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Landwirtschaft & Umwelt

Vom Feld in die Tonne?! Wiener Tafel fordert Verbesserung

Während der Bedarf an Unterstützung mit Lebensmitteln in Österreich weiter steigt, nehmen Warenspenden aus dem Handel signifikant ab. Kompensieren ließe sich dieser Rückgang durch die Rettung und Weitergabe großer Mengen direkt aus der Landwirtschaft. Doch dafür braucht es Unterstützung der öffentlichen Hand.

Die Wiener Tafel fordert die Bundesregierung auf, eine Win-win-Situation für den Agrarbereich und armutsgefährdete Menschen zu ermöglichen.

Grundnahrungsmittel unleistbar

Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Teuerung: Immer mehr Menschen in Österreich können sich selbst Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten und suchen Hilfe bei Tafeln und Sozialmärkten. Der Bedarf an Unterstützung mit Lebensmitteln ist im letzten Jahr allein bei den Tafeln um fast ein Drittel gestiegen – doch die Warenspenden haben nicht im gleichen Ausmaß zugelegt.

Vor allem Lebensmittelspenden aus (Groß-)Handel und Produktion nehmen deutlich ab. So konnte die Wiener Tafel noch 2021 rund 110 Tonnen (von insgesamt 746 Tonnen) an geretteten Lebensmitteln aus dem Handel an Sozialeinrichtungen weitergeben.

Im vergangenen Jahr konnte zwar die Gesamtmenge in einem kollektiven Kraftakt auf 900 Tonnen gesteigert werden (ein Plus von ca. 20 %, das die um über 30 % gestiegene Nachfrage nicht abdecken konnte). Aber: Nur rund 60 Tonnen davon stammten aus dem Handel – das entspricht im Jahresvergleich einem Rückgang von gut 45 Prozent.

Immer weniger Lebensmittelspenden aus dem Handel

Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Wiener Tafel meint dazu: „Fakt ist: Seit unserem Beginn im Jahr 1999 arbeiten wir als Partner der ersten Stunde gut mit dem Handel zusammen – immer auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen, die Win-win-Situationen zwischen Wirtschaft und Sozialbereich schaffen. Fakt ist aber auch, dass immer weniger Warenspenden aus dem Handel bei uns ankommen. Eine Lücke, die wir füllen müssen – denn angesichts der enormen Teuerung sind armutsbetroffene Menschen mehr denn je auf Lebensmittelspenden angewiesen. Es ist ein sozial-ethisches Gebot, gerade in Zeiten wie diesen zu schauen, dass überschüssige Lebensmittel dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Die Inflation ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, für das wir eine gemeinsame Lösung brauchen.“

Mehr Player sorgen nicht für mehr gerettete Lebensmittel

Ein Grund für den Abwärtstrend an Spenden aus dem Handel, den auch andere Tafeln und Sozialmärkte bestätigen, dürften App-Lösungen und Eigeninitiativen von Handelsketten sein, wie auch die jüngste Reportage des ORF-Formats Am Schauplatz (vom 19.01.2023) nahelegt.

„Grundsätzlich begrüßen wir jede Maßnahme, die zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und zur Bewusstseinsbildung beiträgt. Unsere Mission ist jedoch keine unterhaltsame Food-Challenge – als gemeinnützigem Verein geht es uns darum, Lebensmittel zu retten und gemeinsam Armut zu bekämpfen. Marketing-Aktionen wie ,Überraschungs-Sackerl’ im Handel erhöhen die Menge an geretteten Lebensmitteln jedoch nicht. Vielmehr enthalten sie Produkte, die zuvor an Tafeln und Sozialmärkte abgegeben wurden – und die Konsument:innen teils auch wegwerfen, weil sie die ,Überraschung’ gar nicht haben möchten“, so Gruber.

Politik gefordert: Landwirtschaftliches Potenzial zugänglich machen

Um die Kluft zwischen gestiegener Nachfrage und sinkendem Angebot an Warenspenden aus dem Handel zu kompensieren, will die Wiener Tafel auch verstärkt direkt mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Im Jahr 2022 konnten bereits rund 50 Tonnen Lebensmittel aus dem Agrarbereich akquiriert werden – das Potenzial dürfte aber weitaus größer sein.

Wie groß die Mengen an genießbaren Lebensmitteln, die in der Landwirtschaft verloren gehen, tatsächlich sind, dafür gibt es kaum belastbare Zahlen. Die Initiative Mutter Erde schätzt, dass es z. B. bei Obst und Gemüse je nach Produkt zwischen 10 und 50 Prozent der geernteten Gesamtmengen sind. Schwierigkeiten bei der Planung sowie Preis- und Normierungsdruck – Obst und Gemüse wird als „minder“ eingestuft, wenn es z. B. zu klein, zu groß, zu krumm ist – führen u. a. dazu, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse als Tierfutter oder Biogas enden bzw. gar nicht erst geerntet werden.

Christian Jochum von der Landwirtschaftskammer Österreich: „Wenn es gelingt, Obst und Gemüse, das keine Nachfrage findet, aber genießbar ist, zu machbaren Bedingungen in Vertriebskanäle zu bringen, die für armutsgefährdete Menschen geschaffen wurden, ist das positiv. Neben den organisatorischen Voraussetzungen braucht es daher auch finanzielle Mittel aus dem Sozialbudget, um die Kosten für Ernte, Sortierung, Lagerung, Abpackung und Transport abzudecken. Denn diese würden ansonsten ja nicht anfallen.“

Rettung von Obst und Gemüse

„Durch die Rettung von Obst und Gemüse aus der Landwirtschaft können wir eine Win-win-Situation schaffen: Die Bäuerinnen und Bauern müssen weniger Erzeugnisse entsorgen, mehr Menschen können mit frischen Lebensmitteln versorgt werden und wir kommen unseren Klimazielen einen Schritt näher. Die Wiener Tafel hat das Know-how und jahrzehntelange Erfahrung, um große Mengen aus der Landwirtschaft umzuverteilen. Doch um dies zu ermöglichen, braucht es dringend Unterstützung aus der Politik: Praktikable und einfache Modelle für Landwirt:innen bei der Lebensmittelweitergabe sowie Fördermittel sind dringend notwendig, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu schaffen“, betont Wiener Tafel-Geschäftsführerin Alexandra Gruber.

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