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Erfolg für das Lebensmittelgewerbe: EU-Kommission gewährt längere Frist für Raucharomen

Das geplante Verbot von acht Raucharomen durch die Europäische Kommission sorgte Anfang des Jahres für Aufregung in der gesamten Lebensmittelbranche. Dank intensiver Verhandlungen und des unermüdlichen Einsatzes der Leiterin des Koordinationsbüros Fleischwirtschaft und Geschäftsführerin der Bundesinnung der Lebensmittelgewerbe, Dipl.-Ing. Anka Lorencz, konnte eine Lösung gefunden werden. Betriebe und Hersteller in der Fleischwirtschaft erhalten nun eine Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2029.

Die hunderten Seiten des Dossiers und die dazugehörigen Akten liegen mittlerweile im Büro der Bundesinnung des Lebensmittelgewerbes in der „Erledigt“- Lade. Geschäftsführerin Dipl.-Ing. Anka Lorencz hat gemeinsam mit den Vertretern der EU-Mitgliedstaaten einmal mehr wie eine Löwin für ihre Betriebe gekämpft – und gewonnen. Der Hintergrund: Anfang des Jahres verkündete die Europäische Kommission, dass sie acht Raucharomen verbieten würde. Doch nach dutzenden Verhandlungsrunden und hunderten E-Mails ist es gelungen, eine tragbare Lösung zu finden, die den Betrieben und Herstellern in der Fleischwirtschaft eine ausreichende Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2029 gewährt. Wir haben bei Anka Lorencz über diese Verhandlungen nachgefragt:

Anka Lorencz hat es u.a. geschafft, dass Produkte, die bis zum 1. Juli 2029 bereits auf dem Markt sind und Raucharomen enthalten, bis zum Ende ihres Mindesthaltbarkeitsdatums weiterhin verkauft werden dürfen. © Beigstellt

Fleisch & Co: Es gab in letzter Zeit viel Aufregung um die geplanten Verbote von Raucharomen durch die Europäische Kommission. Können Sie uns den Unterschied zwischen klassischem
Räuchern und der Verwendung von Raucharomen erläutern?

Anka Lorencz: „Es geht um Raucharomen, also nicht um das klassische Räuchern, wie wir es hier kennen und wie es auch der Großteil unserer Branche in Österreich, einschließlich der großen Unternehmen, praktiziert. Der Unterschied: Im klassischen Verfahren wird ein Stück Holz erhitzt, damit es Rauch entwickelt – egal, ob warm oder kalt –, das Werkstück wird in diesen Rauch gelegt oder gehängt, um den typischen Räuchergeruch aufzunehmen. Das ist das klassische Räuchern, bei dem sich die Rauchkammer mit Rauch füllt, der durch den heißen Abrieb des Holzes – sei es Zirbe, Buche oder ein anderes Holz – entsteht. Diese Methode nennt sich Reiberauch. Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit: Statt mit klassischem Rauch zu arbeiten, kann man Raucharomen verwenden. Diese sind künstlich hergestellte Geschmacksstoffe, die dem Produkt den gleichen Geschmack wie klassischer Rauch verleihen sollen. Man kennt das vielleicht von Chips oder Grillsaucen, die diesen typischen Räuchergeschmack haben – dieser wird zum Beispiel mit Raucharomen erzeugt. Oder Käse: Wenn Käse einen bestimmten Räuchergeschmack hat, dann wird in vielen Fällen Raucharoma verwendet. Das ist eine weitverbreitete Methode, um den typischen Geschmack zu erzielen, ohne den eigentlichen Räucherprozess durchzuführen.“

Fleisch & Co: Diese Aromen wurden von der EU ja eigentlich empfohlen …

Anka Lorencz: „Raucharomen waren lange Zeit sehr im Trend, weil sie aus Rauch gewonnen werden, aus dem alle Stoffe entfernt wurden, die als gesundheitsschädlich gelten, wie Teer und andere Substanzen. Daher wurde eigentlich empfohlen, lieber mit Raucharomen zu arbeiten. In vielen europäischen Ländern, wie etwa Schweden, wird fast ausschließlich mit diesen gereinigten, künstlich hergestellten Raucharomen gearbeitet.“

Fleisch & Co: Wann hat das Problem mit den Raucharomen nun begonnen?

