft kommt. Während dort, wo der einmal in der Woche auf den Bauernmarkt fährt, die Kunden schon sehnsüchtig warten. Wir warten. Und der empfängt.“
Fleisch & Co: Wobei das absurderweise ja teils die gleichen Tiere – eine Hälfte an den Fleischer, eine an die direkte Vermarktung – sind?
Josef Mosshammer: „Das Problem liegt sicher nicht am Produkt. Aber daran, dass wir mittlerweile so wenige sind, dass uns viele Konsumenten gar nicht mehr am Schirm haben. Von uns bis zum Kollegen Feiertag nach Weiz hinunter befindet sich keine einzige Fleischerei, aber gut 50 Direktvermarkter! Einzig dieser Hype des Grillens hat uns da ein bisserl gerettet, weil viele Kollegen die richtigen Cuts und das Know-how gehabt haben. Das Problem ist ja eher, dass uns die Kunden in der Grillsaison am Schirm haben, was danach teilweise wieder wegbricht.“
Fleisch & Co: Als Betrieb seid Ihr da ja extrem aktiv, was Grillkurse, Rezepte, aber auch das Sortiment hier in Graz angeht …
Josef Mosshammer: „Wo wir voriges Jahr eine völlige neue Zielgruppe erschlossen haben, ist mit dem veganen und vegetarischen Angebot. Die Titelzeile der ,Kronenzeitung‘ damals lautete: ,Mosshammer geht fremd‘. Der Hintergrund ist, dass es da zwar Angebote ohne Ende gibt; nur wenn es um was Frisches zum Grillen geht, wird’s dünn. Da haben wir acht bis neun Produkte gehabt. Das haben wir auch schon für heuer neu geplant. Das hilft vor allem gegen die ,Zucchini-Vergiftung‘. Denn begonnen hat alles mit einem jungen Mädchen in unserem Grillkurs, die Vegetarierin war. Der habe ich versprochen, dass sie sieben Gänge vom Grill bekommt und bei keinem einzigen Zucchini dabei sein wird. Denn in der Regel können die am Ende der Saison keine Zucchini mehr sehen. Diese Frischekompetenz haben wir – wir sind glaubwürdig, wenn wir Käferbohnen-Patty oder Yakitory-Spieße vom Gemüse anbieten. Und es passt zu meinem alten Spruch: ehrli- ches Essen für ehrliches Geld. Das haben wir auch im Lockdown gesehen, als es zu Weihnachten keine Gastro gab und daheim gekocht werden musste. Wir haben da mit Sous vide und Tipps einigen das Fest gerettet. Wenn wir nur auch das Geld für all die Beratung, Rezepte usw. bekommen hätten …“
Fleisch & Co: Bekannt wurden ja auch Deine Frischfleisch-Automaten. Wie hat sich das entwickelt?
Josef Mosshammer: „Der Erste kam vor fünf Jahren. Die Werbereichweite war schon vom Aufstellen weg unglaublich, die Leute haben sogar ihren Einkauf gepostet! Heute haben wir drei Standorte in Graz und jeder tickt ein bisschen anders. Einen teilen wir uns mit einem Direktvermarkter, der andere ist bei einem Gemüse- händler und der dritte vor dem Geschäft. In der Grillsaison, wenn die Sonne niedrig steht, wird das mit Frischfleisch natürlich schwierig –, wenn nur Gläser drin wären, gäbe es kein Problem. Für unsere Automaten haben wir etwa die Speed Ribs entwickelt, damit einer, der spontan grillen will, das schon alles vorbereitet bekommt. Wir haben aber auch ganzjährig T-Bone-Steaks drinnen. Ein Teil wird saisonal getauscht etwa gegen eine Osterjause für zwei. Oder wenn die Blutwurst-Saison startet, muss die drinnen sein oder Weiß- wurst im Oktober. Da gibt es aber auch neue Zielgruppen, die erst nach einiger Zeit am Automaten überhaupt hereingeschaut haben, wer der Mosshammer überhaupt ist.
Fleisch & Co: Was wird die nächste Innovation sein?
Josef Mosshammer: „Womit wir uns aber gerade im städtischen Bereich beschäftigen, sind neue Ver- triebswege etwa über Fahrradkuriere. Das müssen wir leider notgedrungen tun, weil die Straße bei uns umgebaut werden soll und im schlechtesten Fall, wenn die Gasse nicht mehr erreichbar ist, dann ist die Fleischerei in diesem Sinne obsolet. Daher denken wir über neue Vertriebswege nach. Allerdings haben die vor 11 Uhr meist keine Radfahrer. Und da wird es spannend, weil die Arbeitszeiten so ganz anders sind: Etwa, wenn wir um 18 Uhr schließen, die meisten aber abends zustellen.“
Fleisch & Co: Die neue Gruppe der jungen Innungsmitglieder – „Fleischer Next Generation“ – was hat es mit der auf sich?
