Die EU-Mitgliedsstaaten im ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCOPAFF) konnten heute keine qualifizierte Mehrheit für die Erneuerung der Zulassung von Glyphosat erzielen.
In den kommenden Wochen werden die Mitgliedsstaaten erneut zur Abstimmung über den Vorschlag der EU-Kommission zur Wiederzulassung eingeladen. Es wird erwartet, dass die Kommission den Vorschlag anpassen wird. Sollte erneut keine qualifizierte Mehrheit erreicht werden, liegt die Entscheidung allein bei der Kommission.
EU-Mitgliedstaaten erzielen keine Einigung über Glyphosat-Zulassung
Der SCOPAFF muss mit einer qualifizierten Mehrheit (55% der Mitgliedstaaten, die 65% der EU-Bürger und Bürgerinnen repräsentieren) für eine Verlängerung stimmen, damit diese durchgeht. Da der Ausschuss keine Mehrheit gefunden hat, wird es in den kommenden Wochen eine Berufungsinstanz geben. Die Kommission kann inzwischen einen neuen Vorschlag vorlegen.
Die Zulassung für Glyphosat läuft am 15. Dezember 2023 aus. Wenn bis dahin keine Entscheidung getroffen wird, wird die Kommission die Zulassung wahrscheinlich übergangsweise verlängern, wie schon 2022.
Glyphosat-Zulassungsentzweiung in der EU: Ein Misstrauensvotum
“Es ist ein Misstrauensvotum gegen die EU-Zulassungsbehörden EFSA und ECHA, dass die Mitgliedstaaten heute einer Zulassung von Glyphosat nicht zugestimmt haben”, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei GLOBAL 2000. “Leider ist das Misstrauen berechtigt. Die Behörden haben Glyphosat einen Freibrief erteilt, obwohl unabhängige Studien – und teilweise auch die Studien der Hersteller – deutlich zeigen, dass Glyphosat die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung nicht erfüllt. Zudem stehen die Antragsteller im Verdacht, unvorteilhafte Studien und Daten zurückgehalten zu haben.”
Neue Glyphosat-Forschungsergebnisse werden erwartet
Am 25. Oktober werden auf der internationalen wissenschaftlichen Konferenz Umwelt, Arbeit und Gesundheit im 21. Jahrhundert in Bologna neue Forschungsergebnisse aus der multi-institutionellen Global Glyphosate-Studyvorgestellt. Die dort präsentierten Daten stammen aus der umfassendsten unabhängigen toxikologischen Studie, die jemals über Glyphosat und glyphosat-haltige Herbizide durchgeführt wurde.
“Wir hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger:innen die Ergebnisse dieser unabhängigen Forschung bei ihrer für die Gesundheit der Europäer:innen und die Umwelt folgenschweren Entscheidung berücksichtigen werden”, sagt Burtscher-Schaden abschließend.
Srahat Wiener, Verhandlungsführerin der neuen Pestizidverordnung, kommentiert:
“Die heutige Abstimmung zeigt, wie umstritten Glyphosat ist. Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf eine Verlängerung einigen, senden aber auch kein klares “Nein”. Jetzt muss es einen neuen Vorschlag geben: Angesichts der verheerenden Datenlücken, der Beeinträchtigung der Biodiversität und dem hohen Risiko für Säugetiere sollte die Kommission zumindest starke Einschränkungen vorschreiben und die Zulassung nur um 5 Jahre verlängern. Besser wäre jedoch ein Komplettausstieg aus Glyphosat, auch im Sinne des Vorsorgeprinzips. Das Breitbandherbizid verringert Regenwurmpopulationen und schadet der Bodengesundheit, dabei gibt es genügend Alternativen von weiten Fruchtfolgen bis hin zu flacher Bodenbearbeitung. Für eine robuste, vielfältige Landwirtschaft ist das Unkrautvernichtungsmittel nicht notwendig, im Gegenteil.”
Glyphosat-Ende von Mehrheit Unterstützt
Clemens Stammler, Landwirtschaftssprecher der österreichischen Grünen im Nationalrat und Obmann der Grünen Bäuerinnen und Bauern, ergänzt: “Ein Ende der Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel wird laut jüngsten Umfragen von 60% der befragten EU-Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Für die nächste Abstimmungsrunde müssen mehr Mitgliedstaaten Farbe bekennen und dem Beispiel Österreichs folgen: Ein Nein zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat ist jetzt das Gebot der Stunde. Ich appelliere an die Entscheidungsträgerinnen und -träger, sich nicht länger mit Enthaltungen aus der Verantwortung zu ziehen.”