Anka Lorencz: „Das Problem begann letztes Jahr. Die Aromenhersteller erhalten ihre Zulassungen von der EFSA und der Europäischen Kommission immer nur für einen bestimmten Zeitraum, und dann erfolgt eine neue Evaluierung der jeweiligen Chemikalie bzw. des Stoffes. Diese neue Evaluierung fand im Jahr 2023 statt. Wir hatten acht verschiedene Raucharomen, die in der Europäischen Union zugelassen waren. Allerdings haben die EFSA und die Europäische Kommission aufgrund verbesserter Untersuchungsmethoden festgestellt, dass einige dieser Aromen eine zusätzliche Substanz enthalten, die möglicherweise genotoxisch ist – und zwar im rohen Raucharoma. Natürlich haben wir gegenüber der Kommission argumentiert, dass niemand diese Raucharomen in ihrer rohen Form konsumiert. Es handelt sich in der Regel um Flüssigaromen, die nur in ganz minimalen Dosen als Geschmacksgeber verwendet werden. Trotzdem blieb die Kommission bei ihrer strengen Haltung. Wir führten bereits damals mehrere Gespräche mit den zuständigen Mitarbeiter:innen in der Europäischen Kommission und verhandelten auch mit der EFSA. Letztendlich beschloss die Kommission dennoch, dass, sobald das erste Gutachten vorliegt, diese Raucharomen sofort verboten werden sollten.“

Fleisch & Co: Welche Auswirkungen hätte ein Verbot für die Branche gehabt?

Anka Lorencz: „Das hätte natürlich extreme wirtschaftliche Auswirkungen gehabt. Es hätte bedeutet, dass die Herstellung von traditionellen Produkten mit Rauchgeschmack von einem Tag auf den anderen verboten worden wäre. Wahnsinn! In Schweden etwa gibt es keine klassischen Räucherkammern mehr, wie wir sie hier kennen. Wir haben uns deshalb mehrfach mit der Kommission zusammengesetzt und nach Lösungen gesucht, um zu verhindern, dass alles im Juli 2024 endet. Auch die Aromenhersteller waren dabei und haben versucht, gemeinsam mit uns nach Lösungen zu suchen. Schließlich haben wir es geschafft, die Europäische Kommission zu einem für alle gangbaren Kompromiss zu bewegen.“

Fleisch & Co: Wie sehen diese Fristen aus?

Anka Lorencz: „Was wir erreicht haben, ist eine Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2029 – und zwar für Fleischzubereitungen und Fleischprodukte, Fisch- und Fischereierzeugnisse, einschließlich Krebstiere und Weichtiere, sowie für Kaviar. Darüber hinaus haben wir es geschafft, dass Produkte, die bis zum 1. Juli 2029 bereits auf dem Markt sind und Raucharomen enthalten, bis zum Ende ihres Mindesthaltbarkeitsdatums weiterhin verkauft werden dürfen. Das war ein wichtiger Punkt, um sicherzustellen, dass keine unnötigen Lebensmittel-Verluste entstehen und die Betriebe ausreichend Zeit haben, sich auf die neuen Regelungen einzustellen. Für alle anderen Lebensmittelkategorien gilt der 1. Juli 2026.“ Die Fristen wurden von der Europäischen Kommission am 1. August 2024 in einer Durchführungsverordnung veröffentlicht.“

Fleisch & Co: Also alle acht Aromen bleiben die nächsten vier Jahre am Markt?

Anka Lorencz: „Es sind mittlerweile nur noch sechs Aromen. Ein Hersteller hat nämlich die Verlängerung für eines seiner Aromen nicht mehr eingereicht, und bei einem anderen Aroma ist das Verfahren bei der EFSA noch immer nicht abgeschlossen.“

Fleisch & Co: Gilt diese Frist für alle Branchen?

Anka Lorencz: „Weniger glücklich sind die Snackhersteller, denn sie haben keine so lange Übergangsfrist bekommen wie die Fleischbranche. Das bedeutet, dass sie schneller Lösungen finden müssen, was für viele eine Herausforderung darstellt. Aber mit Verlaub, ich habe mich in den Verhandlungen natürlich auf unsere Betriebe konzentriert.“

Fleisch & Co: Können die Hersteller auch neue Raucharomen einreichen?

