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Kalbfleisch im Test:Triumph für Biomilch-Fütterung

Noch nie war eine Veranstaltung des „Koch.Campus“ so gut besucht. Doch die Fleischer, Rinderzüchter und Spitzenköche widmeten sich in Salzburg einen Tag lang einem Nationalheiligtum: dem Kalb – unverzichtbar fürs Wiener Schnitzel. Das gab es zwar nicht, dafür eine Verkostung mit klarem Erkenntnis-Gewinn.

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Autobus, der zum Mustergut der Brauerei Stiegl nach Wildshut ausrückte. An Bord ging es lebhaft wie auf einer Klassenfahrt zu, doch die Themen unter den Fleischproduzenten und -verarbeitern waren gänzlich andere als unter Pubertierenden: Aktuelle Kilopreise für Rindfleisch, Rezepttipps und Unterschiede in der Fressleistung der eigenen Kälber stimmten auf einen Tag ein, der minutiös vorbereitet worden war und allen Beteiligten lange in Erinnerung bleiben wird: Neun Kälber aus drei Ländern sollten blind verkostet werden, um den Einfluss der Fütterung auf die Fleischqualität mit den eigenen Sinnen zu erfassen. Sowohl für Züchter als auch für Verarbeiter war dieser direkte Vergleich Neuland –, das zeigte auch die hohe Beteiligung.

Andreas Döllerer, der Obmann des „Koch.Campus“
© Helge Kirchberger

Eingeladen zu diesem „Gipfeltreffen“ in Sachen Kalb hatte der „Koch.Campus“, eine Vereinigung von 35 Spitzen-Köchen und 30 landwirtschaftlichen Produzenten unter der Ägide von Hans Reisetbauer und Andreas Döllerer. In ihren Workshops und Verkostungen widmen sich die Mitglieder zusammen mit Partnern heimischen Grundprodukten und evaluieren deren Qualitätspotenzial. Speziell beim Kalb sah man Handlungsbedarf, so Rinderzüchter Hannes Hönegger, der gleich zu Beginn an die Gastronomie appellierte: „Sie muss Innereien und ,special cuts‘ anbieten und lernen, sie zuzubereiten“. Denn auch ein Schnitzel ließe sich nicht nur aus dem Kaiserteil schneiden, so der Salzburger.

Die optische Bewertung der 9 Kälber ging der sensorischen Begutachtung voraus. Hier nimmt Fleisch & Co-Autor Roland Graf gerade das reinrassige (!) Wagyu-Kalb unter die Lupe. © Jörg Lehmann

Neun Kälber, darunter auch Wagyu

Hönegger hatte selbst ein Kalb für die Verkostung zu Verfügung gestellt, das er unter der Bezeichnung „ökonomischer Wahnsinn“ vorstellte. Aus seinem Lungauer Betrieb kam nämlich ein sechs Monate altes reinrassiges (!) Wagyu-Kalb zur Verkostung. Hier wollte aber selbst der Züchter wissen, wie die teure japanische Edelrasse – bekannt für ihr langsames Wachstum – im Kalb-Stadium abschneiden würde. Doch ehe es an das Herzstück der Veranstaltung ging, den Vergleich holländischer, deutscher und heimischer Kalbszuschnitte, wurde einmal der aktuelle Markt analysiert. Der sieht – anders als das Kalbfleisch selbst – keineswegs „rosig“ aus.
Interessanterweise war es gleich das Grußwort der damaligen Landwirtschaftsministerin, das die Problematik klar aufzeigte: „Die Zahl bei den geschlachteten Kälbern hat sich in den letzten Jahren halbiert“, so Elisabeth Köstinger. Ins Detail ging dann Maria Fanninger von der Organisation „Land schafft Leben“, die minutiös den Weg der vier Kälber nachzeichnete, die jede Mutterkuh in Österreich im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt. „Österreich schlachtet rund 55.000 Kälber pro Jahr, exportiert aber 45.000 Tiere, vornehmlich nach Holland.“ Womit sich ein „Kalbsparadox“ ergibt, das aus dem an sich weit über die Selbstversorgung hinaus mit Fleisch versehenen Land einen Importeur macht. Rückimportiert werden allerdings zumeist nur die Edelteile. „Das entspricht in der Menge dem Fleisch von 105.000 Tieren“, so Maria Fanninger.

