Sehr geschätzte Damen und Herren,
Die aktuelle Lage im Fleischerhandwerk wirft ein Schlaglicht auf die oft übersehene Rolle dieses traditionsreichen Gewerbes in unserer Gesellschaft. Ich möchte meine Präsentation aber nicht zum Jammern nutzen, sondern sachliche Informationen all jenen geben, die nicht mit den Herausforderungen unseres Berufsstandes vertraut sind.
Die Coronakrise hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Unwägbarkeiten ans Tageslicht befördert. Ein besonders bedeutsamer Aspekt davon ist die nahezu unsichtbare Präsenz des Lebensmittelhandwerks in der politischen Agenda und Medienberichterstattung. Während der Lockdowns wurden Supermärkte und Direktvermarktung als Hauptakteure für den Lebensmitteleinkauf kommuniziert, was zu Fehlinformationen führte. Kunden stornierten Osterbestellungen in Handwerksbetrieben, da sie fälschlicherweise annahmen, diese seien geschlossen – eine Wahrnehmung, die für viele von uns zum Tropfen auf den heißen Stein wurde.
Infolgedessen haben wir, die Fleischermeister LIM Ellinger, LIM Stv. Steiner und ich, eigeninitiativ den Dialog mit der Politik gesucht. Unsere zentrale Frage lautete:
Ist der Politik die Bedeutung des Fleischerhandwerks überhaupt bewusst? Ist man sich über unseren gesellschaftlichen Beitrag im Klaren oder wird dies nur in Wahljahren zur Kenntnis genommen?
Gespräche mit politischen Vertretern, darunter Landeshauptfrau STV Pernkopf und Wirtschaftslandesrat Danninger, haben einen Prozess in Gang gesetzt. Dabei wurden drängende Themen angesprochen, wie die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels, die aggressive Preispolitik, steuerliche Ungleichheiten und die erschwerte Existenz kleiner Handwerksbetriebe im Vergleich zur Direktvermarktung.
Eine bezeichnende Zahl verdeutlicht das Ungleichgewicht: In Niederösterreich gibt es rund 1100 Geschäfte von Fleischern, Bäckern und Konditoren, einschließlich Filialen. Dem gegenüber stehen 5000 Direktvermarkter. Handwerksbetriebe beschäftigen etwa 12.000 Mitarbeiter und tragen durch Löhne und Lohnnebenkosten maßgeblich zum Sozialsystem bei. Ein Beitrag, den die Direktvermarktung nicht in vergleichbarem Maße leistet.
Die Gründung der Marketingplattform FLEISCH-KÖNNER ist unsere Antwort auf diese Herausforderungen. Unsere Ziele sind die Stärkung unserer Mitglieder und die Forderung nach einer Politik, die die Belange von Handwerksbetrieben ernsthaft berücksichtigt. Derzeit fühlen wir uns an die Wand gedrängt, und die Existenz vieler Betriebe ist bedroht.
Im Jahr 1970 gab es in Niederösterreich fast 800 Fleischerbetriebe, heute sind es nur noch knapp 250. Daher suchen wir Unterstützung bei allen politischen Parteien, um den Wert des Lebensmittelhandwerks, insbesondere des Fleischerhandwerks, herauszustellen. Es ist unsere Überzeugung, dass eine Anerkennung durch die Medien und eine bewusste Politik dazu beitragen können, die Vorteile unseres Handwerks dem Konsumenten näherzubringen.
Als Handwerksbetriebe leben wir den „neuen” Zeitgeist, indem wir nachhaltig und Ressourcen schonend arbeiten – das Handwerk „lebt” diesen Weg schon seit über 100 Jahren. Wir schätzen Geschmacksvielfalt, bilden Lehrlinge aus und stehen für regionale Verwurzelung. Dennoch werden unsere Betriebe durch Gesetze, die für Großbetriebe gemacht sind, finanziell und organisatorisch überfordert. Der aktuelle Green Deal der EU mit ESG und der Taxonomie und der Lieferketten Verordnung stellt eine weitere Bedrohung dar, die vor allem Klein- und Mittelbetriebe trifft.
Trotz dieser Herausforderungen möchten wir betonen, dass viele Betriebe am 24. internationalen Wurst- und Schinkenwettbewerb teilgenommen haben. Es erfüllt uns mit Freude und Stolz, dass Politik und Medien Präsenz zeigen, um diese Betriebe zu ehren.
Doch wir appellieren an Sie, uns in unseren berechtigten Anliegen zu unterstützen, damit auch in Zukunft das Kulturgut Fleischerhandwerk Bestand hat.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!