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Neue Führungsspitze

DI Anka Lorencz und Prof. Dr. Reinhard Kainz bilden die neue, für die Branche relevante Spitze auf Bundesebene – im ÖFZ–Interview schildern sie, was die Branche erwartet

von Pia Moik

Seit 1. Juni ist DI Anka Lorencz die neue Bundesinnungsgeschäftsführerin der Lebensmittelgewerbe. Der Fleischbranche zwar bereits weitgehend bekannt, trat sie damit trotzdem wohl in große Fußstapfen. Denn ihr Vorgänger, Prof. Dr. Reinhard Kainz, übte diese Tätigkeit 24 Jahre lang aus. Dieser ist nun Bundesspartengeschäftsführer Gewerbe und Handwerk und bekleidet damit weiterhin eine wichtige Position innerhalb der WKO. Die ÖFZ traf auf eine praxisnahe Powerfrau mit Fleischliebhaber-Familie und einen Routinier mit Wurzeln in der Fleischbranche – im Doppelinterview schildern sie ihre Pläne für die nächsten Jahre.

Dr. Kainz, Sie haben die Fleischbranche sehr lange begleitet. Inwiefern werden Sie mit ihr nun Berührungspunkte haben?
Reinhard Kainz: Im Herzen immer verbunden, aber organisatorisch nun doch ein Stück weit weg. Die Bundessparte ist die Organisationseinheit über den Bundesinnungen, damit gibt es einen direkten Kontakt, aber keinen fachlich so tiefgehenden. Ich bin jetzt für 240.000 Unternehmen zuständig, die alle ähnliche Herausforderungen und Probleme haben.
Welches sind die Gemeinsamkeiten?
Kainz:
Es sind klein- und mittelständische Betriebe, die einem starken Konkurrenzdruck ausgesetzt sind. Hier geht um ein Stärken der Profilierung als Handwerksbetrieb. Das wollen wir auf Brüsseler und österreichischer Ebene als Bundessparte aufnehmen und so die Mitgliedsbetriebe und die Bundesinnungen unterstützen. Großes Thema ist zum Beispiel jetzt die Gefahr der Liberalisierung der Gewerbeordnung.

Was würde das bedeuten?
Kainz: Das würde die Abschaffung der Meisterprüfungen bedeuten. Mein Hauptthema ist es derzeit, dagegen anzukämpfen, und gemeinsam mit den Landeskammern und hier allen Gewerbe- und Handwerksvertretern für die Aufrechterhaltung eines verpflichtenden, qualifizierten Zuganges zu den Gewerben einzutreten. Das ist auch die Grundlage der dualen Ausbildung, die dazu führt, dass es einen Bildungsweg bis zur Meisterprüfung gibt.
Dieses System ist ein Vorzeigefall in Europa. Es zeigt sich, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich und Deutschland, wo das duale Ausbildungssystem umgesetzt wird, sehr gering ist. In den Ländern, die keine duale Ausbildung haben, liegt der Durchschnitt der Jugendarbeitslosigkeit bei 25 Prozent. Das ist ein Erfolgsfaktor, den dürfen wir uns nicht durch irgendwelche Liberalisierungsromantiker vernichten lassen.


Frau DI Lorencz, wie beschreiben Sie Ihren Zugang zum Thema Fleisch?
Anka Lorencz: In meiner Familie hat der Genuss von Fleisch und Fleischwaren schon immer eine große Rolle gespielt. Auch meiner Tochter kann ich alles auf den Tisch setzen, so lange Fleisch dabei ist. Seit über 20 Jahren darf ich die österreichischen Schlacht- und Zerlegebetriebe fachlich betreuen, da die großen Gewerbebetriebe ja Doppelmitglieder der Wirtschaftskammer sind: Aufgrund ihrer handwerklichen Tätigkeit sind sie in der Bundesinnung der Lebensmittelgewerbe verankert und als Fleischgroßhändler im Bundesgremium des Agrar- und Lebensmittelhandels. Hier erfolgte natürlich immer eine Absprache mit Dr. Kainz, welche Themen der Agrarhandel bearbeitet und welche die Bundesinnung. Das hat immer hervorragend funktioniert.
Kainz: DI Lorencz ist ein Glücksfall für die Fleischer, weil sie von Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit an und in ihrem Studium sich mit dem Thema Fleisch befasste. Ihre Diplomarbeit behandelte zum Beispiel die Schweineschlachtung und ihre Auswirkung auf die Fleischqualität. Uns war wichtig, dass nicht nur eine äußerst kompetente Person mir nachfolgt. Es sollte auch eine sein, die fleischaffin ist und die ein sehr großes Know-how in diesem Bereich mitbringt. Und das ist uns mit Frau DI Lorencz gelungen, da sie Fleischkompetenz seit über 20 Jahren verkörpert. Daher ist das eine ideale Weiterentwicklung, für sie als Person und für die Branche.

