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Produktion & Industrie

Österreichs Landwirtschaft am europäischen Arbeitsmarkt benachteiligt

Die aktuellen Diskussionen über Lebensmittelpreise verdeutlichen, wie sehr Österreichs Landwirtschaft mit ihren hohen Qualitäts- und Sozialstandards im internationalen Wettbewerb unter Druck steht. Eine heute bei einer Pressekonferenz in Oberösterreich vorgestellte Studie der KMU Forschung Austria kommt zu dem Ergebnis, dass landwirtschaftliche Arbeitgeber:innen in Österreich lohnkostenmäßig viel stärker belastet sind als in anderen europäischen Ländern.LKÖ- Präsident Josef Moosbrugger sieht eine  Entschärfung der Sozialabgaben als wichtigen Bestandteil der  Wettbewerbsfähigkeit von landwirtschaftlichen Arbeitgeber:innen. 

Gleichzeitig ist die Alpenrepublik wegen hoher Abzüge bei vergleichbaren Bruttolöhnen für Personal weniger attraktiv. Weil diese doppelte Benachteiligung viele österreichische Betriebe ins Wanken bringt, fordern die heimischen Bauernvertreter:innen nun Abhilfe. So sprechen sich LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger, LK Oberösterreich-Präsident Franz Waldenberger und der Obmann des Österreichischen Branchenverbands für Obst und Gemüse (ÖBOG), Manfred Kohlfürst, heute für Entschärfungen im Bereich der Sozialabgaben aus.

Doppelt schwierig: höhere Kosten für Arbeitgeber, geringere Nettolöhne für Arbeitnehmer

„Im Zuge der Studie wurden deutliche Wettbewerbsnachteile bei den Arbeitskosten sichtbar. So liegt Österreich bei den Bruttolöhnen für unbefristete Arbeitskräfte in der Landwirtschaft an dritthöchster Stelle nach der Schweiz und Deutschland und bei befristeten Hilfskräften bzw. Saisonkräften sogar an zweiter Stelle nach der Schweiz. Dasselbe Ranking zeigt sich auch im Hinblick auf den Bruttolohn je vertraglicher Arbeitsstunde. Für die heimischen Betriebe kommt erschwerend hinzu, dass diese in Österreich besonders hohe personalbezogene Abgaben entrichten müssen. Österreich hat mit 29,2% den zweithöchsten Anteil an Sozialabgaben auf Seiten der Arbeitgeber – hinter Italien“, berichtet Studienleiter Wolfgang Ziniel, der mit seinen Kolleg:innen auch die Situation in Italien, Spanien, Ungarn und Polen unter die Lupe genommen hat.

(@LK OÖ)

„Trotz hoher Kosten für die Arbeitgeber sind die Nettolöhne und somit das, was die Arbeitskräfte tatsächlich erhalten, in Österreich – etwa im Vergleich zu Deutschland – geringer. Darunter leidet die Attraktivität der bäuerlichen Betriebe als Arbeitgeber im Vergleich zum benachbarten Ausland“, erklärt Ziniel, der auch die Kleinstrukturiertheit der österreichischen Landwirtschaft als Herausforderung nennt. „Handlungsspielraum dürfte in diesem Kontext eigentlich nur bei den Sozialabgaben bestehen. So könnten in Österreich auch Sonderformen im Bereich der saisonalen bzw. befristeten Beschäftigung in der Landwirtschaft – wie es sie etwa in Deutschland oder Polen gibt – geprüft werden“, so der Studienleiter.

Moosbrugger fordert Lohnnebenkosten-Senkung à la Deutschland bzw. Südtirol

„Die österreichische Landwirtschaft steht zu ihren hohen Qualitäts- und Sozialstandards. Gleichzeitig ist es in Zeiten eines enormen Preiskampfes im Lebensmittelbereich unverzichtbar, dass Österreichs bäuerliche Betriebe im harten europäischen Wettbewerb nicht durch deutlich höhere Lohnnebenkosten unter die Räder geraten. Darunter würde auch die heimische Eigenversorgung mit wichtigen, arbeitsintensiven Kulturen wie Obst und Gemüse massiv leiden. Wir brauchen dringend eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden, weitere Marktanteilsverluste zu verhindern und die regionale Versorgung mit leistbaren Qualitätslebensmitteln abzusichern. Es gilt, weitere klimaschädliche Importe zu verhindern“, betont LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger.

„Deutschland hat mit seinem sozialabgaben-befreiten 70-Tage-Modell einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Für ganz Südtirol ist wiederum eine Reduktion der Arbeitgeberbeiträge von 75% vorgesehen. Wir fordern für Österreich eine Kombination von deutschem und Südtiroler Modell. Bereits 2017 gab es eine von allen vier Präsidenten unterschriebene Sozialpartnereinigung auf Entschärfungen im landwirtschaftlichen Sozialabgabenbereich. Diese gilt es endlich umzusetzen“, fordert der LKÖ-Präsident.

Waldenberger: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für Selbstversorgung wichtig

„Gerade in Oberösterreich werden sehr viele handarbeitsintensive Kulturen auf größeren Flächen produziert. Die Paradefrüchte sind etwa Einlegegurken, Erdbeeren, Salate und Spargel. Als Nachbarbundesland zu Bayern hatte Oberösterreich schon immer eine spezielle Konkurrenzsituation zu Deutschland – sowohl am Markt als auch bei den Arbeitskräften. So hat seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 der hohe Wettbewerbsvorteil des sozialabgaben-befreiten70-Tage-Modelles in Deutschland beispielsweise bei Einlegegurken den Marktanteil im LEH von circa 80% auf rund 40% sinken lassen.

Auch bei frischem Spargel konnte Deutschland trotz ähnlicher klimatischer Bedingungen eine Selbstversorgung von fast 85% aufbauen, während in Österreich circa 52% des Verbrauches importiert werden“, berichtet LK OÖ-Präsident Franz Waldenberger. „Wir brauchen dringend eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch wirksame Maßnahmen zur Lohnnebenkostensenkung. Der zuletzt deutlich gestiegene Pro-Kopf-Verbrauch bei Gemüse muss als Auftrag gesehen werden, den Selbstversorgungsgrad von derzeit durchschnittlich nur 57% zu steigern“, so Waldenberger.

Kohlfürst: Arbeitskräftebedarf steigt durch Bio und Convenience

„Technische Fortschritte und Digitalisierung haben zwar schon große Erleichterungen gebracht. Gerade bei Spezialkulturen wie Obst und Gemüse ist die fachkundige manuelle Arbeitskraft aber weiterhin unersetzbar. Weiterentwicklungen wie der Trend zu Convenience- und biologischen Produkten erfordern sogar oftmals einen höheren Arbeitskräftebedarf“, unterstreicht Kohlfürst. „Wir brauchen unbedingt Entschärfungen im Bereich der Sozialabgaben. Außerdem wirken sich Wettbewerbsnachteile in der Landwirtschaft auch negativ auf die nachgelagerten Bereiche und die Lebensmittelpreise aus. Die Regierung und insbesondere der Sozialminister sind gefordert, hier für mehr Wettbewerbsfairness in Europa zu sorgen“, betont ÖBOG-Obmann Manfred Kohlfürst.

 

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