Eigenversorgung und doch Import

Gut ein Drittel des konsumierten Kalbs in Österreich dürfte aus niederländischer Provenienz stammen. „Dieser Import muss gestoppt werden“, fordert Bio-Fleischer Hönegger daher ein klares Bekenntnis zu heimi- scher Qualität. Diese einigermaßen perverse Situation zeigte sich auch anhand einer wichtigen Zutat der österreichischen Küche, die für Kalbsnierenbraten wie auch „Nierndln mit Hirn“ unverzichtbar ist: „Die Niere kostete in Holland 2,50 Euro“, rechnete Andreas Döllerer vor. Mehr noch: Sie musste für die Verkostung sogar extra angefordert werden, denn eigentlich wird sie in den Niederlanden kaum verlangt, während sie hierzulande selbstverständlich Teil des Schlachtkörpers sei. „Es geht leider nur um Kaiserteil und Karree, alles andere wird unter Wert verkauft“, so Döllerer, der in Golling neben seinem Toprestaurant auch eine Fleischerei (berühmt für die „Frischen“ alias Salzburger Weißwürste) betreibt.

„Passen die Zuschnitte, Herr Höllerschmid?“ Auch der Niederösterreicher Manfred Höllerschmid, auf dessen Fleisch viele Gastronomen schwören, gehörte der Fachjury in Sachen Kalb an.
© Jörg Lehmann

Ebenfalls Teil des „Crash-Kurses“ in Sachen Kalb war die Definition, die das Kalb vom Jungrind scheidet. Maximal acht Monate darf Kalb bei der Schlachtung sein, zwölf Wochen muss die Fütterung mit Muttermilch erfolgen. Tatsächlich ist aber in Österreich eher die Schlachtung mit vier Monaten üblich, während die in Holland gemästeten Tiere – von denen viele auch aus Deutschland stammen – erst mit sieben oder acht Monaten verarbeitet werden. Schließlich ist das Fleisch von jüngeren Tieren tendenziell zarter, wobei auch Kalbinnen im Vergleich zu Stierfleisch zarter und saftiger schmecken.

Blasses Kalbfleisch als schädlicher Mythos

Apropos schmecken: Den Mythos vom besonders schmackhaften hellen Kalbfleisch konnte auch unter den Experten niemand herleiten. Einig war man sich nur, dass die französische Farbskala, die „blasses“ Kalb favorisiert, geradezu eine Verkehrung der Qualitätsverhältnisse darstellt. „Das ist ein Kennzeichen für Blutarmut, also auch zu wenig Bewegung“, fasste es Hannes Hönegger zusammen. Dazu käme, dass sich die Bewegungsintensität auch auf die Qualität auswirkt: Je mehr sich die Tiere bewegen, desto weniger elastisch ist das Fleisch. Für die Experten erstaunlich war auch das deutlich abweichende Schlachtgewicht, das um mehr als 100 % (60 zu 146 Kilogramm) divergierte.

Am unteren Ende der Skala stand das konventionell gefütterte Pinzgauer-Kalb, das mit Milchaustauscher und Heu aufgezogen wurde, sofort nachdem die Milch nach zwölf Wochen abgesetzt worden war. Diesem „Kümmerling“ stand mit dem 146 Kilo schweren Mastkalb aus dem Schlachtbetrieb Fuiteveal ein Niederländer Riese gegenüber, über dessen Rasse allerdings nichts zu erfahren war. Dass auch Bio-Futter zu gutem Gewichtsauf bau führt, bewiesen der Weissblaue Belgier (102 Kilo) aus dem Lungau ebenso wie das Bio-Pinzgauer-Kalb (104 Kilo) von Wildshut und vor allem das Tiroler Grauvieh (122 Kilo nach vier Monaten!) aus Radenthein.

Das Schlachtgewicht variierte beträchtlich

Doch die Quantität interessierte ja nur am Rande, am Prüfstand stand vor allem die Güte des mit den unterschiedlichen Fütterungen, Schlachtaltern und Rassen erzielten Kalbfleischs. Eben diesen Faktor überprüften unabhängig von einander 14 Rindfleischexperten wie die Kärntner Erzeugergemeinschaft „Kalb Rosé“ oder der Niederösterreicher Fleischer Manfred HöllerschmidHöllerschmid. Schlögel, Schulter und Niere wurden optisch und mittels Druckproben unter die Lupe genommen, ehe es an die Verkostung ging.

