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Wir Fleischer müssen neue Wege denken!

Im Interview mit Fleisch & Co spricht Peter-Paul Schweighofer über das Fleischerhandwerk, Preisspirale, Fachkräftemangel und den neuen Auftritt der Tiroler Landesinnung.

Kein Bundesland war so betroffen von der Pandemie wie unseres, sagt Berufszweigsprecher und Fleischer- meister Peter-Paul Schweighofer. „Viele meiner Tiroler Metzgerkollegen sind von den Lieferungen an die Gastronomie und Hotellerie abhängig. Und diese Betriebe hat es arg erwischt.“ Die Unterstützungsleistungen und Förderungen seien wichtig und hilfreich gewesen, aber letztlich auch nicht immer treffsicher. „Wir wissen aber alle“, ist der Tiroler sicher, „dass ohne diese Hilfszahlungen die Situation dramatisch geendet hätte.“ Auf der anderen Seite weiß Schweighofer, der als Sprecher der Tiroler Landesinnung der Lebensmittelgewerbe die Tiroler Metzger vertritt, dass die Krise auch Positives gebracht hat. Im Gegensatz zu den starken Um- satzeinbußen bei Betrieben, die etwa tourismusabhängig sind, habe der Lebensmittelhandel, das Lebensmittelgewerbe und speziell auch die Metzgereibetriebe – „vor allem Betriebe, die auf das Metzger-Detailgeschäft konzentriert sind“ – gute Zuwächse in den letzten zwei Jahren verzeichnen können.

Der Aufwärtstrend

Auf die Frage, ob das Fleischerhandwerk in der Corona-Krise einen nachhaltigen Aufwind erlebt hat, ist Schweighofer allerdings zwiegespalten. „Es hat Kunden gegeben, die uns bzw. das Fleischerhandwerk neu oder wiederentdeckt haben. Für meinen Betrieb kann ich aber sagen, jene Kunden, die schon vor der Pandemie bei uns eingekauft haben, tun es nach wie vor.“ Schweighofer glaubt aber, dass aufgrund der Quarantänebestimmungen und Ausgangsregelungen, Kunden zum Teil regelrecht gezwungen waren beim Fleischer einzukaufen. „Ob das nachhaltig ist, bleibt abzuwarten.“ Für den eigenen Betrieb zieht Peter-Paul Schweighofer folgende Bilanz: „Wir haben durchaus einige neue Kundschaften dazugewonnen. Profitiert haben wir letztlich davon, dass wir nicht von Gastronomie und Tourismus abhängig sind. Wir sind ein klassi- sches Fleischerfachgeschäft. Gemeinsam mit meiner Frau Ingrid und Sohn Michael (gelernter Koch und Fleischermeister) und Tochter Theresa, die im Verkauf tätig ist, führen wir unsere Metzgerei in Götzens nahe Innsbruck. Zusätzlich beschäftigt die Metzgerei Schweighofer weitere drei Mitarbeiter.“

In dritter Generation

Im täglichen Handwerk wird großer Wert auf Regionalität und hochwertige Verarbeitung gesetzt. Neben regionalen Fleisch- und Wurstprodukten gibt es Spezialitäten wie heimischen Fisch, Essig und Öle, Pesti, Käse und mehr. Beliebt sind die von Sohn Michael Schweighofer zubereiteten Mittagsmenüs und das seit der Corona-Krise angebotene Take-away-Angebot.

Neben regionalen Fleisch- und Wurstprodukten gibt es hier Spezialitäten wie heimischen Fisch, Essig und Öle, Pesti, Käse und mehr. © Beigestellt

Die seit 1926 bestehende Metzgerei führt Peter-Paul Schweighofer seit 1998 in der dritten Generation. Im Interview mit Fleisch & Co spricht er über das Fleischerhandwerk, Preisspirale, Fachkräftemangel und den neuen Auftritt der Tiroler Landesinnung im Verbund mit Metzger, Bäcker, Konditoren und Nahrungs- und Genussmittelgewerbe.

Berufszweigsprecher und Fleischermeister Peter-Paul Schweighofer aus Tirol. © Ascher Fotodesign KG

Fleisch & Co: Wie steht es aktuell um das Fleischerhandwerk in Tirol?

