Muss man Doris Steiner-Bernscherer übethaupt noch vorstellen? Mit ihrem Familienbetrieb am Hauptplatz im niederösterreichischen Sollenau ist sie seit vielen Jahren erfolgreich. Sie steht für Qualität, meisterliches Handwerk und das niederösterreichische Gewerbe. Ihr Markenzeichen ist eine runde Brille – und spätestens wenn sie mit streng-verschmitztem Blick über deren Ränder schaut und über das Fleischerhandwerk spricht, weiß man: Doris Steiner steht auch für eine starke Interessenvertretung und tritt mit sprühender Leidenschaft für „ihre“ Betriebe und das Handwerk ein. Fleisch & Co hat die stellvertretende Innungsmeisterin zum ausführlichen Interview gebeten.
Fleisch & Co: Wie steht es aktuell um das Fleischerhandwerk?
Doris Steiner: „Ich bin der festen Überzeugung, dass das Fleischerhandwerk in den letzten Jahren einen bedeutenden Stellenwert erreicht hat. Wenn man sich heute etwas Gutes tun will, geht man ins Fleischerfachgeschäft. Dieses Umdenken der Leute hat, denke ich, mit der Corona-Pandemie begonnen und ist mittlerweile in den Köpfen angekommen. Das freut mich sehr. Jene Fleischer, die diesen Wandel mitgegangen sind, haben davon profitiert. Es gibt natürlich auch diejenigen, die diesen Wandel nicht verstanden haben, und denen es leider nicht so gut geht, das muss man auch ehrlich sagen.
Fleisch & Co: Haben sich die Kunden geändert?
Doris Steiner: „Die Kunden sind informierter und anspruchsvoller und das darf man nicht ignorieren. Sie sind bereit, Geld auszugeben, erwarten aber dafür auch entsprechende Qualität und Service. Ich glaube das unsere Kundenschicht etwas jünger geworden ist, was für uns ein großer Vorteil ist. Hier spielen auch Facebook und Instagram eine wichtige Rolle. Diejenigen, die diese Plattformen erfolgreich nutzen, schaffen es auch, diese jüngere Klientel ins Geschäft zu ziehen.“
Fleisch & Co: Ist es ein wenig so, dass Fleisch der neue Wein ist, also diesen Weg geht?
Doris Steiner: „Ja, das würde ich schon sagen. Die Leute wollen heute genau wissen, woher ihr Essen kommt. Egal, ob es die Politik ist oder große Handelsketten wie Rewe und Spar – alle sind inzwischen auf diesen Zug aufgesprungen und machen Werbung für Regionalität. Aber man nimmt den Handelsketten diese Regionalität nicht ab. Hier vertrauen die Leute eher auf das Fleischerfachgeschäft, wo sie die Person kennen, die hinter dem Tresen steht. Da steht jemand, den man kennt und dem man die Regionalität auch wirklich abnimmt.“
Fleisch & Co: Wo liegen derzeit die Probleme?
Doris Steiner: „Der Mangel an Mitarbeitern ist ein großes Problem, das uns sicher auch noch länger beschäftigen wird. Ich glaube, es wird erst dann besser, wenn die Menschen wieder mehr den Wert dessen spüren, was sie konsumieren – nicht nur im Geldbeutel, sondern auch auf der Zunge.
Wenn das Lebensmittel Fleisch wieder mehr kostet, bekommt auch die Arbeit, die dahintersteckt, einen höheren Stellenwert. Dann fühlen sich die Mitarbeiter auch mehr wertgeschätzt für ihre Arbeit, weil sie etwas Wertvolles und Besonderes schaffen. Schauen Sie sich die Winzer an: Diejenigen die perfekte Weingüter betreiben, konnten das tun, weil Wein einfach mehr Geld kostet und somit mehr Wertschätzung erfährt.”
Fleisch & Co: Anerkennung als Strategie gegen den Mitarbeiter-Mangel?
