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Robert Mühlecker über die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) und ihre Tücken

„Ich würde mir mehr Rechtssicherheit im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung wünschen“ – mit dieser Bitte schloss Bundesinnungsmeister Raimund Plautz seinen Kommentar in der vorigen Ausgabe von Fleisch & Co. Doch wie sieht es wirklich mit der LMIV aus? Wir haben den erfahrenen Experten Dipl.-HLFL- Ing. Robert Mühlecker um seine Einschätzung gebeten.

Aufbauend auf den Kommentar von Innungsmeiser Raimund Plautz widme ich mich nun dem Thema der Lebensmittel-Informationsverordnung in der Fleischbranche aus einer neutralen, fachlichen Blickrichtung. Seit meinem Eintritt ins Berufsleben im Jahr 2000 habe ich mit dieser Angelegenheit zu tun und konnte bisher viele wertvolle Erfahrungen sowie Erkenntnisse sammeln. Dem Statement von Innungsmeister Plautz, dass die LMIV komplex bis kompliziert und oft auch schwer verständlich ist, stimme ich vollumfänglich zu. Mit der Tatsache, dass diese von der Fleischbranche hervorragend umgesetzt wurde, nicht so ganz. Für mich stellt sich die Situation aus einer anderen Perspektive dar.

Es wurde versucht, die LMIV nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen. Bei vielen Betrieben hat dies schon gut geklappt, zahlreiche tun sich immer noch schwer und manche haben sich schlichtweg zu wenig mit der Materie auseinandergesetzt. Das emotionelle Problem an der Sache ist vergleichbar mit der Schule. Man hat sich nach eigener Einschätzung ausreichend gut auf eine Schularbeit vorbereitet und bekommt dann letztendlich ein „Gerade noch genügend“ oder ein „Nicht genügend“. Man könnte auch sagen, ja dieses Fach ist verdammt schwer. In der Schule war man halt enttäuscht, bei einer Falschkennzeichnung bekommt man zusätzlich auch noch eine Strafe aufgebrummt. Das Thema mit den AGES-Gebühren sehe ich auch so. Sobald ein Formalfehler vorliegt und dies nicht „nur“ als Hinweis, sondern als Abweichung im Gutachten erwähnt wird, wird die gesamte Untersuchungsgebühr oder Teile davon, in Form eines Verwaltungsstrafverfahrens über die Bezirksverwaltungsbehörde eingehoben. Und dabei handelt es sich wirklich oft um Bagatellen. Hier besteht definitiv ein Nachjustierungsbedarf.

Nichtsdestotrotz sollten wir dem „WARUM“ genauer auf den Grund gehen und uns der Frage bezüglich einer eventuell fehlenden Rechtssicherheit annehmen.

Warum tun sich vor allem die Handwerksbetriebe mit der Umsetzung der LMIV so schwer?

Vorweg sei erwähnt, dass es sich wahrhaftig um eine sehr komplexe rechtliche Thematik mit zahlreichen „Stolpersteinen“ handelt.

Wie viele Verordnungen auf nationaler und EU-Ebene muss ein Fleischer, welcher noch selbst schlachtet, zerlegt, verarbeitet und in seinem Fachgeschäft als verpackte Produkte verkauft, einhalten, um rechtskonform zu handeln? Was glauben Sie? Schätzen Sie einmal! Es sind in Summe etwa 40 Verordnungen, rund zehn nationale Leitlinien und ein paar Kapitel im österreichischen Lebensmittelbuch (Codex).
Und da geht es „nur“ um die Kennzeichnung und den Verkauf von verpackten Lebensmitteln im eigenen Geschäft. Bei den Bäckern sieht es übrigens sehr ähnlich aus. Eine konsolidierte Fassung bzw. eine kompakte und zusammenfassende Gesamtübersicht gibt es de facto nicht.
Die Innungen und sonstige unterstützende Organisationen sind zwar stets bemüht, die Produzentinnen und Produzenten mit aufbereiten sowie fundierten Informationen zu versorgen, jedoch kann die Fülle an Informationen nicht (mehr) verarbeitet werden. Kurzum, es ist „too much“ für die Branche. Und dies, nicht nur für die kleinen, sondern auch für die großen Betriebe. Und keiner oder keine kann hier einfach die Stopptaste drücken. Im Gegenteil, die Anforderungen werden mehr und mehr. Auch hier bedarf es einer Anpassung beziehungsweise einem aktiven Entgegensteuern.