Peter-Paul Schweighofer: „Zuerst einige Zahlen dazu: Bis 2001 hatten wir 185 Mitgliedsbe- triebe. Jetzt 20 Jahre später haben wir nur noch 130. Das ist schon ein bemerkenswerter Rückgang – denn es gilt, zu bedenken, von den 130 sind es 120 aktive Berech- tigungen und da sind auch Filia- len von Fleischereien dabei, die einen eigenen Metzger angestellt haben, wo es Zerlegung gibt. Bäu- erliche Schlachtstätten sind da auch dabei. Das heißt also, die effektive Zahl der aktiven Metz- ger ist also weit geringer als die 120. Wir reden hier also von un- gefähr 70 Fleischern, die es in Tirol gibt. Der Rückgang ist da. Anderen Gewerben, wie den Bä- ckereien, geht es aber ähnlich.“

Fleisch & Co: Was haben diese Betriebe „richtig“ gemacht?

Peter-Paul Schweighofer: „Die Betriebe, die es jetzt noch am Markt gibt, sind allesamt Top-Betriebe. Sonst könnten sie nicht am Markt bestehen. Alle diese Betriebe erzeugen Spitzenprodukte und behaupten sich erfolgreich. Ich kann mich auch an keinen Metzgereibetrieb der letzten Jahre erinnern, der aus wirt- schaftlichen Gründen zusperren musste. Man muss an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass Top-Betriebe vom Markt verschwunden sind. Das hatte aber andere Gründe. Die Schließungen erfolgten meist, weil kein Nachfolger gefunden wird. Das ist ein großes Problem, eigentlich das größte Problem in unserer Branche neben dem Personalmangel.“

Fleisch & Co: Wie sind diese Betriebe aufgestellt?

Peter-Paul Schweighofer: „Was als Nächstes auf die Betriebe massiv an Belastung dazu kommt bzw. schon virulent ist, ist das Preisgefüge. Hier haben wir eine außerordentliche Entwicklung. Allein bei den Verpa- ckungs- und Produktionsmaterialien, die ein Metzger dringend braucht, sind die Preise im Fleischsektor dramatisch angestiegen. Wir reden hier nicht von einigen Prozenten, sondern teilweise von bis zu einem Drittel.“

Fleisch & Co: Welche Auswirkungen haben all diese Preissteigerungen?

Peter-Paul Schweighofer: „Zum Beispiel hat sich auch das Rindfleisch enorm verteuert. Diese Belastungen an den Kunden 1:1 weiterzugeben, ist fast unmöglich. Um hier konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Betrieb diese Kosten zum Teil selbst tragen und da kommen wir in eine negative Entwicklung hinein. Das verschlechtert natürlich die Ertragssituation. Wenn man dann noch die künftigen Lohnverhandlungen bei steigender Inflationsrate einbezieht, sieht die Zukunft nicht rosig aus. Oder um es deutlich zu sagen, da wird einem angst und bange. Das ist eine große Herausforderung für unser Handwerk.

Fleisch & Co: Steigende Löhne und gleichzeitig Preissteigerungen – ein Teufelskreis …

Peter-Paul Schweighofer: „Genauso ist es. Zum einen, wenn man heutzutage nicht gut zahlt, wird man auch keine entsprechenden Mitarbeiter:innen bekommen. Zahlt man nicht weit über Kollektiv, ist man am Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Kleine Betriebe können aber keine Zusatzboni, wie Führerschein oder Ähnliches zahlen. Auf der anderen Seite, sind die wenigsten bereit, eine 40-Stunden-Woche zu machen. Das wirkt sich insbesondere im Fleischverkauf aus. Für Freitag und Samstag eine(n) Verkäufer:in zu finden, das ist sehr schwierig, fast unmöglich. Geschultes Personal zu finden, ist sicherlich die größte Herausforderung für die Fleischerbranche.“

Fleisch & Co: Gibt es Lösungen für den Fachkräftemangel?

Peter-Paul Schweighofer: „Das ist schwierig. Die Babyboomer-Generation geht bald in Pension. Die nachfolgenden Generationen haben teilweise eine andere Einstellung zur Arbeit. Stichwort Work-Life-Balance und Viertagewoche. Doch was nützt uns diese, wenn wir von Montag bis Samstag das Geschäft offen haben? Hier müssen wir uns als Betriebe komplett anders orientieren und müssen auch neu denken und immer flexibler sein.“

Fleisch & Co: Wo könnten diese neuen Wege hinführen?

