
Ein Jubiläum mit Strahlkraft
In Langenzersdorf feierte die Fleischerei Dormayer ihr 75-jähriges Bestehen – ein Meilenstein für einen Betrieb, der längst weit über die Region hinaus bekannt ist. Seit 1950 ist das Geschäft in Familienhand, heute geführt von Markus Dormayer in dritter Generation. Mit seinem Team setzt er auf Regionalität, handwerkliche Qualität und zugleich auf Innovation.
Dabei schlägt das Haus in der Wienerstraße 1 eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft: Schweine aus dem Bezirk Korneuburg, Rinder und Kälber aus dem Waldviertel, kurze Transportwege und eine vielfach prämierte Produktpalette – allen voran die Blutwurst, die im Jahr 2000 sogar den Titel „Blutwurst-Weltmeister“ errang.
„Wir sind mit der Region verwurzelt. Kurze Wege, ehrliches Handwerk und Vertrauen in die bäuerlichen Partner sind das Fundament unseres Erfolges“, betont Markus Dormayer.
Die Kunst, Tradition neu zu erfinden
Doch die Fleischerei Dormayer blickt nicht nur zurück. Bereits seit mehr als zehn Jahren gehören vegane Spezialitäten zum Sortiment – darunter eine in Österreich einzigartige Innovation: vegane Blutwurst. Auch der vegane Leberkäse hat sich zum Bestseller entwickelt.
Damit zeigt sich, dass Fleischerhandwerk und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen. „Wir wollen nicht entweder Fleisch oder vegan – wir wollen zeigen, dass Handwerk Vielfalt kann“, sagt Dormayer.
Franz Dormayer: Die Legende vom Grundbuch
Die Jubiläumsfeierlichkeiten waren auch Anlass, auf die tiefe historische Verwurzelung des Hauses zurückzublicken. Franz Dormayer, Vater des heutigen Fleischermeisters, hat über Jahre hinweg Grundbücher studiert – und dabei spannende Entdeckungen gemacht.
„Im Grundbuch ist schon 1749 der Eintrag zu finden: Eine Hofstat Behausung samt der darauf radizierten Fleischhauerei gewerbeberechtigt. Das bedeutete: Wer das Haus besaß, musste das Fleischergewerbe auch ausüben. Andernfalls musste ein Meister eingesetzt werden. So wurde über Jahrhunderte hinweg das Handwerkswissen gesichert und weitergegeben“, erzählt Dormayer.
Die Besitzchronik reicht bis ins Jahr 1638 zurück. Namen wie Götzman, Goldthan oder Perger sind verzeichnet, später die Fleischhauerfamilie Eigl, ab dem 19. Jahrhundert die Familie Molzer. Erst 1950 wechselte der Betrieb in den Besitz von Franz und Marianne Dormayer – mit dem 1. April 1950 begann die offizielle Firmengeschichte der Fleischerei Dormayer.
Von Kühlhäusern, Selchkammern und Sparkassenbeamten
Die Nachkriegszeit stellte die Familie vor enorme Herausforderungen. Um den Kauf des Hauses zu finanzieren, musste ein Kredit bei der Zentralsparkasse aufgenommen werden. „Wochenlang standen Sparkassenbeamte im Geschäft, um die Umsätze mitzuschreiben. Sie wollten sicher sein, dass der Betrieb auch lebensfähig ist“, erinnert sich Franz Dormayer.
Gleichzeitig setzte die Familie auf Modernisierung. Ein Kühlhaus mit Kältemaschine wurde als erste große Investition errichtet – damals eine Seltenheit im Ort. Im Garten stand noch ein Eishaus, das mit Natureis aus den kalten Wintern gefüllt wurde. „Die Blöcke hielten bis in den Herbst. Das Fleisch wurde darauf gelegt und mit Leinentüchern abgedeckt. So sah Kühlung damals aus“, erzählt Dormayer.
In der alten Wurstküche wurde über offenem Feuer geräuchert. „Man musste in die Selch steigen, das Feuer zwischen den Füßen, und mit viel Gefühl die Würste umhängen, damit sie eine gleichmäßige Rauchfarbe erhielten. Es war eine Kunst – und es gab kein Thermometer, nur Erfahrung.“
Technik, Mut und Innovation
Mit den Jahren modernisierte die Familie den Betrieb Schritt für Schritt. Neue Maschinen, von der ersten elektrischen Waage bis zur Brühanlage oder Räucherkammer, erleichterten die Arbeit und hoben die Qualität. Auch wenn die Technik wichtiger wurde, blieb Handwerk das Fundament. „Wir hatten keine ganz moderne Ausstattung, aber wir hatten das Können. Das hat vieles ausgeglichen“, so Dormayer.
Auch österreichische Maschinenbauer leisteten dabei Pionierarbeit: Ein Kutter der Firma Laska setzte in den 1960er-Jahren neue Maßstäbe im Betrieb und brachte eine gleichbleibend hohe Qualität in der Wursterzeugung. „Das war für uns ein entscheidender Fortschritt – weniger Kraftaufwand, höhere Präzision und eine spürbare Arbeitserleichterung“, erinnert sich Franz Dormayer.
Auch wenn die Technik wichtiger wurde, blieb Handwerk das Fundament. „Wir hatten keine ganz moderne Ausstattung, aber wir hatten das Können. Das hat vieles ausgeglichen“, so Dormayer.
Von der „Spinner-Blunzen“ zur Weltmeisterin
International machte sich die Fleischerei durch Wettbewerbe einen Namen. Besonders die Blutwurst wurde zum Markenzeichen. „Anfangs hieß es: Dormayer, das ist der Spinner mit der Blunzen. Doch mit jeder Medaille stieg die Anerkennung. Heute ist die Blutwurst ein Produkt, das unsere Geschichte schreibt“, so Dormayer.
Die Blunzen wurde damit zum Symbol für Mut, Experimentierfreude und handwerkliche Exzellenz – und verschaffte der Familie Dormayer internationalen Ruf.
Generationenwechsel als Erfolgsmodell
1979 übernahm Franz Dormayer jun. den Betrieb von seinem Vater – mit gerade einmal 24 Jahren. Die erste Zeit war geprägt von Lehrlingsausbildung, Arbeitseifer und Investitionen. Früh setzte er auf Energieeffizienz, installierte eine Wärmerückgewinnungsanlage, modernisierte Selch- und Kühlanlagen und entwickelte neue Produkte.
2021 folgte die nächste Übergabe: Markus Dormayer gründete die Fleischerei Dormayer GmbH und führt den Betrieb seither. Unter ihm erhielten auch vegane Produkte ihren festen Platz – ein mutiger Schritt, der den Betrieb in die Gegenwart führt.
Ein Vorbild für die Branche
Die Geschichte der Fleischerei Dormayer ist mehr als ein Jubiläum. Sie ist ein Lehrstück dafür, wie Handwerk sich behaupten kann – mit Fleiß, Innovationsgeist und tiefer Verwurzelung in der Region.
-
Für Fleischereien ist Dormayer ein Beispiel, wie Tradition und Modernisierung Hand in Hand gehen.
-
Für Landwirte ist er ein verlässlicher Partner, der regionale Qualität schätzt.
-
Für Konsumenten ist er eine Adresse, wo man spürt, dass Handwerk mehr ist als bloße Produktion – es ist Kultur und Leidenschaft.
„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“, zitierte Franz Dormayer zu den Feierlichkeiten Wilhelm von Humboldt. 75 Jahre Dormayer sind dafür ein eindrucksvoller Beweis.