Kuttermesser
Am Wort!

DI Dr. Johann Schlederer: Mit dem Rüssel in Brüssel

Kommentar des Geschäftsführers vom Verband landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten und der Österreichischen Schweinebörse

EU-Kommission zeigt kein Interesse für regulatorische Maßnahmen

Dass sich der europäische Schweinemarkt in einer substanziellen Krise befindet war auch Thema beim Agrarministerrat Ende Oktober in Brüssel. Belgien stellte in Abstimmung mit den meisten EU-Ländern den Antrag, dass die Kommission mittels Öffnung der geförderten Privaten Lagerhaltung zur vorübergehenden Entspannung am krisengebeutelten Markt beitragen sollte. Dieser Wunsch der Mitgliedsstaaten wurde seitens des polnischen Agrarkommissars Wojciechowski klar abgelehnt. Kurz gesagt sieht er keine Verantwortung der Kommission für die Misere und es wäre das falsche Signal, welches zur Prolongierung der Überproduktion führen würde.

Neue Marktlenkungsmaßnahmen zwingend erforderlich

Nun kann man damit leben, dass die PLH nicht nur von der Kommission, sondern auch von weiten Kreisen in der Branche als kein Allheilmittel gesehen wird, was es auch definitiv nicht ist. Ja, es verschiebt den Warendruck um ca. ein halbes Jahr nach hinten und trägt nicht zur Entsorgung von Übermengen am Binnenmarkt bei. Aber es ist nun mal das einzige zur Wahl stehende Regularium. Und es ist schon so, dass die Wahrscheinlichkeit eines aufwärts tendierenden Marktes in einem halben Jahr definitiv gegeben ist. Darüber kann man diskutieren aber, dass der Kommissar in seiner Positionierung ausdrücklich die Selbstreinigungskraft des Marktes herausfordert ist jedenfalls dreist. Noch dazu verweist die Kommission auf die immer noch steigenden Produktionszahlen hin, die sich allerdings auf die Schlachtungen des 1. Halbjahres 2021 beziehen. Dass sich inzwischen die Preiskostenschere in eine katastrophale Richtung entwickelt hat berücksichtigt die Darstellung und Entscheidungsgrundlage des Kommissars nicht.

COPA Arbeitsgruppe Schwein fordert Neubewertung von potenziellen Interventionsmaßnahmen

In der COPA ARGE Schwein sind die Vertreter mit deutlicher Mehrheit der Meinung, dass es keinen Sinn mache, alle paar Jahre in eine Krise zu schlittern, dann bei der Kommission um eine ziemlich zahnlose Hilfe zu betteln, die dann ohnehin meist abgelehnt wird. Eigenartigerweise fordert die Kommission zweimal jährlich von den Marktexperten der Mitgliedsstaaten, welche zumeist auch die Ländervertreter in der COPA ARGE Schwein sind, einen Bericht zur Lage der Marktentwicklung, d. h. Produktionsmengen und Preisprognosen, abzugeben. Einhellige Meinung in der ARGE Schwein darüber lautet: „Wozu das Ganze, wenn die Kommission ohnehin nicht gewillt ist selbst in Krisenzeiten in irgendeiner Form mit Hilfestellung oder Lösungsansätzen beizustehen.“

Die EU-Produktion muss runter

Wie immer in kritischen Zeiten sind besonders stark betroffene Länder, wie aktuell Deutschland und Belgien, sehr gesprächsbereit was regulative Maßnahmen anlangt. Das Grundproblem ist, wie immer zu dieser Thematik, dass alle dafür sind, die Produktion zu reduzieren, aber wenn möglich nicht im eigenen Land. Persönlich denke ich, dass demzufolge der EU-Kommission eine maßgebliche Rolle zuteilwird. Leider werden die schwierigen Problemfelder immer an die Mitgliedsstaaten zurückdelegiert, was in unserem Fall bedeutet, dass die einzelnen Länder ihre Situation selber lösen sollten. Was bisher dabei rausgekommen ist ist bekannt, nämlich nichts oder sogar das Gegenteil. Beispiel: Holland hat eine Stilllegungsaktion finanziert, die der Öffentlichkeit mehrere 100 Millionen Euro gekostet hat, während andere Länder wie beispielsweise Spanien das Mehrfache der in Holland stillgelegten Produktionsmenge zugelegt hat. Aus meiner Sicht braucht es hier einen Schiedsrichter, der in Abwägung verschiedener Faktoren wie z. B. Selbstversorgungsgrad, Umweltwirkung, der Produktion in den einzelnen EU-Regionen etc. in ein Regelwerk einbezieht. Der Arbeitstitel dazu könnte lauten: Ökosoziales Schweinemodell Europa.

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