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Der „Bisoness-Plan“ von Eibiswald

Riesig wie die Tiere selbst sind die Mengen an Bisonfleisch, die bei „Hasewend“ verarbeitet werden. Die Exoten haben nicht nur einer geschlossenen Fleischerei neues Leben eingehaucht – sie sind auch ein kulinarisches Aushängeschild geworden.

Die Bullen in Östereichs Prärie

Man muss sein Vokabular überdenken, wenn man das erste Mal auf dieser Weide steht. Denn die Tier, die Hans Kilger im rumänischen Siebenbürgen hält, ergeben kein idyllisches Bild, wie man es von österreichischen Wiederkäuern kennt.

Auch „lieb“ sieht hier nichts aus: 600 (!) Bisons sind schlicht majestätisch, gigantisch und – ja! – durchaus auch furchteinflößend. Die Bullen, einst als Herren der Prärien millionenfach mit Herden unterwegs, erreichen auch heute noch bis zu 1.200 Kilo. Die wichtigere Zahl für den deutschen Züchter, der mit seinen „Domaines Kilger“ im weststeirischen Wies ansässig ist, lautet aber 350 kg. So viel wiegt der Schlachtkörper, der direkt von der Weide (imposante 27 km2 groß) in die Fleischerei Hasewend nach Eibiswald kommt.

Exoten für die Eigen-Gastro

Dabei war es ein Zufall, dass Hans Kilger die kurz zuvor stillgelegte Fleischerei im Nachbarort seines Feriendomizils – samt angeschlossenem Gasthof und Dorfkino – übernommen hat. Eigentlich investierte der renommierte Wirtschaftsprüfer („Bayern Treuhand“) aus München nach dem Kauf eines Gutshofes in Weingüter in der Steiermark und dem Südburgenland. Winzer-Freund Christian Reiterer machte ihn auf die Fleischerei aufmerksam, die doch gut zu seiner Exoten-Zucht in Rumänien passte.

Immerhin umfassen die „Domaines Kilger“ heute zwei Gasthäuser, einen Bauernladen und einen Buschenschank im Steirischen, dazu kommen Gourmet-Geschäfte in seiner Heimat München sowie am Wiener Naschmarkt („Krawall“) – und natürlich das Fleischerei-Geschäft Hasewend selbst, das dank der Bison-Zerlegung wieder aufsperren konnte.

Hier in Eibiswald begann zu Ostern 2018 das „Unternehmen Bison“. Und mit rund 100 Stück der amerikanischen Riesen aus Rumänien, die jährlich hier verarbeitet werden, ging man es auch im großen Maßstab an. Zum Vergleich: Die größte heimische Zucht, jene der Familie Kocher in Altenmarkt im Triestingtal, umfasst eine Herde von 40 Tieren.

„Das ganze Bison-Wissen haben wir uns von null weg erarbeitet.“

Hermann Kassler, Fleischermeister

Zeit lassen, ist wesentlich

Der Mann, der diese Fleischmengen für die Kilger-Betriebe zu Spezialitäten wie Kochschinken, Salami oder Leberkäse verwandelt, ist ein Routinier, der nur unweit von Eibiswald lebt. „Ich bin jetzt seit 41 Jahren Fleischer“, erzählt Hermann Kassler. Viel hat er seit seiner Lehrzeit gesehen, von steirischen Betrieben, die längst geschlossen wurden, bis hin zu sibirischen Zerlegungsbetrieben.

