
Es ist viel los. Kleine Kinder drücken ihre Nasen platt an der reich bestückten Vitrine. Würste, Aufstriche, Innereien, allerlei Fleisch gibt’s hier zu sehen. Im Minutentakt kommen die Menschen und holen sich Sulz, Würstel, Blutwurst und Innereien. Auch Rindschnitzerln zum Dünsten, Leberkäs und fetter Speck stehen hoch im Kurs. Gibt’s noch Grammelknödel?, fragt die ältere Dame besorgt. Es ist ein ganz normaler Mittwochnachmittag beim Hödl. Christoph Hödl steht mit einer Mitarbeiterin allein im Geschäft. Am Stehtisch warten zwei Lieferanten beim obligaten Käseleberkässemmerl und einem kühlen Getränk. Was 1954 in einem kleinen Betrieb in Wien-Liesing begann, wird seit 2021 von Hödl in dritter Generation fortgeführt. Derzeit sind knapp 15 Mitarbeiter an dem Standort beschäftigt. Ich schnapp mir rasch Fleischermeister Hödl zu einem Gespräch plus Rundgang.
Der letzte Schlachtbetrieb Wiens
Wir passieren einen Raum, wo zerlegt wird, gehen weiter nach hinten ins Gebäude, biegen ums Eck, und da stehen sie: drei Schweine. Sie wirken entspannt, knurren bloß, als ich ein Bild schieße. Am nächsten Tag werden sie geschlachtet. Jedenfalls: 30 Schweine verarbeitet Hödl pro Woche, erzählt der Unternehmer. „Bei mir wird kein Tier geschlachtet, bevor der Tierarzt die Schlachterlaubnis erteilt hat.“ Beim Rind läuft das ein wenig anders: Die Stiere kommen im Lkw und werden ebendort auch betäubt, sodass sie wenig Stress haben. Ausgekühlt und teilweise verarbeitet, hängt das Rind im Kühlhaus länger ab als Schwein, rund vier bis fünf Wochen. Warum in Wien nur noch die Hödls selbst schlachten? Hödl überlegt kurz, bevor er erklärt: „Das ist eine Frage, die man nicht so einfach beantworten kann. Es gibt mehrere Gründe.“ Er setzt an und beginnt, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu schildern. „Angefangen hat es in den 70er-Jahren mit dem Aufkommen der Supermärkte und Diskonter. Plötzlich gab es Fleisch als Lockartikel auf jedem Flugblatt. Das hat viele Kunden von den Fleischhauern weggezogen. Die kleinen Betriebe konnten nicht mithalten.“ Hödl nimmt eine Atempause. „Dann kamen die Auflagen. Wir mussten immer mehr Anforderungen erfüllen, während gleichzeitig viel gutes Fleisch ins Ausland exportiert und billiges Fleisch importiert wurde. Das ist doch ein Widerspruch, oder?“ Und dann, so Hödl, sei da noch das Thema der Nachfolge. „Viele wollen das einfach nicht mehr machen. Es ist ein harter Job. Ich stehe um 2.30 Uhr auf, arbeite bis Mittag in der Produktion, und dann geht es weiter im Verkauf. Ohne meine Familie wäre das nicht möglich. Mein Vater ist wieder voll mit dabei, meine Mutter macht die Küche, meine Frau hilft im Verkauf und in der Buchhaltung. Es ist dies ein Familienbetrieb durch und durch.“
Die Herkunft
Mit Herkunftsbezeichnungen – sie sind sowieso Pflicht beim Fleischhauer – haben die Hödls kein Problem. Schwein und Rind stammen aus dem Tullnerfeld beziehungsweise dem Wienerwald, das Kalb kommt aus der Buckligen Welt. Das Lamm aus dem Pielachtal, Geflügel aus dem Sulmtal. Wild bezieht man aus eigenen Quellen. Es gibt einiges in Bio, aber: „Ich muss nicht unbedingt alles in Bio haben“, meint Hödl. Bekannt ist „der Hödl“ für Innereien – Bauchfleisch, Leber, Herz, Nieren –, denn da ist Frische Trumpf. „Diese Ware kriegst in Wien kaum“, meint auch Michael Edlmoser.
Der Edlmoser
Nur einige Autominuten vom Hödl entfernt befindet sich, so sagt man in ganz Wien, einer der besten Heurigen der Stadt. 1374 wurde der Name Edlmoser erstmals erwähnt, und auch die Beziehung der Edlmosers zu den Hödls reicht weit zurück. „Schon unsere Großeltern kannten sich“, erzählt Michael Edlmoser. Die Familien sind seither freundschaftlich verbunden. Herkunft wird in der Heurigenfamilie großgeschrieben: „Herkunft ist mir wichtig – und darf auch etwas kosten“, so Michael Edlmoser, der den Heurigen erfolgreich führt. Bei Fleischer wie Winzer geht es ums Handwerk. Die Edlmosers sind von Hödls Qualitäten seit langem überzeugt. Ad Tierwohl: „Wenn Christoph Hödl am Freitag in der Früh auf den Wechsel fährt und seine Kühe holt, dann weiß ich, die haben keinen Stress. Beim Essen will ich dieses Vertrauen haben.“
Die Atzgersdorfer
Bauchfleisch und Karree vom Hödl stehen bei dem vielfach ausgezeichneten Heurigen in Mauer auf der Karte, ebenso diverse Würste und Salami. „Wir sind alle Atzgersdorfer“, lacht Edlmoser, der Regionalist bleiben möchte – auch bei Getränken sowie Gemüse, das seit Generationen vom Großgrünmarkt kommt. Eine Lieblingsspeise, frag ich zum Abschluss? „Das Steak vom Christoph, dazu einen Riesling Kalkstein.“ Gutes Stichwort. Edlmosers Weine spielen zu Recht in der ersten Liga. Aber das ist eine andere Geschichte.