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Handwerk & Unternehmen

Gerhard Pockenauer-Gramiller im Interview: „Wir könnten mit einem blauen Auge davonkommen”

Die Lieferungen von Maschinen und deren Ersatzteilen ist für Gerhard Pockenauer-Gramiller dank langjähriger Partnerschaften im Moment gewährleistet. „Bei dieser Preisentwicklung sind wir aber alle gefordert“, so sein Fazit im Fleisch & Co-Gespräch.

Die explodierenden Energiepreise gefährden nicht nur den Wohlstand der Bevölkerung, sie stellen auch die größte Herausforderung für alle Unternehmen des Landes dar. 6.000 Geschäften droht, so schätzt der Handelsverband, bis Jahresende die Schließung, viele weitere stoßen an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Überdies bringen auch der Arbeitskräfte-Mangel, die unterschiedlichen Lieferschwierigkeiten und vieles mehr die Unternehmen zusehends in die Bredouille.

DI Pockenauer-Gramiller im Interview: „Zuversicht trotz Krise!”

Und das betrifft nicht „nur“ die heimische Fleischerbranche, sondern auch die Handelsunternehmen. Entsprechend schwierig ist die aktuelle Situation auch für das Salzburger Familienunternehmen Franz Gramiller & Sohn GmbH. Doch trotz vieler Probleme sieht DI Gerhard Pockenauer-Gramiller im Interview längerfristig auch Zuversicht am Horizont. Sein Tenor gegenüber Fleisch & Co: „Durch kluge Investitionen können Industrie und Handwerk durchaus auch profitieren.“

Fleisch & Co: Eine Krise jagt im Moment die andere. Wie steht es um Ihr Unternehmen?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: Wir sind aus der Coronapandemie an sich sehr positiv gestartet. Die Nahrungsmittelindustrie und das -gewerbe hatten ja, im Gegensatz zu anderen Branchen, immer etwas zu tun, dadurch haben auch wir Zulieferer ganz gute Umsätze gemacht.“

Fleisch & Co: Doch nun stecken wir in der nächsten Krise fest …

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Durch den Krieg in der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekosten-Explosion merken wir schon, dass das Investitionsverhalten etwas zurückgeht. Wir haben ein Stück weit damit gerechnet, da in der jüngeren Vergangenheit natürlich aufgrund von Förderungen einige Investitionen bereits vorgezogen wurden. Dass es jetzt aber so schnell geht, hatten wir nicht auf dem Schirm. Die Kunden warten ab, verschieben und wissen selbst nicht, wo die Reise hingeht. Dass es zum Teil ganz wilde Prognosen gibt, erleichtert die Planungen auch nicht.”

Fleisch & Co: Wie sind Ihre Prognosen?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Die Projektierungen werden natürlich teilweise zurückgefahren, dem entgegen haben wir ein anderes Problem – und dadurch könnten wir vielleicht sogar mit einem blauen Auge davonkommen. Denn der Arbeitskräftemangel macht schon länger sehr große Probleme –, da müssen sich die Produzenten wirklich etwas überlegen, um weiterhin ausreichend produzieren zu können. Damit wird eine Investition in kluge Automation immer wichtiger bzw. oft auch zur einzigen Möglichkeit, die Produktion aufrechtzuerhalten. Heutzutage muss man die Amortisationsrechnung allerdings auf der Basis machen, dass ich mir Personal einspare, das ich eigentlich gar nicht habe. Da gilt es, für den Kunden natürlich immer individuell abzuwägen, was mehr ,schmerzt‘. Damit sind aber nicht nur die Kunden gefordert, sondern auch wir in unseren Beratungen.“

Fleisch & Co: Maschinen statt Arbeitskräfte also?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Durch eine gut geplante Anlage oder Linie erspart man sich nicht nur Personal und somit Lohnkosten, sondern auch viel Zeit. Denn hier erspart man sich nicht nur die Leute, sondern man bekommt gleichzeitig auch mehr Menge durch – eine Maschine kann locker 16 Stunden durcharbeiten. Dazu kommen natürlich noch die Qualitätssicherung und die wichtige Produktionssicherheit im Bereich Hygiene und das sind dann Faktoren, die man nicht monetär festmachen kann, aber die für ein Unternehmen dennoch immens viel wert sind.“

Fleisch & Co: Kann das Fleischerhandwerk hier auch profitieren?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Automatisierung heißt gleichzeitig immer auch Standardisierung. Und der typische Handwerker produziert meist viele unterschiedliche Produkte, da bringt eine Automatisierung nicht so viel. Im Handwerk hat sich gezeigt, dass sich eine kontinuierliche Investition bezahlt macht. Natürlich gibt es hier die sogenannten Generationenmaschinen, das heißt etwa, ein Kutter wird immer nur einmal pro Generation gekauft. Aber um immer am Puls der Zeit zu bleiben, braucht es laufende Investitionen, so kommt es dann nie auf einen Schlag zu einer (viel- leicht sogar unleistbaren) großen Investition. Neue Maschinen bieten viele Vorteile: Sie sind hygienischer, schneller und oftmals vom Handling einfacher. Ein weiterer Vorteil: Viele alte Maschinen sind Stromfresser – eine moderne Ausstattung kann schon ordentlich Energie einsparen. Hier gilt es zudem, zu beachten, dass auch einige Förderungen von der Energieeffizienz (Stichwort: Energieeffizienzgesetz) der Maschinen abhängen. Auch hier sind wir von der Beratung her sehr gefragt.“