Doris Steiner: „Es gibt diesen schönen Leitsatz: fordern, fördern, aber nicht überfordern. Ich glaube, dass das Wichtigste, was Mitarbeiter heute vermissen, Lob und Anerkennung ist. Das haben wir in vielen Betrieben verlernt. Warum? Weil man lange Zeit glaubte, dass Anerkennung nichts wert ist und oft, wenn überhaupt, nur beiläufig gegeben wurde. Doch jetzt, wo alles wieder an Wert gewinnt, lernen wir auch, wie wichtig es ist, Lob und Anerkennung auszusprechen. Freundlichkeit und Wertschätzung sind meiner Meinung nach essenziell. Wir haben jetzt wieder einen Lehrling gefunden und eine neue Mitarbeiterin im Geschäft, die Freude an ihrer Arbeit hat. Natürlich muss man seine Mitarbeiter auch „umsorgen”. Bei uns, und das gilt für viele unserer Kollegen, bekommen unsere Mitarbeiter ihr Essen und Trinken kostenfrei. Im Handel müssen sie dafür zahlen, und das macht einen Unterschied. Und des Weiteren muss sich Arbeit aber auch finanziell lohnen, das ist das A und O. Wenn ich meine Kinder oder meine Familie nicht ernähren kann, warum sollte ich dann arbeiten gehen? Da bleibe ich doch lieber zu Hause und habe vielleicht weniger, aber zumindest kann ich dann für meine Familie da sein. Die finanzielle Lücke zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit muss größer werden, aber das ist ein bundesweites Problem, nicht nur ein Landesproblem.“
Fleisch & Co: Fleischerhandwerk in NÖ – was gibt es Positives zu berichten?
Doris Steiner: „Was sich positiv entwickelt hat, ist die Werbung der ‚Fleischkönner‘, die wir gemeinsam gestartet haben. Dieser Erfolg kam nur deshalb zustande, weil wir alle gemeinsam – KommR. Fleischermeister Wolfgang Seidl, Landesinnungsmeister Jakob Ellinger, Landesinnungsgeschäftsführer Mag. Heinrich Schmid und ich – unerbittlich und immer und immer wieder für unsere Fleischer gekämpft haben. Dadurch werden wir von den Kunden und auch von der Politik wahrgenommen. Die Politik erkennt jetzt, dass auch die Fleischer ihre Herausforderungen und Probleme haben und hören uns zu. Das ist wichtig, denn das Ungleichgewicht zwischen Gewerbe und Direktvermarktung besteht nach wie vor. Die Direktvermarkter, die oft tun und lassen können, was sie wollen, während wir Lebensmittelhandwerker unsere Steuern zahlen. Die Bäcker und die Konditoren haben ja ganz ähnliche Probleme wie wir Fleischer.“
Fleisch & Co: Was sind die Ziele der Gespräche?
Doris Steiner: „Es geht nicht nur um vielerlei steuerliche Vorteile, sondern auch um Mitarbeiterkosten. In der Landwirtschaft ist ja weniger Sozialversicherung fällig, was eine ganz andere Marge ermöglicht. Zudem bekommt die Landwirtschaft viele Förderungen, die wir im Gewerbe gar nicht kennen. Viele Landwirte wollen daher nicht ins Gewerbe wechseln. Deshalb ist es wichtig, dass wir weiterhin Gespräche führen, unser Ziel: Entweder sollen wir die gleichen Bedingungen wie die Landwirte erhalten oder die Landwirte ins Gewerbe wechseln. Mittlerweile hört uns die Politik zu, aber das Ganze ist nicht nur ein Landesproblem, sondern ein bundesweites Problem. Daher dauert es oft sehr lange, bis sich etwas bewegt. Trotzdem sind wir schon relativ weit gekommen, aber wir müssen weiterhin dranbleiben. Es ist wie das Sprichwort sagt: ‚Steter Tropfen höhlt den Stein.‘ Irgendwann wird das Fass überlaufen und dann wird es Veränderungen geben. Bis dahin dürfen wir nicht aufhören und nicht müde werden, weiter Druck auszuüben, bei jedem Treffen, bei jeder Gelegenheit.“
Fleisch & Co: Wird die Wahl 2025 hier vielleicht weitere Weichen stellen können?
