Spricht man von Ernährung im Zusammenhang mit dem Klimawandel, dauert es meist nicht lange, bis das Thema Fleischkonsum aufkommt. Denn neben dem Aspekt des Tierwohls ist auch immer häufiger
der Faktor Nachhaltigkeit ausschlaggebend für die Entscheidung, ob oder wie viel Fleisch Herr oder Frau Österreicher konsumiert. Bei der Herstellung von Fleisch entstehen nämlich – wie bei der Produktion jedes Lebensmittels – Treibhausgasemissionen. Da klingt es doch naheliegend, die Fleischproduktion in Österreich herunterzufahren, um die Klimabilanz des Landes aufzubessern, oder?
Ein ähnlicher Gedanke war vor nicht allzu langer Zeit in Irland im Gespräch: den Rinderbestand drastisch zu reduzieren, um den Treibhausgasausstoß des Landes einzudämmen.
Klima und Kühe: Verschobene Emissionen
Ganz so einfach ist es allerdings nicht. In der Klimabilanz eines Landes werden nämlich nur jene Emissionen berücksichtigt, die innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen entstehen. Hannes Royer, Obmann des Vereins Land schafft Leben, erklärt das mit einem Gedankenexperiment: „Würden wir unsere heimische Landwirtschaft komplett abschaffen, müssten wir als Konsequenz 100 Prozent unserer Lebensmittel importieren. Der Treibhausgasausstoß Österreichs sänke dann um zumindest elf Prozent, also um den Anteil der Landwirtschaft an der Klimabilanz Österreichs. Für das Weltklima entstünde aber großer Schaden, da wir künftig sämtliche Lebensmittel aus anderen Ländern importieren müssten.“ Produktion ist also nicht gleich Konsum.
Das bedeutet: keine Veränderung des Konsums innerhalb eines Landes, kein globaler Vorteil für das Klima. „Solange wir Produktion und Konsum vollkommen getrennt voneinander betrachten, verstecken wir Teile unserer Emissionen in Klimabilanzen anderer Staaten. So ehrlich müssen wir sein“, sagt Hannes Royer.
Konsum und Fleischverzehr: Produktionsgrundlage Grünland
Wie aber sieht nun ein nachhaltiger Lebensmittelkonsum aus? In Hinblick auf den Fleischverzehr lauten die Stichworte: maßvoll, regional und aus klimaeffizienten Produktionssystemen. Den Fleischkonsum auf null zu reduzieren und die österreichische Fleischproduktion völlig abzuschaffen, macht hingegen nicht nur aufgrund der oben genannten Gründe kaum Sinn, sondern auch wegen der hierzulande gegebenen naturräumlichen Voraussetzungen.
Für unsere Ernährung können wir Ackerfrüchte anbauen, Obst und Gemüse produzieren oder Tiere halten. Nicht jeder Ort beziehungsweise jede Fläche eignet sich dabei für die Produktion verschiedener Lebensmittel gleich gut. Man kann zum Beispiel in den Hochalpen keine Bananenplantagen anlegen, um ein plakatives Beispiel zu nennen. In Österreich besteht etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus Ackerland, die andere Hälfte aus Grünland, also Wiesen und Weiden. Nun essen wir Menschen zwar kein Gras, können dieses Grünland aber dennoch für uns verwertbar machen, und zwar über Wiederkäuer wie die Kuh. Diese fressen die Gräser und Kräuter ab und wandeln sie in Fleisch und Milch um. Würden wir unser Grünland umbrechen, um Flächen für Getreide oder Gemüse zu gewinnen, dann käme es zur Freisetzung großer CO2-Mengen. Denn Wiesen und Weiden speichern in ihren Böden sehr viel Kohlenstoff, oftmals sogar mehr als ein Waldboden. Ein solcher Umbruch zugunsten pflanzlicher Lebensmittel würde also wiederum einen Klimanachteil mit sich bringen.
Fleischproduktion: Klimaeffizienz in Österreich
Generell gilt: Greift man beim Einkaufen nach saisonalen österreichischen Produkten, ist diese Auswahl meist klimafreundlicher als das importierte Pendant – auch bei tierischen Produkten. Denn die tierhaltenden Betriebe in Österreich bauen einen Großteil ihres Futters selbst an oder beziehen ihn aus der näheren Umgebung.
Das ist einer der Gründe, warum Lebensmittel aus Österreich im Vergleich meist einen besseren CO2-Fußabdruck haben. Dieser ist hierzulande nämlich bei der Produktion von Rindfleisch, Milch und Eiern im EU-Vergleich am kleinsten. „Viele wissen gar nicht, dass die österreichische Landwirtschaft in vielerlei Hinsicht um einiges klimaeffizienter produziert als die meisten anderen EU-Länder, von Drittstaaten ganz zu schweigen“, meint Royer. Doch eine klimafreundliche Lebensmittelproduktion entspricht nicht immer in allen Parametern dem gesellschaftlichen Ideal.