Fleisch & Co: Zeichnen sich in der Branche auch weitere Trends ab?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Einer der größten Trends der letzten Jahrzehnte ist das Thema geschnittene Ware, also Slicen. Hier ist natürlich die Automatisation unschlagbar und kann schier unglaubliche Mengen produzieren. Ein weiterer Trend sind Verpackungen und Verpackungsmaschinen. Denn die Materialien ändern sich zusehends – und viele alte Maschinen können mit den neuen recycelten Kunststoffen oder Folien nicht mehr umgehen. Ganz stark sind auch die Kartonfolien, die immer mehr vom Konsumenten gefordert werden –, auch hier braucht es spezielle Verpackungsmaschinen, die damit arbeiten können. Dieser Verpackungstrend zieht sich mittlerweile auch in das Handwerk. So ist eine Tiefziehverpackungsmaschine längst nicht mehr nur in der Industrie zu finden, sondern mittlerweile auch bei vielen Handwerkern. Der Grund sind die Anforderungen von Spar, REWE & Co, die die regionalen Produkte der Fleischereien nur in gängigen Verpackungen annehmen. Da sind die Maschinenhersteller und wir Händler wieder gefordert, die richtigen Lösungen für die Betriebe zu haben.“

Fleisch & Co: Doch richtige Verpackungen braucht es nicht nur für die Lieferung an die Supermärkte …

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Nein – diese geht auch Hand in Hand mit den immer beliebteren Verkaufsautomaten, in den die Produkte ja auch in ansprechender und moderner Verpackung angeboten werden müssen.“

Fleisch & Co: Lieferschwierigkeiten gehören auch zur Tagesordnung – wie sieht es damit in Ihrem Unternehmen aus?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Wir sind mit unseren langjährigen Partnern dankenswerterweise ausgezeichnet aufgestellt, im Moment gibt es mit der Lieferung von Ersatzteilen eigentlich wenige bis keine Probleme. Doch bei den Lieferzeiten kommt es zunehmend zu Verzögerungen, weil die Hersteller manche Komponenten – meistens Elektronikkomponenten aus Asien – aus welchem Grund auch immer nicht bekommen. Das wird uns, glaube ich, noch eine Zeit lang beschäftigten. Was uns aber noch mehr beschäftigt, sind die zum Teil massiven Teuerungen. Manche Bauteile sind sehr energieintensiv, das schlägt sich dann auf die Kosten nieder. Dann gibt es auch Teile, die bestehen aus Materialien, wo das Rohmaterial exorbitant teuer wird. Bei Plexiglas oder Plexikunststoffen gibt es im Moment zum Beispiel Preissteigerungen von rund 400 (!) Prozent. Das ist wirklich unfassbar.“

Fleisch & Co: Diese Teuerung kann man aber nicht an den Kunden weitergeben?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Natürlich können wir es nicht 1:1 weitergeben. Einerseits weil sich die Preissteigerungen wirklich in Dimensionen bewegen, die nicht mehr zu stemmen sind, aber auch weil wir teilweise gegenüber der Kundschaft Preisbindungen und parallel dazu langjährige Kunden-Lieferantenbeziehungen haben. Auf der anderen Seite kann man nicht alles selbst schlucken –, es wäre schön, wenn man von Luft und Liebe leben könnte. Einige Hersteller haben versucht, einen fairen Ansatz zu entwickeln und lassen den Maschinenpreis auf einem Niveau. Je nachdem, wie sich der Rohstoff entwickelt, gibt es dann einen sogenannten Materialteuerungszuschlag. Dieser Zuschlag variiert natürlich und wir weisen es am Angebot aus, dass dieser bei Lieferung noch on Top kommt. Viele Kunden fragen uns, ob es eher teurer oder billiger wird –, das ist aber kaum zu sagen.“

Fleisch & Co: Wie ist Ihre persönliche Einschätzung zur Krise?

DI Gerhard Pockenauer-Gramiller: „Die Welt wird sich weiterdrehen. Die Zeiten sind für uns alle schwierig – und für fast alle Branchen. Während wir alle mit vielen Problemen konfrontiert sind, verdienen sich die Energieversorger krumm und dämlich, das ist schon ein Knackpunkt. Ich denke und hoffe, dass die Regierung, die Politik regulativ eingreifen und irgendwie eine Basis schaffen muss, damit uns allen trotz der Schwierigkeiten noch Luft zum Atmen bleibt. Weil sonst könnte es schon sein, dass der eine oder andere nicht mehr weiter machen wird. Ein Freund von uns ist der festen Meinung, dass das jetzt die sieben Hundsjahre sind – und bald die sieben schönen Jahre kommen. Also sage ich jetzt einfach hoffnungsvoll: 2023 wird positiv.“

Blicken zuversichtlich in die Zukunft: DI Gerhard Pockenauer-Gramiller, Dr. Franz Gramiller und Mag. Barbara Gramiller (vlnr)
Blicken zuversichtlich in die Zukunft: DI Gerhard Pockenauer-Gramiller, Dr. Franz Gramiller und Mag. Barbara Gramiller (vlnr)

 

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