Doris Steiner: „Letztlich wird es darauf ankommen, wer das Ruder übernimmt. Das ist meiner Meinung nach das größte Thema. Im Moment scheint sich niemand wirklich zu trauen, klare Aussagen zu machen, weil unklar ist, wer letztendlich die Entscheidungen treffen wird.
Fleisch & Co: Welche Projekte konnten für NÖ noch umsetzt werden?
Doris Steiner: „Jakob Ellinger und ich haben die Lehrabschlussprüfung auf ein neues Niveau gehoben. Früher ging man zur Prüfung, ohne groß etwas gelernt zu haben. Heute ist das anders: Wenn man die Lehrabschlussprüfung erfolgreich ablegt hat, kann man wirklich etwas. Heute tritt niemand mehr zur theoretischen Prüfung an, ohne gut vorbereitet zu sein. Unsere Lehrlinge können wirklich etwas –, das ist ein großer Fortschritt. Darauf bin ich wirklich stolz. Ein Riesenprojekt, das wir vorhaben, ist die Bewertung bei der Lehrabschlussprüfung digital auf iPads oder Computern durchzuführen. So sieht der eine Prüfer nicht, was der andere bewertet, und die Ergebnisse kommen gefiltert zusammen. Das haben wir bereits erfolgreich beim Lehrlingswettbewerb umgesetzt und wollen es zeitnah auch bei unseren Lehrabschlussprüfung einführen.“
Fleisch & Co: Was ist in nächster Zeit geplant?
Doris Steiner: „Wir starten in Zusammenarbeit mit dem ORF Niederösterreich ein spannendes TV-Projekt: Vom Landwirt bis auf den Teller. Insgesamt werden fünf Beiträge gedreht, die den gesamten Weg bis auf den Teller abdecken. Ein wichtiges Ziel dabei ist, zu verdeutlichen, dass jeder Einkauf des Konsumenten zählt. Der Konsument bestimmt mit, wie produziert wird, und das wollen wir ins Bewusstsein rücken. Dieses Projekt soll allen Fleischern in Niederösterreich zur Verfügung stehen, damit sie es nutzen können. Es geht nicht darum, einzelne Namen hervorzuheben, sondern die Fleischer Niederösterreichs insgesamt. Der erste Teil konzentriert sich zunächst auf das Schwein und wird voraussichtlich im September ausgestrahlt. Wir wollen den Zuschauern zeigen, wie ein Schwein nach der Schlachtung aussieht, wir zeigen dann, wie das Schwein zerlegt wird und welche Teile in die Wurst kommen.“
Fleisch & Co: Gibt es schon eine Strategie für die Wahl 2025?
Doris Steiner: „Die wichtigste Strategie für die Wahl ist, die anderen Betriebe zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Es ist enorm wichtig, wir müssen eine Vertretung zusammenbringen, die uns wirklich repräsentiert. Das ist entscheidend, denn wenn ich mich nicht beteilige, habe ich auch kein Recht, mich später über die Ergebnisse zu beschweren. Wenn wir nicht zur Wahl gehen und die richtigen Leute wählen, wer soll uns dann vertreten? Es ist ähnlich wie in der normalen Politik: Wenn wir nicht hingehen und unsere Stimme abgeben, wer soll dann für uns etwas tun? Es ist ein Privileg, dass wir wählen dürfen. Wie viele Länder gibt es, in denen das nicht möglich ist? Ob ein Kandidat gut oder schlecht ist, muss jeder für sich entscheiden, aber die Wahl an sich ist wichtig. Dafür sollte man sich Zeit nehmen. Wenn man das nicht tut, ist es irgendwann zu spät. Die Zeit, ein Kreuzerl zu machen, sollte man sich nehmen, denn bei dieser Wahl muss man nicht einmal mehr irgendwo hingehen – das kann man alles bequem von zu Hause aus erledigen.“
Fleisch & Co: Zum Abschluss noch die Frage: Was wäre dein größter Wunsch?
Doris Steiner: „Mein größter Wunsch wäre, dass niemand auf Fleisch verzichten muss. Ich wünsche mir, dass jeder die gleiche Freude an Fleisch hat wie ich. Denn für mich wäre ein Tag ohne Fleisch ein verlorener Tag.“
Autorin: Tanja Braune