Zum Beispiel, wenn es um Tierwohl geht: Die Mutterkuhhaltung etwa gilt dabei als Idealform in der Rindfleischerzeugung, da sie der natürlichen Lebensweise von Rindern am ehesten entspricht. Gleichzeitig hinterlässt das gewonnene Fleisch aber einen höheren CO2-Fußabdruck als Rindfleisch aus intensiveren, effizienteren Haltungsformen.
„Solche Zielkonflikte sollten in der Klima-Diskussion verstärkter berücksichtigt werden. Und macht man sich diese erst einmal bewusst, können wir damit beginnen uns Gedanken darüber zu machen, wie wir unseren eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. Auf unserer klimafreundlichen heimischen Landwirtschaft dürfen wir uns nämlich nicht ausruhen. Jeder von uns hat Hausaufgaben zu erledigen“, ruft der Bio-Bergbauer zum Umdenken auf.
Fake versus Fakten: Verwechslungsgefahr im Zahlen-Dschungel
Fehlinterpretationen gibt es auch bei den Zahlen, die rund um das Thema Lebensmittelproduktion und Klima kursieren. Zum Beispiel liest man bei einem Kilogramm Rindfleisch manchmal von 100 Kilogramm CO2-Äquivalenten, manchmal aber von 15 oder gar acht Kilogramm. Warum? Studie ist nicht gleich Studie: Solche Unterschiede entstehen vor allem durch verschiedene Betrachtungsgegenstände sowie unterschiedlich gesetzte Grenzen des Bewertungsrahmens. Auch beim angeblichen Wasser„verbrauch“ – korrekterweise wird Wasser nicht verbraucht, sondern genutzt – kommt es immer wieder zu Fehlinterpretationen.
Beim Rindfleisch ist im Zuge dessen oftmals von 15.000 Litern pro Kilogramm die Rede. „Das stimmt so nicht“, erklärt Hannes Royer. „Die Tatsache, dass mehr als 14.000 Liter davon Regenwasser sind, das völlig unabhängig von der Rindfleischproduktion vom Himmel fällt, bleibt dabei nämlich meist unerwähnt. Lediglich bei einem kleinen Teil handelt es sich um technisch gefördertes, potenziell knappes Wasser.“ Selbst, wenn Wasser in Österreich ein knappes Gut wäre, würde der Verzicht auf Rindfleisch in keiner Weise dabei helfen, Wasser zu sparen. In dieser Hinsicht wäre bei pflanzlicher Ernährung sogar das Gegenteil der Fall, denn hier wird in der Produktion deutlich mehr künstliche Bewässerung benötigt beziehungsweise werden etwa Obst und Gemüse häufig aus ohnehinschon niederschlagsärmeren Ländern importiert.
Man sieht also, dass man Zahlen stets hinterfragen sollte. Spricht man von globalen oder von länderspezifischen Durchschnittswerten? Geht es um die landwirtschaftliche Produktion oder um das gesamte Ernährungssystem? Welcher Zeitraum wird betrachtet?
Handelt es sich um reine Fleischrassen oder um Rinder, die sowohl für die Fleisch als auch für die Milchproduktion genutzt werden? Dadurch würde sich die Emissionsmenge nämlich nicht nur auf das Rindfleisch selbst beziehen, sondern auch auf die Milch, also insgesamt auf eine größere Produktmenge. Wird das benötigte Wasser technisch gefördert oder fällt es ohnehin als Regen vom Himmel, unabhängig davon, ob und was produziert wird? Auch bei anderen Klima-Zahlen kommt es stets auf den Blickwinkel an, die Liste an kritischen Fragen ist also noch deutlich länger.
Wir alle haben es in der Hand
Für ein nachhaltigeres Ernährungssystem brauche es nicht nur eine klimafreundliche, standortgerechte Produktion, sondern auch Bewusstsein und aktive Maßnahmen auf der Konsumentenseite.
Hannes Royer sieht großes Potenzial bei den Konsumentinnen und Konsumenten, die mit ihrem Griff ins Regal aktiv den Klimawandel beeinflussen können. „Außerdem ist es besonders wichtig, unseren massiven Überkonsum in den Griff zu bekommen und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Allein durch das Wegwerfen von Lebensmitteln entstehen global gesehen bis zu zehn Prozent der menschengemachten Treibhausgase. Eine Menge, die wir relativ einfach reduzieren können.“ Generell stehe bewussterer Konsum an oberster Stelle: „Wir müssen unseren Wunsch nach ständiger Verfügbarkeit sämtlicher Lebensmittel überdenken. Wenn wir zu jeder Zeit alles konsumieren, was uns in den Sinn kommt, kann wohl kaum etwas Gutes für das Klima dabei herausspringen. Das sollte man sich sowohl beim ganzjährig verfügbaren Obst und Gemüse in Erinnerung rufen als auch beim Fleischkauf. Ein maßvoller Fleischkonsum aus nachhaltigen Produktionssystemen tut sowohl der Umwelt als auch unserer Gesundheit gut.“
Weitere spannende Informationen gibt es auf www.landschafftleben.at.