Anka Lorencz: „Für den Fleischbereich haben die Raucharomenhersteller nun vier Jahre Zeit, diesen Übergang zu gestalten – im Grunde sogar viereinhalb Jahre, aufgrund eines Formalfehlers der Kommission. In dieser Zeit müssen sie neue Aromen entwickeln, die diese bedenklichen Inhaltsstoffe nicht mehr enthalten und durch das Zulassungsprozedere der EFSA bringen. Die EFSA hat ihrerseits zugesagt, dass sie, sobald ein Antrag für ein solches neues Aroma vorliegt, das Prüfverfahren beschleunigen wird, um es (falls es passt) möglichst schnell zuzulassen. Denn normalerweise dauert ein EFSA-Zulassungsverfahren etwa drei Jahre, und ohne eine Beschleunigung würde sich das zeitlich trotz Übergangsfrist nicht ausgehen.“

Fleisch & Co: Das war eine gelungene Zusammenarbeit auf ganzer Linie …

Anka Lorencz: „Es war eine echte Teamarbeit – alle EU-Verbände und unsere nationalen Behörden haben Hand in Hand gearbeitet und standen im ständigen Austausch. Wir haben wirklich alle versucht, eine tragfähige Lösung zu finden. Aber ich muss sagen, ich bin besonders froh über die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit unserem Gesundheitsministerium. Sie haben klar gesagt: ‚Wir brauchen eine Lösung. Es kann nicht einfach alles von heute auf morgen verboten werden, ohne eine Alternative anzubieten.‘ Ehrlich gesagt: Ohne deren Unterstützung wären wir als Verband natürlich aufgeschmissen gewesen. Da kann man noch so gut argumentieren, ohne die Rückendeckung deiner eigenen Behörden kommt man nicht weit. Und da muss ich wirklich ein großes Dankeschön an das Ministerium und an die AGES aussprechen, die uns in dieser Angelegenheit großartig unterstützt haben. Auch auf europäischer Ebene war die Zusammenarbeit sensationell. Die Kommission hat schon gemerkt, dass von den Mitgliedstaaten ordentlich Gegenwind kommt. Die schwedische Lebensmittelaufsichtsbehörde hat beispielsweise einen ziemlich deutlichen Brief geschrieben, in dem sie die fehlenden Untersuchungen zu den Auswirkungen der Raucharomen kritisiert hat. Ich habe klargestellt, dass, nur weil etwas potenziell gefährlich sein könnte, die Risikobewertung trotzdem darauf achten muss, ob nach menschlichem Ermessen überhaupt ein gesundheitlicher Schaden entstehen kann oder ob es sich nur um ein rein theoretisches Risiko handelt.“

Fleisch & Co: Nun sind die Raucharomahersteller gefragt …

Anka Lorencz: „Es gibt einen Verband der Aromenhersteller und natürlich auch große Aromenfirmen, die sich auf diese ganze Thematik gut vorbereitet haben. Auch insofern war der Dialog übrigens wirklich gut. Niemand von der Aromenindustrie ist mit einer abwehrenden Haltung in die Gespräche gegangen. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass alle Seiten wirklich an einer guten Lösung interessiert waren. Das ist schön zu sehen. Der Staat und auch die Europäische Kommission haben die Verpflichtung, der Wirtschaft die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben. Angesichts der bekannten Fristen und Verfahren ist klar, dass das Zeit braucht. Man kann ein neues Raucharoma nicht einfach aus dem Ärmel schütteln – das erfordert Forschung und Entwicklungsarbeit. Stand heute ist, dass die Aromenindustrie zwei Wege verfolgt: Erstens wird dort, wo es in Gewürzmischungen möglich ist, auf geräucherte Zutaten zurückgegriffen, zum Beispiel auf geräucherten Paprika oder geräucherten Knoblauch. Anstelle von Raucharomen wird dann das Grundgewürz, in diesem Fall der Paprika oder der Knoblauch, in geräucherter Form eingesetzt, um geschmacklich möglichst nah am Original zu bleiben. Parallel dazu befindet sich auch ein neues Raucharoma in Entwicklung, das in den nächsten Monaten zur Zulassung bei der EFSA eingereicht werden soll. Ich bin zuversichtlich dass wir es schaffen, in der gegebenen Zeit eine Alternative zu haben.”

Autorin: Tanja Braune

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