Diese erfolgte in zwei Proben. Tartar aus der Kalbshuft stand für die rohe Qualität des Fleisches der neun Kälber. Angebraten wurde jeweils ein Stück aus dem Kalbsrücken, die Garzeit und die Dicke der Stücke war dabei für alle Proben gleich. Auch das Schlachtdatum (14. April) war für alle inländischen Proben gleich, um die Vergleichbarkeit wirklich zu garantieren. Was die Profis schon anhand der so unterschiedlichen Schlachtkörper vermutet hatten, zeigte sich beim fachlichen Rundgang auch optisch. Und auch am Teller wurde selbst für Laien klar: Wo viel Wasser eingelagert war, kam das gebratene Stück bereits mehr als „durch“, ja eigentlich übergart, zu den Testern.

Mit einer thematisch passenden Produkt Innovation – seinem Lungauer Kalbsleberkäse – sorgte Hannes Hönegger in der Pause für köstliche Verpflegung der Fleischer, Köche und Landwirte.
© Jörg Lehmann

Dafür zeigte sich bei manchen Kälbern die vom Steak bekannte wunderbare Garstufe „medium“. Auffällig am Ergebnis war auch die geringe Abweichung der 14 Experten von der Publikumswertung. Sowohl das beste Kalb es kam von einem ausschließlich mit Milch aufgezogenen Tiroler Grauvieh von Bio-Bauer Michael Kerschbaumer (Radenthein, Kärnten) – wie das schlechteste Fleisch wurden einhellig gewählt. 2.911 Punkte erhielt der Sieger von den rund 70 Verkostern vor Ort.

Klar abgeschlagen: Holland-Kalb

Mit 1.682 Punkten blieb das älteste Kalb, ein siebeneinhalb Monate in Holland gemästetes Tier (verpackte Schale aus dem Großmarkt), dagegen unter 2.000 Punkten und wurde klares Schlusslicht. Bereits am Teller hatten die blasse Farbe und das leicht säuerliche Tartar sich deutlich von den anderen Proben abgehoben. Wenig besser wurde das deutsche Kalb, das ebenfalls in den Niederlanden gemästet wurde, bewertet (1.967 Punkte). Gemeinsam mit dem konventionellen Pinzgauer Rind, das Milchaustauscher und Heu als Futter erhielt, bildete das in Deutschland geborene und geschlachtete „Schwarzbunt Holstein“ das letzte Drittel. Die Ehre des Pinzgauer Rinds rettete aber das in biologischer Fütterung aufgezogene Kalb vom Stiegl-Gut Wildshut – es erhielt die zweitbeste Bewertung (2.833 Punkte) im Geschmackstest. Überraschend war auch das Abschneiden des Wagyu-Kalbs, das sich nur wenig vor den klaren Schlusslichtern auf Platz fünf einreihte.

Der Kärntner Angus-Züchter Fritz Strobl, auch als Abfahrts-Olympia- Sieger & Ski-Weltmeister bekannt, bewertete in Salzburg auch mit.
© Neumayr

Die Freude unter den Kärntner Züchtern steigerte hingegen der gute dritte Platz für das „Kalb Rosé“ (2.682 Punkte), das mehrfach als österreichische Antwort auf das holländische Mastkalb genannt wurde. Das mit sieben Monaten zweitälteste Tier erfuhr ebenfalls eine konventionelle Fütterung bei der Genossenschaft „Bäuerliche Vermarktung Kärntner Fleisch“. Mit seiner dünkleren Fleischfarbe und einem wunderbar mürben Biss stellte es praktisch das Gegenteil der Probe aus den Niederlanden dar. Und das von einem Holstein-Friesian-Tier stammende Fleisch rundete den Dreifach-Sieg der heimischen Kälber ab. So klar hatte das Er- gebnis wohl niemand erwartet, zumal auch die Experten-Jury (Fleischer, Köche, Rinderzüchter) nahezu deckungsgleich mit den Köchen und Verbrauchern votierte!