Resignation und Frustration – die Betriebe sind überfordert

Ein weiterer Grund ist der „Faktor Mensch“. Man benötigt mittlerweile ein derart umfangreiches Fachwissen, um die Lebensmittelkennzeichnung korrekt in die Praxis umsetzen zu können, welches eben viele Unternehmerinnen und Unternehmer nicht (mehr) haben. Beziehungsweise haben sie schlichtweg keine Zeit, sich fortzubilden oder ihre Mitarbeiter auf einschlägige Kurse und Workshops zu schicken. Der Fokus liegt hier klar auf den wichtigen Themen wie der Produktqualität, der Lebensmittelsicherheit und der Produktion. Aber auch diese Situation spitzt sich zurzeit eklatant zu. Und schlussendlich kommen noch Resignation und Frustration dazu. Die Betriebe versuchen es immer und immer wieder, die Kennzeichnung anzupassen. In der Praxis sieht es dann so aus: Ein Produkt wird korrigiert und in Ordnung gebracht und bei der nächsten Probenahme passt ein anderer Artikel wieder nicht. Das treibt manche fast in den Wahnsinn oder in den Nihilismus.

Hier ein Beispiel aus der Praxis rund um die LMIV

Ein mittelständischer Fleischverarbeitungsbetrieb macht brav seine Hausaufgaben und deklariert seit einer Anpassung des Codex Kapitels B14 im Dezember 2022 in der Zutatenliste, wenn eine Wursthülle essbar ist, in Form einer Benennung der jeweiligen Art. Zum Beispiel „Schafsaitling“, „Collagen-Wursthülle“ oder „Zellulosefaserdarm“. Im Rundschreiben des Koordinationsbüros Fleischwirtschaft der WKO wurde dies auch entsprechend kommuniziert. So weit, so gut.

Anfang 2023 erfolgten dann die ersten amtlichen Probenziehungen und es wurde diesbezüglich nichts beanstandet. Für 100 g Cabanossi werden 150 g Schweine- und Rindfleisch verwendet. Zutaten: Schweinefleisch, Rindfleisch, Speck, Speisesalz, Gewürze, Dextrose, Zucker, Würze, Knoblauch, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure; Stabilisator: Diphosphate; Konservierungsstoff: Natriumnitrit; Aroma, Gewürzextrakte, Collagen-Wursthülle, Buchenholzrauch.
Im Oktober 2023 wurde eine erneute Probe im Lebensmittelgroßhandel gezogen und eine Untersuchung ( Vollanalyse) durchgeführt.
Im Jänner 2024 wurde schließlich eine Strafverfügung zugestellt und ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Unter anderem wurden beanstandet, dass das Verzeichnis der Zutaten unvollständig ist, weil die Zutaten der zusammengesetzten Zutat „Collagen-Wursthülle“ nicht in der Zutatenliste angeführt werden. Bis dato stellte das kein Problem dar bzw. wurde dies vorher nie von einer Behörde als auch bei Untersuchungen im Rahmen der Eigenkontrolle beanstandet. Das Unverständnis sowie der Unmut seitens des Unternehmers waren groß und es gab reichlich Diskussionsbedarf. Diese Angelegenheit ist bis dato noch nicht abgeschlossen.

Wie sieht es mit der Rechtssicherheit aus?

Mit diesem Beispiel komme ich nun zum Thema Rechtssicherheit. Auch an dieser Stelle sei vorweg erwähnt, dass die österreichischen §-73-Lebensmittelgutachter objektiv und unabhängig ihren Job machen und es sicher nicht leicht ist, alle handelnden Personen auf einem einheitlichen (homogenen) Interpretationslevel der LMIV zu haben bzw. zu halten.

