Der Geschmack der Zukunft: Alternative Proteinquellen
Pflanzenbasierte Lebensmittel und alternative Proteinquellen werden in einer nachhaltigen Ernährungszukunft eine wichtige Rolle spielen. Wer jetzt nicht auf den fahrenden Zug aufspringt, wird abgehängt. Davon zeigten sich die Teilnehmer des diesjährigen Lebensmitteltags Sensorik der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) überzeugt. Gemeinsam warfen sie einen Blick in die Versuchsküchen von Start-ups, etablierten Unternehmen und der Gewürz- bzw. Aromenindustrie. Dort werden aktuell vielfältige Anstrengungen unternommen, den sensorischen Herausforderungen beim Einsatz alternativer Proteinquellen zu begegnen. Auch die Wissenschaft informierte über neueste Erkenntnisse. Innovative Produktkonzepte, technologische Lösungen und erfolgreiche Geschmacksprofile wurden präsentiert und diskutiert.
Es werden immer weniger Produkte tierischer Herkunft gekauft
Immer mehr Verbraucher verzichten aus unterschiedlichsten Gründen bewusst auf Produkte tierischer Herkunft bzw. auf solche mit tierischen Komponenten. Kreative Start-ups nehmen die Gesundheit des planetaren Gesamtsystems in den Blick. Sie forcieren die Entwicklung innovativer Rezepturen und Produktkonzepte auf Basis alternativer Proteine und treiben damit die Transformation unseres Ernährungssystems stetig voran. Etablierte Hersteller diversifizieren ihre Sortimente, weil auch sie erkannt haben, dass die Zukunft Alternativen zu tierischen Proteinen braucht. Aktuell werden diese als Alternativ-, Ersatz- oder Hybridprodukte angeboten.
Praktische Herausforderungen für den Ernährungsumstieg
Was die praktischen Herausforderungen dabei sind, veranschaulichte Kathrin Heim, FH Wiener Neustadt, in ihrem Einstiegsvortrag. „Damit Verbraucher Substitute aus pflanzlichem Eiweiß auch kaufen, dürfen sich diese hinsichtlich Geschmack, Textur und Genuss nicht oder nur unwesentlich von traditionellen tierischen Proteinen unterscheiden“, machte Prof. Dr. Ingrid Seuß-Baum, Hochschule Fulda, im Interview deutlich. „Viele der bislang verfügbaren Produkte erfüllen diese Anforderungen aktuell aber noch nicht“, ergänzte sie unter Hinweis auf die Testergebnisse der ersten DLG-Qualitätsprüfung für Plant-Based Food.
Rezepturverbesserungen in Sicht
Doch in den Versuchsküchen von Start-ups und konventionellen Unternehmen wird intensiv an Rezepturverbesserungen gearbeitet. Die Produktentwicklung findet meist in-house statt, die Rezepturen werden dann mit Lohnproduzenten an die Großproduktion angepasst. Dabei wird schon früh bzgl. Geschmack und Textur der intensive Dialog mit Verbrauchern gesucht. Auch nach der Markteinführung wird dieser über Online-Tools gehalten. So lassen sich vorhandene Produkte kontinuierlich verbessern und das Angebot an den Markt anpassen, erläuterte die Co-Founderin des Wiener Start-ups Rebel Meat, Cornelia Habacher. Dass neuartige Lebensmittel auch heute schon geschmacklich überzeugen können, davon konnten sich die Teilnehmer der digitalen Konferenz selbst im Rahmen einer Online-Verkostung von Lupinello-Produkten des Biolandhofs von Linda Kelly aus Herdwangen überzeugen. Prof. Dr. Andrea Maier-Nöth, Hochschule Albstadt-Sigmaringen, stellte das große (geschmackliche) Potenzial ressourceneffizienter heimischer Rohstoffe und Proteinquellen vor, zu denen auch die Lupine zählt, deren Bohnen mittlerweile als „vielfältiges Superfood“ gelten.
Fleisch aus dem 3D-Drucker
Im Fleischalternativenbereich haben sich in den letzten Jahren vor allem Proteinisolate als Ausgangsmaterialien bewährt. Über Extrusionsverfahren werden sie meist zu Produkten geformt, die in der Textur fleischähnlich sind. Insbesondere Produkte, die Hackfleisch imitieren sollen, können damit hergestellt werden. Um eine typische Struktur von rohem Fleisch oder Fisch zu kreieren, bietet der 3D-Druck interessante Lösungsansätze, die Robin Simsa, CEO von Revo Foods, vorstellte. Das Erfolgsgeheimnis seiner Fisch-Alternativen liegt in der Tinte, die aus rein pflanzlichen Stoffen besteht. Kennzeichnend für die Textur von tierischen Produkten ist ihre Marmorierung, also der Wechsel von Muskel- und Bindegewebsfasern mit Fetteinlagen. Diese Schichten erreicht man optimal mit dem 3D-Druck, der aktuell noch sehr stark manuell gesteuert wird. Allerdings, so Simsa, gibt es Pläne für 3D-Druck-Produktlinien.
Altes Verfahren neu entdeckt: Fermentation
Die Fermentation bietet die Möglichkeit, den Umamigeschmack aus Getreide und Gemüse zu verstärken und so auch die regionale Rohstoffvielfalt als Ausgangsmaterialien für Alternativ- und Ersatzprodukte zu verwenden. Darüber hinaus bietet die Verwertung von wertvollen und vor allem proteinhaltigen Rohstoffen aus den Nebenströmen der Lebensmittelproduktion, wie etwa Okara (das bei der Sojaverarbeitung anfällt) oder Presskuchen aus der Ölpressung, Ausgangsmaterial für eine nachhaltige Weiterverarbeitung zu neuen Lebensmitteln und natürlichen Zutaten. Das gilt auch gerade für den Aromenbereich.
