Ob Produkte komplett auf Pflanzenbasis, Cultured Meat oder Blends – das Angebot an Fleischersatzprodukten steigt stetig. Sie sollen für Veganer, Vegetarier und Flexitarier sowie für Fleischliebha- ber eine Alternative sein. Aber wie wird aus der Pflanze ein Schnitzel? Was muss der Lebensmittel- und Fleischhandwerker dabei beachten, um seinen Kunden auch wirklich gute Alternativen anbieten zu können? Wie werden die Produkte im Supermarkt angenommen? Und welches Potenzial haben sie langfristig?
Im Online-Gespräch der Talkreihe von forum.ernährung heute sprach Elisabeth Sperr mit Univ.-Prof. Dr. Ing. Henry Jäger, Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, über „Fleischersatz – Hype oder echte Alternative!“ Das Gespräch kann auf www. forum-ernaehrung.at nachgesehen werden. Wir haben die wichtigsten Aspekte aus dem Gespräch für Sie zusammengefasst.
Sensorische Eigenschaften
Fleischersatzprodukte sollen Fleisch und dessen sensorische Eigenschaften, Geschmack oder Mundgefühl imitieren. Sie werden meist aus Soja, Lupinen und Erbsen hergestellt. Der Marktanteil der Ersatzprodukte beträgt gegenüber konventionellem Fleisch aktuell zwar nur ein Prozent, wächst jedoch stetig. Zusätzlich gefördert wird diese Entwicklung durch eine steigende Vielfalt an unterschiedlichen Rohstoffen und Pro- dukten sowie einer zunehmenden Ähnlichkeit mit Fleisch, weshalb immer mehr Menschen zu dieser Alternative greifen.
Barrieren abbauen
Damit Fleischalternativen stärker angenommen werden, sind jedoch bestehende Barrieren abzubauen. So ist der Preis im Vergleich mit Fleisch und Fleischprodukten für viele Menschen zu hoch. Hier rechnet Henry Jäger durch künftig höhere Standards in der Tierhaltung und der Verarbeitung mit steigenden Fleischpreisen, während jene für Fleischersatzprodukte durch eine effizientere Herstellung sinken werden. Daher wird dieser Faktor an Bedeutung verlieren, so der Experte.
Zum Abbau einer weiteren Barriere, dem fehlenden Wissen über die Zubereitung, empfiehlt der Experte einen Ausbau der Ernährungs- und Verbraucherbildung vor allem in Kindergärten und Schulen, um bereits in frühen Jahren eine Experimentierfreude und ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln. So können die Kinder und Jugendlichen bereits früh an eine pflanzenbetonte Kost herangeführt werden, was langfristig zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beiträgt. Auch für Erwachsene sollten Informationsangebote geschaffen werden, über die Rezepte und Zubereitungsmöglichkeiten vermittelt werden.
Mundgefühl und Kauverhalten
Die weitaus größte Barriere sind jedoch Textur und Geschmack. Bei Faschiertem und Burgerpatties kann Fleisch vor allem bei Mundgefühl und Kauverhalten mittlerweile wirklich gut imitiert werden und wird von den Konsumenten auch immer mehr angenommen. Bei größeren Stücken gibt es allerdings noch Optimierungspotenzial, um eine fleischähnliche faserige Textur zu erhalten, die den Konsumentenvorstellungen entspricht. Für den Geschmack wird zuerst der Eigengeschmack der Rohstoffe – etwa von Hülsenfrüchten – entfernt, anschließend wird mit Gewürzen ein fleischähnlicher Geschmack erzeugt. Da Zutaten und Nährwerte stark schwanken können, empfiehlt Henry Jäger, die Produkte stets anhand der Lebensmittelkennzeichnung zu vergleichen.
Fortschritte bei Entwicklung
Momentan kann von drei Formen von Fleischersatzprodukten gesprochen werden: Fleisch nachempfundene Ersatzprodukte auf pflanzlicher Basis (z.B. Lupine, Soja, Erbsen), Blend-Produkte (Kombinationen aus tieri- schem und pflanzlichem Eiweiß) sowie im Labor mittels Zellkulturen künstlich erzeugtes In-vitro-Fleisch (Cultured Meat). Eine gesetzliche Kategorisierung gibt es bis dato jedoch nicht.
Die Produkte befinden sich jeweils in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, vor allem bei Cultured Meat gibt es aktuell jedoch Fortschritte: Dieses kann mit Muskelzellen, die auf essbaren Pflanzenproteinen aufgebaut und mit Fett- und Bindegewebszellen angereichert werden, hergestellt und mittels 3-D-Drucker geformt werden. Vor allem in Israel und den USA ist bereits in den nächsten Jahren mit ersten größeren Cultured-Meat-Fleischstücken am Markt zu rechnen. In Europa wird sich die Vermarktung noch verzögern, da vor der Zulassung erst ein Sicherheitsbewertungsverfahren initiiert werden muss.