Die Realität hinter den Zahlen
Am 1. März 2024 veröffentlichte das BMK Daten, die eine besorgniserregende Diskrepanz zwischen gespendeten und entsorgten Lebensmitteln im Handel aufzeigen: Fast 4.900 Tonnen Lebensmittel wurden an soziale Einrichtungen gespendet, während etwa 16.200 Tonnen als Abfall endeten. Diese Zahlen, basierend auf Meldungen von 250 Unternehmen, erfordern eine differenzierte Betrachtung, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Kollaboration statt Konfrontation
Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Tafel Österreich, hebt hervor, dass der Fokus auf Zusammenarbeit und nicht auf Konfrontation liegen sollte. Sie warnt davor, die Spendebereitschaft des Handels durch Überinterpretation der Zahlen zu untergraben. Die Organisation befürchtet, dass der Handel unter Druck gesetzt werden könnte, die Quote durch die Weitergabe von nicht mehr genusstauglichen Produkten zu “verbessern”.
Die Veränderungen in den letzten Jahren
Über die letzten 10 Jahre hat sich die Menge an weitergegebenen Lebensmitteln aus dem Handel verdreifacht, auch der Abfallanteil wurde stark reduziert (vgl. ECR-Studie 2014).
Der internationale Vergleich (z. B. Frankreich, Tschechien) zeigt: Eine Verpflichtung des Handels zur Lebensmittelweitergabe an soziale Einrichtungen erhöht zwar die absolute Menge – führt aber zugleich dazu, dass der Müllanteil innerhalb der „Spenden“ massiv steigt.
Die Zahlen des BMK zeigen große Unterschiede beim Verhältnis von gespendeter zu weggeworfener Ware zwischen einzelnen Händlern, die aus der Praxis nicht erklärbar sind. Hier stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit bzw. Qualität der Daten. Gründe für den Warenspendenrückgang aus dem Handel sind u. a. vermehrter Eigen-Abverkauf und optimierter Einkauf bzw. KI-gesteuerte Warensysteme. Das führt dazu, dass die Untergrenze an Spenden teils bei 5 kg pro Tag liegt – Kleinstmengen, deren Abholung mit dem Auto für viele karitative Vereine auch ökologisch betrachtet wenig Sinn macht und die die vielen Menschen, die auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, nicht satt machen. Denn insgesamt sind mittlerweile mehr als 1,5 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet.
Die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes
Die Tafel Österreich plädiert für einen kollektiven Ansatz zur Lösung der Problematik, ähnlich dem “Gadda Law” in Italien, und betont die Wichtigkeit von steuerlichen Anreizen für Warenspender sowie die Verbesserung der Transparenz und Digitalisierung. Die Organisation weist darauf hin, dass viele der gespendeten Lebensmittel aufgrund ihrer Qualität nicht weitergegeben werden können, was die Komplexität des Problems verdeutlicht.
Digitale Lösungen und transparente Praktiken
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Einführung digitaler Tools, um die Effizienz der Lebensmittelverteilung zu steigern und den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Die Tafel Österreich setzt sich für eine transparente Dokumentation und ein Monitoring entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein, um die Lebensmittelverschwendung effektiv zu bekämpfen und gleichzeitig sicherzustellen, dass Spenden tatsächlich bedürftige Menschen erreichen.
Appell für verantwortungsvolles Handeln
Abschließend ruft die Tafel Österreich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den aktuellen Daten auf und betont die Notwendigkeit, die Qualität der weitergegebenen Lebensmittel zu berücksichtigen. Die Organisation fordert alle Beteiligten auf, ihre Praktiken zu hinterfragen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die nicht nur die Lebensmittelverschwendung reduzieren, sondern auch die Lebensmittelsicherheit und -qualität für armutsbetroffene Menschen verbessern.
Die Tafel Österreich positioniert sich als Vermittlerin in der Diskussion um Lebensmittelspenden und -abfälle und setzt sich für eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen in diesem Bereich ein.