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Fleisch aus artgerechter Nutztierhaltung

Die heimische Agrarpolitik erkennt die Zeichen der Zeit und trägt ihnen mit  programmatischen Erklärungen Rechnung. „Wer Fleisch nach Österreich importiert, der importiert Risiko und Tierleid“, sagte Niederösterreichs Agrarlandesrat Stephan Pernkopf dieser Tage in der Wiener Spar-Akademie anlässlich der Präsentation der neuen Initiative: „Tann schaut drauf. Für mehr Tierwohl“.

Das Land Niederösterreich lässt es nicht bei Appellen bewenden, sondern unterstützt die Gütesiegel-Bauern finanziell durch die Übernahme der Betriebs-Kontrollkosten, insgesamt rund 550.000 Euro im Jahr.

Die Spar-Tochter Tann ist mit sechs Fleischwerken in Österreich und einem Großhandelsumsatz von rund 700 Millionen Euro der größte Fleischproduzent des Landes. Darin enthalten sind auch die Erlöse der beiden Tann-Auslandstochterbetriebe in Bikse (Ungarn) und Bozen. Seit dem Start des AMA Gütesiegels vor über 20 Jahren ist Tann Wegbereiter und Verfechter dieses Herkunfts- und Qualitätsgarantie-Programms im Einzelhandel.

Mehr Profilierungsbedarf

Heuer, da Hauptmitbewerber Rewe über die Eigenmarke Hofstädter mit dem österreichweiten Rollout des AMA Gütesiegels bei Schweine- und Rindfleisch startete, herrscht bei Spar/Tann verstärkter Profilierungsbedarf. Durch ihr commitment für die freiwilligen AMA Gütesiegel-Module „Mehr Tierwohl“ und „Regionale Herkunft“ will die Tannen-Organisation ihr Qualitätsprofil im Frischfleischgeschäft gegenüber der Konkurrenz schärfen. Mehr Tierwohl-Qualität beim Schweinernen war der erste Schritt, jetzt wird das Angebot um „Tann schaut drauf“-Rindfleisch erweitert. Mittelfristiges Ziel der Spar: Frischfleisch in „Tierwohl“-Qualität soll zehn Prozent Anteil am gesamten Fleischabsatz erreichen. Und damit ein deutlich höheres Volumen erreichen als der Absatz von Bio-Fleisch. Auf der Preisskala ist Tierwohl-Fleisch deutlich billiger als Bio-Fleisch, aber doch um ca. 20 Prozent teurer als Standardware. So kostet im Rahmen der Einführungsaktion „Tann schaut drauf“-Gulaschfleisch vom Rind aus NÖ pro Kilo 9,99 Euro (Kurantpreis: 10.99 €).

Innerhalb der Spar-Gruppe agiert die Zweigniederlassung St. Pölten mit ihrem Fleischwerk als Vorreiter vor den fünf anderen Regionalzentralen. Tann-Betriebsleiter Helmut Gattringer berichtete über rasch wachsende Umsatzerfolge der Zusammenarbeit mit sieben niederösterreichischen Bauern der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf, die seit März 2017 beim AMA Tierwohl-Modul mitmachen. Mittlerweile ist die Anzahl in Niederösterreich auf 17 gestiegen. Österreichweit machen bereits 50 Schweinebauern beim Tann Tierwohl-Projekt mit.

Tierwohl-Standards

Auch beim Tierwohl-Rindfleisch setzt St. Pölten das Startsignal für die Tann-Fleischwerke in den anderen Bundesländern. 17 niederösterreichische Rinderbauern, allesamt Mitglieder bei der EG Gut Streitdorf machen zum Auftakt mit. Die Tierschutz-Auflagen für die Schweine- und Rindermast: Die Tiere haben mindestens 40 Prozent mehr Platz und damit Rückzugsorte. Außenklima-Stallungen bringen Licht und Frischluft, es wird für eine ordentliche Stroheinstreu gesorgt, das Futter ist besonders hochwertig. Während in Oberösterreich die nach dem AMA Tierwohl-Modul gehaltenen Gustino-Strohschweine mit gentechnikfreiem Donausoja gefüttert werden, ist man bei Gut Streitdorf noch nicht soweit. Aber man arbeite darauf hin, sagte Werner Habermann, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft auf Anfrage der Fleischerzeitung. Parallel zum Tierwohl-Start beim Rindfleisch lanciert die Tann St. Pölten auch ein Tierwohl-Sortiment im Wurstbereich. So gibt es ab jetzt bei den Spar Märkten in Wien, Niederösterreich und dem nördlichen Burgenland auch „Tann schaut drauf“-Frankfurter, -Debreziner und -Pariser Kranzl.

