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Neu in Wien: der Praterwirt und sein „Best of Fleisch”

Wie lange ist es her, dass in der Hauptstadt ein Fleischer nicht zu-, sondern neu aufsperrte? Mit massiven Investitionen kombiniert ein junges Gastronomen-Trio Handwerk – zwei Fleischermeister vor Ort! – mit traditioneller Küche. Und das soll erst der Anfang sein, so die „Praterwirt“-Macher im Gespräch.

Der Schanigarten ist noch nicht fertig aufgestellt, als wir den „Praterwirt“ besuchen, doch es herrscht bereits Betrieb neben der Wiener Nepomuk-Kirche. „Ich hol’ die bestellte Kalbsleber ab“, tönt es gerade aus dem Innenraum. Denn es herrschen unterschiedliche Öffnungszeiten für den Gastrobetrieb (11.30 bis 23 Uhr) und die Fleischerei (in Bedienung ab 11.30 bis 19 Uhr), die in der Praterstraße unter einem Dach logieren. Was nicht die einzige Besonderheit am „Praterwirt“ darstellt, den Mile Palikukovski, Geronimo Schiedlbauer und Simon Steiner heuer im Sommer eröffnet haben. Allen enthusiastischen Eröffnungsartikeln der heimischen Presse zum Trotz sieht Steiner die Kombination rund um Schwein und Rind als etwas recht Normales: „Wir machen ja nichts Neues, sondern das, was früher normal war: Wirtshaus und Fleischerei in einem.“

Allerdings tut das das Trio in einer Art und Weise, wie man sie selten bei einem Neustart sieht. Das zeigen schon die unübersehbaren Bier-Tanks im Lokal, die erstmals in Wien „Budweiser“ ohne Pasteurisierung frisch aus dem Kugelhahn laufen lassen. Es ist nur ein Detail, aber eines das zeigt, dass man hier vielleicht nichts Neues, aber doch viel anders macht.

Vor dem Wochenende werden frische Bratwürste gemacht.
© Bianca Kübler

Gelebte Transparenz des Selbstgemachten

Was auch an der Leidenschaft der Betreiber für gutes Fleisch liegt. Denn kennengelernt hat sich das Trio in einer stadtbekannten Genießer-Location auf der anderen Straßenseite, dem „Dogenhof“. Gastronomische Erfahrung war vorhanden, Steiner etwa leitete länger das „Heuer“ am Wiener Karlsplatz. Im 2. Wiener Gemeindebezirk und dem historischen Ambiente hat man eine neue Stadtgastronomie etabliert, in der unter anderem das Brot selbst gebacken wird und Ostösterreichs bekannteste Genuss-Handwerker ihre Produkte an die Küche lieferten. Diese Vorgeschichte zu kennen ist wichtig, denn letztlich entstand die Expansion mit dem „Praterwirt“ durch die Erfahrungen im „Dogenhof“.

In dritter Generation

Angedacht war dort nämlich, „noch viel mehr auch selbst zu produzieren“. Doch irgendwann stieß man beim laufenden Betrieb an die Grenzen der Küche des beliebten Lokals, so Steiner. Und nach einer Besichtigung des leerstehenden „Nachbarn“ über die Gasse im März 2020 formte sich rasch eine Idee. Zumal das Ecklokal in der Nähe der Kirche und der U 1-Haltestelle Nestroyplatz als Standort ideal erschien: So wurde aus der leeren LIBRO-Filiale, pandemiebedingt dann doch etwas später als gedacht, eine Gaststätte, die knapp 210 Sitzplätze hat – allein der Garten bietet Labstellen für 75 Hungrige.

Wursten, wann es der Kunde will

Während man hier eine wunderbare Alt-Wiener Küche mit täglich frischer Rindsuppe (vom Ochsenschlepp) als Start pflegt, befindet sich das Herz der Fleischerei gleich beim Eingang. Optisch markiert der Übergang von den Fliesen zum Parkett die Trennung zwischen Verkaufstheke und Wirtshaus im 400m2 großen Laden. Hier vorne ist das Reich der beiden jungen Fleischermeister Stefan Bauer und Max Klaghofer, die umringt von den „Englischen“ in Trockenreifung ihrem Handwerk nachgehen. Beide stammen aus bekannten Familien der Branche, die Klaghofers betreiben Fleischereien in Mauerbach und Wien, die Bauers in Arbesbach im Waldviertel. Und so nebenbei geben die versierten Youngsters auch so manchem Städter Nachhilfe in Sachen Lebensmittelhandwerk: „Ist das Fleisch echt?“, wurde Klaghofer letztens gefragt und deutet lächelnd auf den Schweinerücken, der im Schaufenster hängt und sich doch in einem klimatisierten Reifeschrank befindet. „Na, wos denn?!“ Zwei bis drei Wochen hängt es beim „Praterwirt“ ab, Rind wird bis zu fünf Wochen gereift, um dann als perfektes Steak verkauft zu werden. „Die schneide ich dann frisch herunter nach Kundenwunsch“, sieht der Profi einen Vorteil dieser Arbeitsweise. Auch gewurstet wird zwei Mal die Woche frisch, als Spezialitäten gelten Salsicce und Chorizo. „Die machen wir meist vorm Wochenende, wer kann das sonst schon noch?“, sieht Klaghofer einen klaren Vorteil der kleinen Produktion. Denn noch ist man limitiert im Tun, verarbeitet werden die zugelieferten Tier-Hälften und -Teile von Kollegen, die noch selbst schlachten: Christoph Hödl aus Liesing, das oberösterreichische „X.O. Beef“ oder Hans Schmölz aus Tulln erfüllen diese Voraussetzung.