Frau DI Lorencz, wie kommt man eigentlich als Wienerin zu einem Agrarstudium – und vor allem zu Ihrem Diplomarbeitsthema?
Lorencz: Zu dem Studium bin ich gekommen, weil mich die Themen Tiere und Natur schon immer fasziniert haben, vor allem in Richtung Ernährung und Produktion hochwertiger Lebensmittel. Die Universität für Bodenkultur bietet dafür mit der Studienrichtung Agrarwirtschaft eine solide Basis. Im Laufe meines Studiums habe ich mich dann auf tierische Produkte sowie Agrarökonomie spezialisiert.
Dadurch habe ich jedoch gemerkt, dass mir die landwirtschaftliche Seite allein zu wenig ist. Denn was mich wirklich fesselt, ist die Wirtschaft. Deshalb habe ich zusätzlich auf der Wirtschaftsuniversität den Lehrgang für Exportkaufleute absolviert. Zu meinem Diplomarbeitsthema bin ich gekommen, weil es immer mein Wunsch war, einen Wirtschaftsauftrag als Thema zu bearbeiten.

Wo haben Sie dieses umgesetzt?
Lorencz: Mir wurde vom Geschäftsführer des damaligen AMF-Schlachthofs in Linz angeboten, den Umbau der Betäubungs- und Entblutungsanlage in der Schweineschlachtung wissenschaftlich als praktisches Diplomarbeitsthema zu betreuen. Das sagte mir sehr zu, denn ich wollte etwas machen, woraus ein unmittelbarer Nutzen für die Wirtschaft entsteht. Das erfolgte dann zwar anhand eines großen Betriebes, es war aber als Benchmark für andere Unternehmen gedacht, die sich auf diese Art und Weise in Richtung Fleischqualität entwickeln wollen. Das war eine sehr interessante, spannende Arbeit. Und es war erfreulich zu sehen, mit welchen zum Teil einfachen Maßnahmen große Verbesserungen der Fleischqualität erzielt werden können. Das war auch für mich persönlich als Betreuer dieses Projektes ein sehr schönes Ergebnis.

Werden Ihre Forschungsergebnisse heute umgesetzt?
Lorencz: Leider nicht in Österreich, da der Fokus von dieser speziellen Problematik weggegangen ist. Momentan haben die Schlachthöfe andere Probleme. Zum Beispiel die Tierschutzthemen, die laufend brennen, wie etwa die Umsetzung der Tierschutzverordnung bei der Schlachtung oder etwa die Diskussion um die Ferkelkastration mit dem Problem der „Stinker“, das sich daraus ergibt.

Was kann das Fleischergewerbe von Ihnen als
Bundesinnungsgeschäftsführerin erwarten?
Lorencz: Full Service. Ich sehe uns als Dienstleister unserer Firmen. Das heißt, dass wir auf der einen Seite natürlich als Interessenvertreter tätig sind, auf der anderen Seite auch als Berater der Firmen bei Problemen in der praktischen Umsetzung. Unser Job ist es, bestmöglich die Probleme, Sorgen und Anliegen der Branche sowohl in den nationalen Behörden als auch in Brüssel zu deponieren. Und damit auch tatkräftig bei der Erstellung von rechtlichen Grundlagen mitzuarbeiten. Denn diese müssen ja dann unsere Betriebe umsetzen.
Daher müssen wir unser Bestes geben, dafür zu sorgen, dass diese Grundlagen möglichst wirtschaftsverträglich gestaltet werden. Die Leute, die das da draußen in Brüssel auf Schiene bringen, sind in den seltensten Fällen einmal am Schlachtband gestanden.

