Was lange währt, wird ja bekanntlich gut. Und es ist nicht nur sehr gut, sondern auch sehr schön geworden. Eigentlich geistert die Idee einer eigenen Sprache für unsere Wurst, fürs Brot und für den Käse schon länger durch die Köpfe. Spätestens in den Jahren 2008 oder 2009 war anlässlich der regelmäßigen Sensorikseminare der Lebensmittelakademie des österreichischen Gewerbes der Wunsch nach einer fachlich fundierten (An-)Sprache der Produkte unüberhörbar. Von dort hat dieser Gedanke seinen Weg in die Gremien gefunden, und im März 2011 gab Prof. Dr. Reinhard Kainz, Bundesinnungsgeschäftsführer der Lebensmittelgewerbe, der priv. HTL für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelsicherheit in Hollabrunn den Auftrag, eine Terminologie der österreichischen Fleischwaren zu entwickeln.
Damit wurde das ebenfalls in Hollabrunn ansässige Zentrum der österreichischen Fleischtechnologie mitsamt seinen Fleischexperten und Sensorikspezialisten vor eine große Aufgabe gestellt. Es galt, eine einfache Methode zu entwerfen, um die sensorischen Eigenschaften der Wurstwaren in Worte zu übersetzen. Ein Panel musste ins Leben gerufen werden, bestehend aus einer breiten Auswahl an Teilnehmern mit unterschiedlichen Zugängen zur Beschreibung von Lebensmitteln.
Im Juli 2011 gings dann richtig los. Fleischermeister aus ganz Österreich, Journalisten – u. a. von der ÖFZ – Lebensmittelexperten und Gewürzhersteller waren vertreten, eine Kollegin aus dem Gebiet der Linguistik und Lehrer der HTL trafen sich in Holla-brunn, um die ersten 15 Produkte zu beschreiben. Ein zweiter solcher Durchgang fand Ende August statt. Jede dieser Sitzungen dauerte drei Tage, und allein an der Bereitschaft aller Beteiligten, ihre Zeit zur Verfügung zu stellen, kann die Wertschätzung, die dieses Projekt in den Fachkreisen genießt, abgelesen werden. Hier ist vielleicht der Ort, an dem allen, die sich dieser Aufgabe gewidmet haben, einmal ein recht herzliches Dankeschön gesagt werden sollte.
Vier Diplomanden der HTL Holla-brunn machten sich dann im Herbst an die Arbeit, um das entstandene Datenmaterial zu bearbeiten. Kurz vor Weihnachten dann eine erste Erfolgsmeldung: Eine Rohfassung der Terminologie der Fleischwaren ist fertig!
Das Frühjahr 2012 ist die eigentliche Geburtsstunde des Booklets zur Wurst(an)sprache. Wiederum wandte sich Reinhard Kainz an die HTL Hollabrunn mit der Bitte, die durchaus raumgreifende Begriffssammlung fachlich und redaktionell so zu bearbeiten, dass sie sich in Gestalt der nun vorliegenden Publikation präsentieren ließe. Na gut, ein ganzes Jahr hat es dann doch noch gedauert, bis die ersten druckfrischen Exemplare des Booklets „Wurst(an)sprache – ein hilfreicher Leitfaden für den Fleischermeister“ den ersten Interessenten (und davon gibt es sehr, sehr viele) überreicht werden konnten. Dafür ist die Arbeit mit dem Booklet nun umso einfacher gestaltet.
Zutaten der Wurst(an)sprache
Verehrte Leserin, verehrter Leser, schlagen Sie Ihr Exemplar auf und folgen Sie der Anleitung. Suchen Sie Ihre Wurst im Booklet, und schon haben Sie die entsprechende Begriffssammlung vor sich. Ihre ganz spezielle Wurstkreation ist nicht aufgelistet? Kein Problem, orientieren Sie sich an der Zuordnung zum Kodexkapitel, nehmen Sie jene Vorlage her, die Ihrem Produkt am ähnlichsten ist und schon kanns losgehen. In der einen Spalte stehen die Hauptwörter. Das ist jetzt nicht nur grammatikalisch gemeint, es sind jene Begriffe, die ein Produkt hauptsächlich definieren. In der anderen Spalte finden Sie Eigenschaftswörter, die einer Beschreibung erst die richtige Würze verleihen. Jetzt noch ein paar Zutaten, um daraus einen gefälligen Satz zu formen. „Feuriges Paprikarot und Gewürze glänzen matt durch eine seidige Hülle. Locker strukturiertes Brät mit Speckeinlage, typisch der orangerote Saft“ – erraten, was das ist? Ja sicher, denn das sind die deftigen Debrecener!
30 Spitzenreiter in der Wursttheke sind im Booklet auf diese Art aufgeführt. Das reicht naturgemäß nicht aus, um die glücklicherweise so reichhaltige hiesiege Wurstlandschaft vollständig abzubilden. So wie Ihre Krea-tivität, verehrte Leserin, verehrter Leser, bei der Entwicklung gerade Ihrer Spezialitäten gefragt ist, erfordert das Booklet noch etwas Eigeninitiative, um gerade die Besonderheit Ihrer hauseigenen Wurstschöpfungen herauszustreichen. Doch gerade in diesem Fall stellt das Booklet ein wertvolles Grundgerüst zur Verfügung, denn aller Anfang ist ja am schwierigsten, und wenns dann einmal läuft mit der Beschreibung, dann läufts.
Seminarreihe
Die Lebensmittelakademie des öster. Gewerbes plant eine Seminarreihe zur Wurstsprache. Dort können alle Fragen im persönlichen Gespräch mit dem Referenten geklärt werden. Auch die Erstellung individueller Musterbeschreibungen ist hier geplant. Und wie gehts nun weiter? Über eine Terminologie der Fleischwaren ist an dieser Stelle schon viel geschrieben worden, ihre Notwendigkeit sollte wohl nicht infrage gestellt. Werbe- und Marketingaktivitäten erfordern eine ansprechende Produktpräsentation, nur aussagekräftig beschriebene Waren können auch erfolgreich kommuniziert werden. Darum darf jedem Kollegen ruhigen Gewissens die ausgiebige Nutzung der „Wurst(an)sprache“ ans Herz gelegt werden!
Zum Autor
Josef Schwarzböck ist Lebensmitteltechnologe und Teil des Schulvereins der priv. HTL für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelsicherheit in Hollabrunn. Der „Mr. Wurstansprache“ war zentral in deren Entwicklung involviert und fungiert auch als Lehrender an der Lebensmittelakademie.
Zur Broschüre
Die Broschüre „Wurst(an)sprache“ wird über die Landesinnungen in den nächsten Wochen kostenlos zugestellt und ist vorrangig für die Fleischerfachgeschäfte vorgesehen.
Aktuelle Seminartermine zur Wurst(an)sprache sind abrufbar unter:
www.lmakademie.at