Seine Freude an der kleinen Produktionsstätte in Eibiswald, in der er mit nur einem Kollegen Spezialitäten von hierzulande kaum bekannten Tieren kreiert, ist fast greifbar, wenn Kassler die alte Selchkammer öffnet oder den Kutter in Betrieb nimmt. Kassler sieht die industrielle Fleischerei daher auch kritisch, betont aber vor allem den Unterschied zu seiner heutigen Tätigkeit: „Der Chef lässt unseren Produkten die Zeit, die es für gute Qualität braucht.“ Das beginnt beim vierwöchigen Abhängen der „Englischen“, aus denen später die Filets für das angeschlossene Wirtshaus geschnitten werden, und geht bis hin zur Salami. Sie war eines der Stücke, die Kassler am meisten tüfteln ließen. Denn: „Wir haben unser Bison-Wissen von null weg erarbeiten müssen.“

Geschlachtet wird auf der Weide

Eines schönen Tages im vorigen Jahr stand der LKW mit den Tieren aus Siebenbürgen in Eibiswald. „In welche Geschmacksrichtung das überhaupt gehen kann“, musste auch der Fleisch-Profi erst herausbekommen. Heute kommen die Lieferungen jeweils mit zehn Bisons, die direkt auf der Weide geschlachtet werden („die schonendste Variante“, so Kassler), in die Fleischerei. Es sind nicht die einzigen Tiere, die hier verarbeitet werden.

Die Hirsch-Gehege der Weststeiermark liefern ebenfalls Nachschub, dazu kommen die gut 60 Wasserbüffel, die ebenfalls in Rumänien ihren Auslauf haben. Selbst Yaks und Himalaya-Thars umfasst die Menagerie Kilgers. Aktuell verhandelt man mit ersten Partnern, die das Fleisch auch anbieten wollen, doch das ist noch Zukunftsmusik. Denn auch, wenn 35 Tonnen Bison viel klingen, verteilt sich die Produktion von Burger über Gulasch im Glas bis hin zu den diversen Würsten der Fleischerei auf eine Reihe von Kreationen Kasslers.

Feinfaserig und sehr fettarm

Was sich da heute anhand der „Hasewend“-Produktliste wie ein Wunschzettel für Gourmets liest – etwa mit Polnischer (13,90 Euro/Kilo), Käsekrainer (14,90 Euro) oder Rohschinken (54,90 Euro) vom Bison – musste für das extrem feinfaserige Fleisch erst einmal erarbeitet werden. Vor allem die Gewürzmischungen machten es Kassler recht schwer; sie sollten den Eigengeschmack untermalen, aber nicht übertönen. Unkonventionelle Lösungen wie das Beizen in Inländer Rum lässt er sich daher nur ansatzweise entlocken, der Rest bleibt Betriebsgeheimnis.

Einen kleinen Einblick, wie man aus Bison klassische Wurstsorten macht, gibt es beim Besuch von Fleisch & Co aber doch. Bei der Salami lautete die Lösung, das Fett bewusst gröber zu belassen, „ansonsten hätte das nicht funktioniert“. Auch der Leberkäse, den es neben der Natur-Verison sowohl mit Chili als auch mit Kürbiskernen (man ist ja in der Steiermark!) gibt, erfährt eine ordentliche Schweinefleisch-Zumischung.

Der Bison selbst gilt schließlich als ernährungswissenschaftlicher Geheimtipp, da er kaum Fett und Cholesterin enthält (der Anteil liegt niedriger als z. B. beim Hühnerfleisch). Dazu kommt ein erhöhter Gehalt an den Spurenelementen Zink und Selen, was vor allem Sportmediziner auf die Fleisch-Spezialitäten aufmerksam ge- macht hat. Serviert man Bison-Steaks wie das Gasthaus Hasewend, darf man sie ja nicht übergaren. Dann allerdings überrascht der intensive Geschmack, der mehr an Wild, denn an Rind erinnert.

Für alle Steak-Liebhaber brät man gerne Wasserbüffel – eine weitere Tierart der Domaines Kilger – und Bison nebeneinander im Ganzen, um das Fleisch aromatisch auf einem Teller vergleichen zu können. „Surf ’n Turf“ kann schließlich jeder servieren. „Bis ’n Buff“ gibt’s aber nur in der Weststeiermark.

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