Das ist schon richtig. Aber hört Brüssel auch auf Sie?
Lorencz: Der Vorteil ist, dass wir aus unserer Erfahrung heraus Vorschläge bringen können, die im Übrigen von der Kommission in Brüssel auch sehr gerne angenommen werden. Die ist durchaus bereit, uns zuzuhören und uns auch entgegenzukommen. Dazu muss man aber den persönlichen Kontakt zu den Leuten suchen. Man muss sich wirklich hinsetzen und sagen: Passt auf, so geht’s nicht. Euer Ziel ist okay, aber die Methode ist falsch. Dann bringen wir einen Alternativvorschlag, mit dem dasselbe Ziel erreicht werden kann, ohne die Wirtschaft dabei extrem zu belasten.
Auch das ist eine Erfahrung, die ich mitbringe. Ich habe dafür auch ein entsprechendes Netzwerk in Brüssel. Aber wenn man das nach 20 Jahren noch nicht hat, dann hat man den Job als Interessenvertreter ohnehin verfehlt.


Was setzen Sie sich hier für Ziele?
Lorencz: Mir ist es wichtig, für die Firmen da zu sein, vor allem, wenn sogenannte „Erleichterungen“ der Kommission drohen. Denn immer, wenn in Brüssel das Wort „simplification“ fällt, wird es für die Betriebe meistens so richtig kompliziert. Und leider Gottes oft auch teuer.
Und gerade die Fleischbranche ist eine Branche, die hier keinen weiteren Druck mehr verkraftet. Und hier sind wir wirklich als Interessenvertreter gefragt, dafür zu sorgen, dass sowohl in Brüssel als auch in Österreich in der Umsetzung die Kirche im Dorf gelassen wird.
Kainz: Frau DI Lorencz ist eine Insiderin und wird sich für die Belange der Fleischerbetriebe auch voll inhaltlich mit ihrem Netzwerk einsetzen. Sie ist eine Powerfrau, und das entspricht auch der Branche. Das muss man hier auch sein, denn sonst hätte sie nicht 20 Jahre in der Branche bestehen können. Das ist für uns ein ganz wichtiger Grund gewesen, die Verantwortung in ihre Hände zu geben. Ein weiteres wichtiges Thema ist das Freihandelsabkommen mit den USA. Kann man dazu für den Fleischbereich schon etwas sagen?
Lorencz: Das beobachten wir sehr aufmerksam. Gerade der Fleischbereich ist in diesem Abkommen ein sehr heikles Thema, das bisher in den Gesprächsrunden zwischen der EU und den USA wie eine heiße Kartoffel vor sich her geschoben wurde.

Kann man schon sagen, wann sich die Verhandler an das Fleischthema heranwagen?

Lorencz: Hier könnte man nur spekulieren, was sicher nicht seriös wäre. Es kann sich um Monate handeln oder sich noch Jahre hinauszögern. Da muss man einen langen Atem haben – und den haben wir.
Kainz: Es sind hier zwei verschiedene Kulturen und Zugänge zu Lebensmitteln, die aufeinanderstoßen. Allerdings ist der Auftrag der österreichischen Konsumenten klar: Sie wollen keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel und regionale Produkte. Und das werden wir ihnen auch bieten.

Zurück nach Österreich: Frau Lorencz, wie sieht es hier mit Ihren Plänen für die Fleischbranche aus?
Lorencz: Wir wollen das AMA-Handwerksiegel weiterführen, da es eine große Erfolgsstory ist. So können wir den Betrieben etwas an die Hand geben, wodurch sie sich mit klassischem Handwerk abheben können – und zwar als meisterliche Qualität. Es ist ganz zentral, den Konsumenten auch zu sagen, worin der Vorteil meisterlicher Verarbeitung liegt.
Wir möchten den Betrieben so die Möglichkeit geben, mit uns gemeinsam den Weg in eine bessere Selbstdarstellung zu gehen. Denn die Konsumenten fragen: Warum soll ich zum Handwerksbetrieb gehen, was hab ich denn dort, was besser ist? Da muss ich dem sagen können: „Dort bekommst du die meisterliche Qualität. Und dann beiß rein und teste es doch selber!“


Wie meistern Sie inhaltlich den Sprung zwischen Handel und Gewerbe?
Lorencz: Im Lebensmittelhandel, für den ich davor auch zuständig war, gibt es zwar fünf Großbetriebe. Aber der Großteil der Mitglieder sind auch dort Kleinstbetriebe. In Wien sagt man Greißler.
Daher komme ich mit einer sehr großen Erfahrung in die Innung, wenn es darum geht, mit Kleinbetrieben wie mit Großbetrieben zu arbeiten. Es gilt, ein Zusammenspiel, einen Interessenausgleich zwischen den Groß- und den Kleinbetrieben zu schaffen. Den einen gilt es in der wirtschaftlichen Weiterentwicklung zu helfen, aber dabei fokussiert darauf zu achten, dass die Kleinen erhalten bleiben. Denn der Nahversorger ist in Österreich ein Kulturgut.