In der LMIV und den sogenannten Bei-Verordnungen existieren in manchen Bereichen definitiv noch zu viel Interpretationsspielräume. Da scheiden sich die sogenannten Geister. „Recht haben, aber auch Recht bekommen – sind zwei Paar Schuhe.“ Diese Redewendung ist in Österreich nichts Neues bzw. kommt diese von nicht irgendwo her. Es wird dafür schon seine Anlassfälle gegeben haben.

In gewisser Art und Weise trifft dies auch bei der Lebensmittelkennzeichnung zu. Es gibt viele unterschiedliche Ansichten und Auffassungen. Bei Unstimmigkeiten kommt es dann zu (konstruktiven) Diskussionen und im schlechtesten Fall zu einem Rechtsstreit mit der Behörde. Und das will wirklich keiner. Für die Lebensmittelunternehmer ist so eine Angelegenheit immer mit Zeit, Geld und Nerven verbunden. Und derzeit zwickt es ja bekanntlich an allem. Des Weiteren fällt es den Betrieben schwer die Formulierungen inhaltlich zu verstehen und die Strafverfügung innerhalb der Fristen (meistens zwei Wochen) entsprechend zu beeinspruchen bzw. thematisch so fundiert Stellung zu nehmen, sodass das Verfahren im Idealfall gleich eingestellt wird oder die Strafen für die Verwaltungsübertretung reduziert werden. Man benötigt dazu meistens eine externe fachliche Unterstützung oder gar einen Rechtsbeistand. Und das kostet eben auch noch zusätzlich Geld. Somit entsteht dann oftmals das Gefühl, dass man sich „ungerecht“ behandelt fühlt und nicht weiß, was man dagegen unternehmen kann oder soll. Kurz zusammengefasst kann die derzeitige Lage bzw. die Stimmung innerhalb der Lebensmittelbranche als mies und unzufriedenstellend beschrieben werden. Ich denke, dass sehen sowohl die Produzent:innen sowie die Gutachter:innen so. Bei der letzten Schwerpunktaktion der AGES für durch Hitze haltbar gemachte Lebensmittel in dicht schließenden Behältern (z. B. Gerichte im Glas) wurden 65 % der geprüften Produkte beanstandet. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein! Ich bin sehr gespannt, wie sich das alles noch entwickeln wird.

Produktbeispiel mit Fehlern. © Beigestellt

Kennzeichnungsfehler vermeiden

Hier haben wir ein Produktbeispiel: Leberkäsebrät mit der Auflistung der Deklarationsfehler und der korrekten Kennzeichnung.

  • Die QUID-% von Rind- und Schweinefleisch fehlen (65 % Rind- und Schweinefleisch).
  • Der Klassenname Konservierungsmittel ist falsch (richtig ist: Konservierungsstoff).
  • Die Bezeichnung des Zusatzstoffes Natriumnitrat ist falsch und irreführend (merke: E250 = Natriumnitrit).
  • Detaillierte Zubereitungshinweis fehlt (Beispiel: Im vorgeheizten Backrohr bei 180 °C Heißluft ca. 40 Minuten backen).
  • Die Verkehrsbezeichnung ist unvollständig (richtig: Leberkäsbrät roh).
  • Die Angaben für die Verwendung nach dem Öffnen fehlen (Beispiel: Nach dem Öffnen sofort zubereiten.)
  • Die Hinweise auf die Einhaltung der Küchenhygiene inkl. dem Durcherhitzen fehlen (Küchenhygiene ist wichtig! Kühlen, sauber arbeiten und vor dem Verzehr vollständig durcherhitzen!)
  • „Mindestens haltbar bis“ ist nicht korrekt; bei leicht verderblichen Lebensmitteln muss ein Verbrauchsdatum angeführt werden (richtig: zu verbrauchen bis: …).
  • Die angeführte Lagerungsbedingung ist zu hoch (richtig: gekühlt lagern bei 2–4 °C).

Autor: Robert Mühlecker

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