Haltung hoch drei

Spar St. Pölten-Geschäftsführer Alois Huber, dessen Bruder im Mostviertel einen Vorzeige-Geflügelmastbetrieb sein eigen nennt, verweist auf die engen Zusammenhänge zwischen den Bedürfnissen moderner, öko-bewegter Konsumenten, der Einstellung moderner Landwirte zu Tierhaltung. sowie den Marketingstrategien der Fleischverarbeiter und des Handels: „Bei ´Tann schaut drauf` dreht sich alles um die Haltung – und das im dreifachen Sinn: Um die Haltung der Tiere durch den Bauern, um die innere Haltung der Konsumenten zum Thema Tierwohl und um die (Er-)Haltung der Wertschöpfung in der eigenen Region, in unserem Fall um die Wertschöpfung in Niederösterreich“. Also Haltung hoch drei – eine Formel für zeitgemäßes Nachhaltigkeits-Business, die man sich merken kann.

Marketing- und Logistikexperte Huber untermauert seinen Befund mit einer aktuellen Meinungsumfrage. Dabei wurde erhoben, auf welche „inneren“ Werte heimische Konsumenten beim Fleischeinkauf besonders achten: 87% nannten das Futter, 86% die regionale Herkunft, 85% die Tierhaltung. Erst wenn die Erfüllung dieser Ansprüche glaubwürdig vermittelt wird – durch das Zusammenwirken von AMA Gütesiegel, einer Nachhaltigkeits-Handelsmarke wie „Tann schaut drauf“, beziehungsweise der Reputation eines lokalen Fleischer-Familienunternehmens – schließt sich der ökonomische Kreis nach der Formel: Die Qualitätsstufe Tierwohl-Fleisch funktioniert nur dann, wenn der Kunde gewillt ist, entsprechend mehr dafür zu bezahlen.

Konsumentenbefragung

„Sind Sie grundsätzlich bereit, für Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung mehr Geld auszugeben“ fragte die RollAMA Motivanalyse im Jahr 2016 1.504 heimische Nicht-Vegetarier.

55% antworteten, sie seien bereit, dafür ein Viertel mehr auszugeben, Also beispielsweise für ein Kilo Fleisch 12,50 € statt 10 €. In diesem Korridor bewegt sich auch die Preispolitik der Spar für die Qualität „Tann schaut drauf“.

23%zeigten sich sogar geneigt, für Tierwohl-Fleisch bis zu 50% mehr zu bezahlen.

Marktforscher wissen freilich, dass beim tatsächlichen Kaufverhalten einige Abstriche gegenüber dieser edlen Selbsteinschätzung vorgenommen werden. Dennoch kann man feststellen, dass eine wachsende Zahl von heimischen Fleisch-Shoppern im Supermarkt und im Fleischfachgeschäft seltener zum billigsten Fleisch greifen, sondern immer öfter höhere Qualitäten und somit auch nachhaltiger produziertes Fleisch bevorzugen.

Weniger ist mehr

Das bestätigt auch die aktuelle RollAMA, die auf die Einkäufe laut GfK Haushaltspanel zurückgreift: Im Jahr 2017 haben Österreichs Konsumenten im Einzelhandel rund 23.000 Tonnen Schweinefleisch gekauft, das sind um 4,6% weniger als 2016. Der Wert dieser verkauften Ware erreichte einen Betrag von rund 167 Mio. € und ist damit um 2,8% gestiegen. Beim Rindfleisch hingegen ging die verkaufte Menge um 4,8% auf 12.600 Tonnen zurück, aber auch der Umsatz sank um 2,4% auf 144,7 Mio. €. Allerdings wuchs die Nachfrage nach Edelteilen: Schweinslungenbraten legte im Vorjahresvergleich mengenmäßig um 4,6% und wertmäßig um 4,3% zu. Der Verkauf an Rindersteaks steigerte sich der Menge nach um 17,7%, das ergibt ein Umsatzplus von 14,2%.