Was bedeutet das für Sie?

Lorencz: Wir wollen keine Zustände wie in den USA, wo es große Wohnsiedlungen ohne die geringste Infrastruktur gibt. Dort findet auch kein Zusammentreffen der Bevölkerung mehr statt, wie es bei uns bei einem Fleischer oder Bäcker noch der Fall ist. Denn man trifft sich dort und redet ein paar Worte. Hier geht es nicht nur um die tolle handwerkliche Qualität, sondern es geht darüber hinaus auch um den integrativen Bestandteil eines Ortes, um Raum für soziale Begegnungen. Das ist Teil der österreichischen Kulturlandschaft.

Welche Projekte planen Sie noch?
Lorencz: Wir planen den 3. Bundes-kongress der Lebensmittelgewerbe für Herbst 2015. Wir werden natürlich alle nationalen und internationalen Aktivitäten weiterführen, die von Dr. Kainz vorbildlich auf Schiene gebracht wurden.
Als weitere Beispiele dienen die Lehrlingswettbewerbe. Denn man muss den jungen Leuten die Möglichkeit geben, das Erlernte auch zu zeigen. Sie müssen stolz auf ihren Lehrberuf und auf ihr Können sein. Das erreiche ich am besten, wenn ich ihnen die Möglichkeit gebe, an einem nationalen oder gar internationalen Bewerb teilzunehmen und sich dort mit den Besten zu messen.
Und die vielen Preise, die die jungen Leute von internationalen Bewerben mit nach Hause bringen, zeigen, dass das kleine Österreich mit seinem System der dualen Ausbildung goldrichtig liegt und wir keinen Vergleich mit der internationalen Konkurrenz scheuen müssen.
Kainz: Gleich die nächste Veranstaltung, bei der auch wieder das Fleischerhandwerk in der Auslage stehen wird, ist die Wurst-WM in Wels. Wir rufen jetzt schon auf, daran teilzunehmen. Möglichst alle Fleischer sollen diese Chance wahrnehmen, an diesem Produktwettbewerb teilzunehmen. Das dient dem Betrieb selbst als Qualitäts- und Benchmark-Messer und damit aber auch dem ganzen Fleischerhandwerk, das einen Imageimpuls in der Öffentlichkeit bekommt. Anschließend wird hier auch in Wels in der Musterfleischerei in neuem Kleid erscheinen. Und es wird in der Messe Wels nun auch eine Musterbäckerei und eine Musterkonditorei geben.
Lorencz: Das ist das gläserne Handwerk. Der Konsument kann sich selbst ansehen, wie das österreichische Handwerk arbeitet und wie österreichische Produkte gemacht werden. Und er kann’s gleich vor Ort kosten. Das ist wichtig, denn Lebensmittel sind etwas sehr Emotionales. Nur was der Konsument sehen und angreifen kann, ist ihm nahe.


Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit mit den Funktionären?
Lorencz: Ganz ausgezeichnet. Ich kenne KR Dr. Paulus Stuller (Anm., Bundesinnungsmeister der Lebensmittelgewerbe) und Rudolf Menzl (Anm., Landesinnungsmeister der Fleischer und Bundes-Berufsgruppenvorsitzender) schon seit vielen Jahren. Stuller schätze ich wegen seiner integrativen Persönlichkeit sehr. Ich denke auch, dass er während der Zusammenführung der Innungen der Lebensmittelgewerbe der bestmögliche Funktionär war. Da brauchte es seine einende Kraft. Auch Rudolf Menzl schätze ich sehr. Mit seiner Erfahrung als Unternehmer ist er schon in den letzten 20 Jahren mit seiner Fachkompetenz immer da gewesen, wenn ich ihn gebraucht habe. Das rechne ich ihm hoch an, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

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