Abwechslung und Saisonalität wird hier wichtig genommen. © Bianca Kübler

Herz-Pastrami und „Flow“-Speck?

Auch die Zusammenarbeit mit Schmölz begann über den „Dogenhof“, erinnert sich Simon Steiner. Als die Küchencrew aus Prag – im Zuge einer Inspirationsreise, der sich auch das Tankbier des „Praterwirts“ verdankt – die Idee einer Rinderherz-Pastrami mitbrachten, setzte der Fleischer sie prompt um. Generell machte Steiner die Erfahrung, „dass auch junge Leute durchaus Innereien mögen“. Weshalb es sie nun auf Vorbestellung im „Praterwirt“ auch an der Theke gibt. Auch der Speck, den Schmölz für Kult-Wirt Josef Floh in Langenlebarn entwickelt hat, liegt neben den Wurstspezialitäten bereit. Der „Flow-Speck“ hat ein beson- deres Qualitätsmerkmal, lacht Simon Steiner: „Den futterst Du ohne Brot weg!“ Auf lange Sicht will man als vollwertige Fleischerei auftreten, das Konzessionsansuchen diesbezüglich läuft bereits. Was nicht selbst erzeugt wird, bietet man nach Möglichkeit entweder über Bestellung bei Kollegen (wie die Innereien von Schmölz) an oder bietet es in den Frischevitrinen an. So findet sich etwas Schmalz von „Mr. Beinschinken“ Roman Thum selbstverständlich neben den Krautsalaten von „Bio-Lutz“. Doch auch hier hat man bereits einige Pläne in petto für den Herbst, wenn alles glatt geht. Dann soll auch die Kühlvitrine, die derzeit mit Getränken bestückt ist, neuen Produkten dienen. Salate, Aufstriche wie Leberpastete und Wildspezialitäten können dann vermehrt für die Kunden vorbereitet werden, schwebt Max Klaghofer vor – „in Selbstbedie- nung, aber dennoch direkt aus der Küche“. Denn an Ideen mangelt es dem Fleischermeister-Duo Bauer/Klaghofer mit Sicherheit nicht. So hat man heuer bereits eine Bärlauchwurst produziert, im Sommer wiederum seien die Bratwürste gefragter, für den Winter wird es mehr Kochwurst geben, schildert Klaghofer den „wurstigen“ Jahresablauf. „Abwechslung und Saisonalität ist und jedenfalls sehr wichtig, letztens gab es einen Pferderücken, auch Lamm haben wir schon angeboten.“

Der Praterwirt-Leberkäse hat sich als absoluter Bestseller entpuppt.
© Bianca Kübler

Ein Investment für die Genuss-Zukunft

Die gute Nachricht in Zeiten des Fleischer-Sterbens: Das Detailgeschäft ist bereits nach einem Monat im „Zweiten“ gut angelaufen, „einzelne Kunden kauften auch schon 20 kg Porterhouse-Steaks“. Dabei stand am Anfang des Investments, das in den Umbau des Geschäfts und eine mehr als professionelle Küche floss, die Überlegung, dass der Fleischerei-Teilnehmer als Imbiss-Theke funktionieren würde, so Mitbesitzer Simon Steiner. Das habe sich nur in einem Punkt bewahrheitet, der aber gleich deutlich über der Planung lag: Denn als absoluter Bestseller neben Kümmelbraten und den Würsten hat sich der „Praterwirt“-Leberkäse entpuppt. Er muss somit auch weitaus öfter nachproduziert werden als geplant. Dieses Indiz, dass es nicht nur Veganer unter den jungen Kunden geben dürfte, bestätigt nach den ersten Betriebswochen auch Simon Steiner: „Wenn Fleisch, dann nur so!“ Damit meint er die Transparenz, die im neuen Lokal wörtlich genommen wird: Das Fleisch, das in der Auslage hängt, wird auch verarbeitet. Eben genau so wie früher!

Autor: Roland Graf

www.praterwirt.com

 

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