Josef Mosshammer: „Die Idee war einfach, den wenigen Jungen nicht nur Perspektiven zu geben, sondern sie auch mit Ideen einzubeziehen. So zum Beispiel zum Thema zum Beispiel Handy-Fotografie. Und wir sind so weit auseinander, dass wir uns die Großzügigkeit leisten können, Ideen zu teilen. Umsetzen muss es eh jeder selber im Betrieb. Den Jungen brennen ja auch andere Themen unter den Fingern. Beispielsweise, wo bekommen wir in fünf oder zehn Jahren Mitarbeiter her? Fischen wir im LEH? Wohl kaum! Aber vielleicht bei den Direktvermarktern? Auch wenn die am Samstag ihr Schweinefleisch am Bauernmarkt verkaufen: Das sind Fachleute, warum soll der nicht vier Tage bei uns im Geschäft stehen? Da sind die Lehrlingswarte Dominik Pichler, Philipp Turza, Melanie Rinner, Edi Thaller und Peter Pierer dabei. Die sind jetzt alle zwischen 25 und 30 Jahren alt und sollen gestaltend eingreifen, weil so viel im Umbruch ist. Da geht es ja auch um den Nachwuchs und die Ausrichtung der Betriebe. Ich habe selbst drei Kinder, von denen eine erfolgreich Medizin studiert, der Mittlere ist begeisterter Mechatroniker und der Jüngste lernt in Wieselburg Lebensmitteltechnik. Wo ich mir z. B. schwertu’, ist der ganze Social-Media-Bereich. Da ist auch vieles so schnelllebig geworden. Grundsätzlich bin ich schon am Puls der Zeit – bei ,Inode‘ hatten wir seinerzeit Kundennummer 24! Aber jetzt brauche ich auch Unterstützung bei manchem. Etwa bei der Frage, brauche ich noch eine Homepage oder ist nicht ein App gescheiter? Für eine schnelle Essensbestellung ist eine Homepage allenfalls ,lieb‘, das Essen will ein Junger aber vom Handy weg in der Hand haben.“
Fleisch & Co: Weil gerade die Grill-Saison beginnt: Womit kann man die Fans heute begeistern?
Josef Mosshammer: „Die Community ist da bereits gut gebildet. Sie haben viel Know-how, sei es durch YouTube oder auch, weil sie schon selbst viel probiert haben. Da kommen sie auch sehr zielgerichtet zu uns. Egal, ob es sich um die Fraktion ,low and slow‘ (Smoken und American Barbecue) handelt oder die Steak-Fans: Die sagen Dir schon ganz genau, was sie brauchen. Ob das Flank Steak, Teres Major oder T-Bone ist.“
Fleisch & Co: Gerade Teres Major hat ja davor kaum jemand gekannt, geschweige denn bestellt …
Josef Mosshammer: „Richtig. Und dann war er meist auch noch mit einem Makro-Objektiv aufgenommen und hat riesengroß gewirkt. De facto ist er aber nur so klein! Aber das sind Dinge, für die der informierte Konsument uns sucht, da nimmt er auch Anfahrtswege in Kauf. Da müssen wir als Fleischer das auch honorieren und bei der Beratung stark sein. Pastrami ist etwa nichts Italienisches, sondern kommt aus der jüdischen Küche – daher auch vom Brustkern, weil vorderes Rind eben koscher ist. Da können wir informieren. Weil die große Zeit des Experimentierens ist bei den Grillkunden vorbei, die haben alle ihren Weg gefunden. Tatsächlich geht es nun um die Ergänzung.“
Fleisch & Co: Wie kann das ausschauen in einem konkreten Angebot?
Josef Mosshammer: „Damit meine ich das schon angesprochene Thema Flexitarier oder den Fall, dass in einer Familie eine/-r kein Fleisch essen will. Oder es kommen Freunde zu Besuch, die beim Essen anders ticken. Da müssen wir mit Frischekompetenz punkten, weil die Fleisch-Ersatzprodukte wie ,Beyond Burger‘ bekommen die Kunden eh im Supermarkt auch. In diesem vegetarischen Angebot muss sich aber widerspiegeln, wofür wir Fleischer auch sonst stehen, nämlich die Frische. Damit machen wir neugierig – und haben definitiv einen Zusatzverkauf!“
Autor: Roland Graf