Das Ergebnis des „Koch.Campus“ war aber auch eine Bestätigung für die Salzburger Gastgeber. Denn in der alpinen Landschaft ist Kalb nach wie vor ein wichtiges Thema der Landwirte. Das zeigt sich auch beim hohen Bio-Anteil, der sich als klare Alternative zu den durch halb Europa gekarrten Baby-Rindern empfahl. Während er in Österreich beim Kalb 22 Prozent beträgt, liegt die Zahl für Salzburger Kalb bereits bei stolzen 60 Prozent.

Ein Bier auf die Herkunft: die Spitzenköche und Rinderzüchter – Hannes Hönegger und Fritz Strobl – mit den „Koch.Campus“-Unterstützern von Stiegl und Salzburger Land-Tourismus in Wildshut.
© Leo Neumayr

Herkunft auch beim Wirt bezeichnen

Gefeiert wurde dieses eindrucksvolle Plädoyer für heimisches (Bio)Kalb natürlich mit einem Menü rund um dieses Fleisch. Auch hier zeigte sich die Vielfältigkeit des Kalbs, wie Andreas Döllerer unterstrich, in dessen Küche es zubereitet wurde: „Als es um die Gerichte ging, hat kein einziger Kollege etwas mit Edelteilen vorgeschlagen.“ Vom puristischen Bries des Hausherrn über „Geräucherte Zunge mit Heumilch und Leber-Eis (!)“ von Vitus Winkler („Genießerhotel Sonnhof“, St. Veit) und Kalbsmark mit Kaviar Andreas Senns („Senn’s“, Salzburg) reichte die Palette. Selbst der altbewährte „Gefüllte Schlepp“ wurde von Hubert Wallner („Res- taurant Hubert Wallner, Dellach) mit Nussbutter-Polenta und fermentierter Champignoncreme zeitgemäß in Szene gesetzt.

Und für alle am Tisch war klar, dass man Andreas Döllerers Appell zur Lebensmittelkennzeichnung in der Gastronomie zustimmt: „Das Schnitzel geht jeden an. Wenn die Leute wissen würden, wo es herkommt, käme es zu einem Umdenken oder sie würden es weniger oft essen.“ Denn nichts gegen Gouda –, aber wer will schon ein „Amsterdamer Schnitzel“ im Beisl bestellen?

Dieses Kalbfleisch wurde verkostet

© Jörg Lehmann

1 Bio Original Pinzgauer Bio-Vollmilch-Kalb,
Alter: 4 Monate. Landwirt: Stiegl Gut Wildshut, Wildshut, OÖ

2 Bio Fleckvieh Bio-Vollmilch-Kalb, Alter: 3,5 Monate
Landwirt: Christian Wirnsperger vulgo Dasler, Mauterndorf – Lungau

3 Holländisches Mastkalb Alter: 7,5 Monate, geboren, gemästet und geschlachtet in Niederlande. Vermarktung in Österreich

 

© Jörg Lehmann

4 Original Pinzgauer konventionell gefüttertes Kalb mit Milchaustauscher und Heu, Alter: 6 Monate. Landwirt: Stefan Dürr, Leo- gang-Pinzgau

5 Deutsches Mastkalb Alter: 7 Monate. Geboren in Deutschland, gemästet in Niederlande, geschlachtet in Deutschland

6 Bio Tiroler Grauvieh Bio-Vollmilch-Kalb, Alter: 4,5 Monate. Landwirt: Michael Kerschbaumer, Radenthein, Kärnten

© Jörg Lehmann

 

7 Bio Wagyu Bio-Vollmilch-Kalb, 4 Monate Mutterkuhhaltung. Alter: 6 Monate. Landwirt: Hannes Hönegger vulgo Tromört, Lessach – Lungau

8 Kalb Rosé, Holstein Friesian konventionell gefüttertes Kalb,
Alter: 7 Monate Bäuerliche Vermarktung Kärntner Fleisch reg.GenmbH, Programm „Kalb Rosé“ – Kärnten

9 Bio Weissblauer Belgier Bio-Vollmilch-Kalb, Alter 3,5 Monate. Landwirt Hermann Mauser vulgo Metzger, Mauterndorf – Lungau

Autor: Roland Graf

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