Peter-Paul Schweighofer: „Eine Einstellung wie vor zehn Jahren hat heute keinen Platz mehr. Man muss ganz neu denken. Wenn ich am Samstag nicht mehr in der Lage bin, das Geschäft anständig zu führen, weil keine entsprechenden Fleischfachverkäufer:innen zu finden sind, dann muss ich mir überlegen, das Geschäft eben von Dienstag bis Freitag offen zu halten. Die Fleischerbetriebe werden sich mit kürzeren oder angepassten Öffnungszeiten anfreunden müssen. Man muss die Kräfte, die man noch hat, bündeln. Und dabei auf das Verständnis der Kunden hoffen. Man wird sich auch überlegen müssen, inwieweit man mehr vorverpackte Ware anbietet. Alles in allem wird es eine herausfordernde Zeit.“

Fleisch & Co: An der Ausbildung im Fleischerhandwerk hapert es nicht?

Peter-Paul Schweighofer: „Wir haben sicherlich eine sehr gute Ausbildung. Wir haben momentan 51 Lehrlinge in Tirol, die von 28 Lehrbetrieben kommen. An der Fachberufsschule in St. Nikolaus in Innsbruck wird wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Dort sehen wir, dass auch das Ausbildungsniveau in den Betrieben sehr gut und hoch ist. Besonders erfreulich ist, dass wir jedes Jahr einen Meisterprüfungskurs zustande bringen und dass daraus erfahrungsgemäß neue Betriebe hervorgehen. Heuer sind es 16 Teilnehmer.“

Fleisch & Co: Wie ist das Verhältnis der gewerblichen Fleischer zur Direktvermarktung?

Peter-Paul Schweighofer: „Grundsätzlich ein gutes und gleichzeitig auch ein unbefriedigendes. Die unterschiedliche Einordnung von gewerblichen Fleischern und landwirtschaftlichen Betrieben in Kom- bination mit Metzgerei, ist nach wie vor ein Thema, das uns unter den Nägeln brennt. Wir fürchten uns nicht vor Konkurrenz, hätten aber gerne die bäuerlichen Fleischer als Mitgliedsbetriebe in der Wirtschaftskammer. Es ist aber nachvollziehbar, dass die Direktvermarkter nicht zuletzt, aufgrund höherer Förderungen und unterschiedlicher Besteuerung sprich Pauschalierung, keine Unternehmer werden wollen. Das hier mit zweier- lei Maß gemessen wird, ist heutzutage immer schwerer einzusehen. Auch weil die Auflagen immens sind für die gewerblichen Fleischer. Übrigens: Für Hofläden würde eine einheitliche Regelung auch diesbezüglich mehr Sicherheit bringen.“

Fleisch & Co: Die Tiroler Fleischer haben einen neuen Auftritt. Wie kam es dazu?

Peter-Paul Schweighofer: „Wir sind mit der Fleischerinnung schon seit Jahren auf allen Kanälen aktiv. Im Zuge der Kammerreform gab es dann die Zusammenlegung der Gewerbe der Fleischer, Bäcker und Kon- ditoren, Molkereien sowie Nahrungs- und Genussmittel. Wir sind jetzt der Branchenverbund Ernährung. Folgerichtig kamen wir zum Schluss, dass es nachteilig ist, wenn jedes Gewerbe seinen eigenen Auftritt, seine eigene Agentur hat. So haben wir uns zum gemeinsamen Auftritt entschlossen.“

Fleisch & Co: Wie kommt er an?

Peter-Paul Schweighofer: „Sehr gut. Wir haben laufend steigende Zugriffe auf der neuen Website tirol-schmeckt.at. Wir werden auch in den sozialen Medien gut wahrgenommen. Im April planen wir eine Tour durch die Tiroler Bezirke, um ,Tirol schmeckt‘ der Öffentlichkeit vorzustellen. Das war eigentlich schon länger geplant, aber die Pandemie hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

Fleisch & Co: Wie ist derzeit das Innungsgeschehen?

Peter-Paul Schweighofer: „Durch den Branchen-Zusammenschluss wurden die Tiroler Gremien neu organisiert. Sitzungen und Beschlüsse dementsprechend angepasst. Unsere Stoßrichtung ist das Service für und Kontakte zu den Mitgliedsbetrieben. Doch auch da gab es Abstriche wegen der Pandemie. Wir wollen deshalb wieder einen Metzgertag veranstalten. Mit Simon Franzoi hat der Branchenverbund einen neuen Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer Tirol. In der Bundesinnung hat der Informationsfluss in der Krise sehr gut funktioniert. Hier wurde sehr gute Arbeit geleistet. Weiterhin aber müssen wir am Image der Fleischer schrauben.“

Autorin: Barbara Egger

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