Während in Deutschland die Konsumenten, einer topaktuellen Nielsen-Shoppertrend-Studie zufolge, bei keiner anderen Warengruppe so sehr auf den Preis achten, wie bei Fleisch (und Fisch), lassen unsere Verbraucher beim Fleischeinkauf neben dem Preis auch andere Kriterien wie Geschmack, Regionalität und Nachhaltigkeit gelten. Das zeigt sich auch bei den Aktionsangeboten. Discounter Lidl bewarb kürzlich in der Sonntags-Krone österreichisches Bio-Fleisch. Eine kleine Portionierung sorgte für eine günstige Preisoptik.

Verschiedene Strategien

Bei näherer Betrachtung des Fleisch-Wettbewerbs im Lebensmittel-Einzelhandel und im Gastronomie-Großhandel stellt sich heraus, dass praktisch alle großen Marktteilnehmer im Sinne der Huber-Definition um gute „Haltungsnoten“ bemüht sind.

Die Rewe setzt, vor allem bei den Supermarkt-Formaten Billa und Merkur, auf „Ja!Natürlich“ Bio-Fleisch und besetzt damit die höchste Stufe in der AMA-Qualitätspyramide. Denn das AMA Bio-Siegel schließt die Kriterien der Tierwohl-Haltung automatisch mit ein. Konventionell produziertes Tierwohl-Fleisch, der zweithöchste Level, bleibt, im Gegensatz zur Spar, bei der Rewe aktuell ausgeklammert. Dafür wird zurzeit die Einführung der klassischen AMA-Gütesiegel-Fleischqualität bei Billa und Merkur intensiv beworben.

Bei der Spar hingegen ist Bio-Fleisch die einzige Qualitätsstufe, die nicht unter der Kategorie-Eigenmarke Tann, sondern unter der, das ganze Sortiment umfassenden, Bio-Eigenmarke „Spar Natur pur“ läuft. Sogar im Spar-Vorstand gibt es da unterschiedliche Zuordnungen. Der gesamte Tann-Bereich untersteht dem Vorstandsmitglied Hans K. Reisch, „Spar Natur pur“ fällt in das Ressort des Vorstandsvorsitzenden Gerhard Drexel. Von den sechs Spar Zweigniederlassungen ist die ZN 04 (St. Pölten) bislang die einzige, die neben dem Tierwohl-Modul des AMA Gütesiegels auch dessen Regional-Modul anwendet. Österreichweit verzichten die Tann-Betriebe bei der Wurstproduktion auf den Nachweis und die Auslobung der AMA-GS-kontrollierten regionalen Herkunft.

Hier eröffnet sich eine Marktchance für regionale Filialisten wie MPreis und Sutterlüty und für mittelständische Erzeuger regionaltypischer Wurstspezialitäten. So findet man im Eurospar und den Spar Supermärkten, die das Spar Familienunternehmen Unfried im Raum Korneuburg-Stockerau betreibt, neben dem Tann Eigenmarken-Sortiment auch die Weinviertler Wurstspezialitäten der Fleischerei Hofmann

Auch Discounter mit dabei

Auch Discounterprimus Hofer zeigt starkes Engagement für nachhaltig produziertes heimisches Fleisch. Das Programm „FAIRhof“, zu Jahresbeginn 2017 gemeinsam mit Hütthaler gestartet, sorgte damals für große Aufregung in der Branche, war es doch eine Premiere für den heimischen Lebensmittelhandel, konventionell hergestelltes Fleisch mit einem Tierwohl-Zusatznutzen zu bewerben. Hofer und Partner Hütthaler halten sich weitgehend an die Richtlinien des AMA Tierwohl-Moduls. Knackpunkt zur hundertprozentigen Erfüllung der AMA Auflagen ist, so wird aus Insiderkreisen berichtet, das Thema PH-Wert, da gibt es bislang noch keine Übereinstimmung. Eine starke Marktposition nimmt Hofers Nachhaltigkeits-Eigenmarke „Zurück zum Ursprung mit seinem Bio-Landhendl ein.

Voll mit dabei beim AMA Tierwohl-Modul sind auch Hofers Discount-Rivale Lidl (mit einigen Artikeln) und Gastro-Großhändler Transgourmet, Tochterunternehmen der Coop Schweiz, deren Betriebe, speziell was die Tierhaltung betrifft, sich sehr strenge Regeln auferlegt haben. Wie berichtet, ist die Coop Schweiz mehrheitlich an der Bell AG beteiligt, die im Dezember 2015 Hubers Landhendl übernahm.

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