Leitsatzkonformität
Der Lebensmittelmarkt ist im Umbruch, doch noch fehlen hierzulande die politischen Rahmenbedingungen und Strukturen, um der schnellen Marktentwicklung gerecht zu werden. Dies stellte auch Dr. Gesine Schulze, vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen, fest. Ihren Worten zufolge gibt es Bestrebungen, die Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel zu aktualisieren mit dem Ziel, sie klarer und nachvollziehbarer zu formulieren, insbesondere im Hinblick auf die geforderte sensorische Ähnlichkeit. Um die Anwendung der Leitsätze zu erleichtern und die sensorische Prüfung auf Leitsatzkonformität zu standardisieren, wurde deshalb ein „Leitfaden für sensorische Prüfungen von veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ unter dem Dach des Lebensmittelverbandes unter Mitarbeit der Überwachung und der Wirtschaft entwickelt. Dieser berücksichtigt die meisten marktrelevanten Produktkategorien und beschreibt laut Dr. Schulze die sensorischen Eigenschaften, die zu erfüllen sind, wenn eine Bezeichnung in Anlehnung an ein tierisches Lebensmittel gewählt wird. Die Aufmachung und Bezeichnung des Lebensmittels müssen so beschaffen sein, dass keine falschen Erwartungen geweckt werden, die das vegan/vegetarische Produkt nicht erfüllt. Anderseits sollen und müssen aber technologischer Fortschritt und Innovation weiterhin möglich sein.
Der Geschmack der Ersatzprodukte bleibt eine Herausforderung
Stefan Uhlmann, Döhler Group aus Darmstadt, berichtete aus der Praxis über multisensorische Herausforderungen bei der Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte und applikationsspezifische Lösungen. Es werde auf unterschiedliche technologische Bausteine gesetzt. Für jede Rezeptur und jedes gewünschte sensorische Profil gebe es spezifische Anwendungen, deren Technologien Natürlichkeit und Clean Labelling fokussierten. Neben Spezialprodukten, wie Aqua Faba, werden seinen Worten zufolge auch hydrolisierte Extrakte mit hohem Proteingehalt sowie Protein-Konzentrate aus Erbsen, Kichererbsen oder Bohnen eingesetzt. Letztere weisen eine große Wasserbindungskraft und einen minimierten Eigengeschmack bzw. keine Bitterkeit auf, so dass keine Maskierung von Fehlaromen erforderlich wird. Natürliche Stärken dienen als Stabilisatoren.
Aromen oder Zusatzstoffe sind unverzichtbar
In der Gewürzbranche gibt es nach den Worten von Tom Gäbler, Lay Gewürze, Grabfeld, derzeit einen Fokus auf Würzungen von Ersatzproteinen, wie z.B. Erbsenprotein, Sojaprotein und Lupinenprotein, die als Substitut für tierische Proteine verwendet werden. Kombiprodukte aus würzenden und funktionalen Rohstoffen in Form von Compounds liegen aktuell im Fokus. Die Gewürzbranche unternehme vielfältige Anstrengungen, den Einsatz von alternativen Proteinen zu fördern. Dennoch gebe es zahlreiche Herausforderungen bei der Verwendung dieser Proteine in der Produktion. Die erfolgreiche Umsetzung von Clean Labelling ist laut Gäbler abhängig von zwei Zielgruppen: Veganer und Vegetarier, die gezielt nach Alternativen suchen und an den Geschmack der pflanzlichen Proteine gewöhnt sind. Hier können mit Gewürzen und Extrakten sehr gute Ergebnisse erzielt werden, die die Verbraucher akzeptieren. Flexitarier hingegen suchen laut Gäbler nach Ersatzprodukten, die auch im Geschmacksprofil identisch zu den bekannten Fleischprodukten sein sollen. Hier kommen oft natürliche Aromen oder Zusatzstoffe zum Einsatz, um den Wunsch der Verbraucher zu erfüllen und um u.a. den typischen Fleisch-Geschmack zu erreichen.
Kosten und Verfügbarkeit alternativer Proteine
Auch die Kosten und die Verfügbarkeit von alternativen Proteinen bleiben eine Herausforderung. Denn die Herstellung und Verarbeitung alternativer Proteine ist im Vergleich zu tierischen Proteinen immer noch teurer. Allerdings steigt die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen und es gibt immer mehr Unternehmen, die sich auf die Entwicklung und Produktion von alternativen Proteinen spezialisieren. Dies führt mittelfristig zu einer zunehmenden Verfügbarkeit und einer Senkung der Kosten für Alternativproteine. Es wird erwartet, dass in Zukunft der Einsatz von alternativen Proteinen in der Gewürzbranche weiter zunehmen wird, da die Verbraucher aktiv nach nachhaltigen und pflanzlichen Alternativen sowie nach neuen Geschmacksprofilen und mehr Abwechslung im Speiseplan suchen.
DLG-Sensorik Award 2023
Im Rahmen des DLG-Lebensmitteltags Sensorik wurde der „Internationale DLG-Sensorik Award 2023“ an Lena Elliger, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vergeben. Sie wurde für ihre Masterarbeit „Einfluss der Basidiomyceten-Fermentation auf die Schaumeigenschaften und das Aromaprofil von Kichererbsenaquafaba für den Einsatz in Mousse au Chocolat“ ausgezeichnet.