Hos’ aussa, Hos’ aussa“ – rhythmisch erschallt der Ruf zwischen Oktober und Dezember in vielen heimischen Jagdrevieren. Gefolgt wird der Jäger-Singsang vom Rascheln, das die Schützenlinie in Unterholz und abgeernteten Äckern ankündigt. Wenn die Kette der Jäger Halt macht, hat wieder ein Jagdhund seinen Vorderlauf angewinkelt. Waidmännische Vorfreude setzt ein, wenn ein vierbeiniger Gefährte derart „vorsteht“. Denn dann hat er Niederwild entdeckt, das demnächst zur Flucht ansetzen wird. So schnell die Hasen oder Fasane das Weite suchen, trachten die Jäger danach, das Wild zumindest „krank zu schießen“. So nennt man zarte Verletzungen durch das Schrot. Sodann schaltet der geschulte Jagdhund auf den Modus „Nachsuche“ um – er folgt dem „Schweiß“, den Blutstropfen der Hasen.
Gesundes Fleisch
„Sie stehen in der Rangordnung an vierter Stelle“, erklärt Fritz Bauer während der Jagd in der letzten Novembersonne. Nach Hirsch, Reh und Wildschwein wird der Hase nicht nur am Wagramer Hochrain gerne bejagt. Doch das Paradoxon rund um das „magere, gesunde und wohlschmeckende Fleisch“ liegt wie so oft beim Wildfleisch darin, dass es kaum gute Preise bei den Abnehmern erzielt. Rücken oder Keule seien die einzigen Teile, die allenfalls Interesse fänden, bedauert Bauer sen., während Sohn Stefan den Roten Veltliner einschenkt. „Zum Hasen trinken wir den ,Hutzler‘“, ist der Winzer und Waidmann bestimmt, während Mutter Maria die Jagdgesellschaft mit dampfendem Hasenragout versorgt. Die Verwendung der ganzen Tiere, anderswo modern „nose to tail“ genannt ist bei den Freunden des Weingarten-Hasen eine Selbstverständlichkeit seit Jahrzehnten. „Entweder mit weißer oder roter Sauce“, diktiert Mama Maria Bauer den anwesenden Gästen aus der Stadt ihre Lieblingsrezepte. Dass das „rot“ mit frischem Hasenblut „gebunden“ bedeutet, erläutert die Wagramer Meisterköchin nach einer kleinen Pause. Dass das Gericht ähnlich wie in der „Sauce Rouennaise“ der französischen Hochküche funktioniert, die allerdings meist mit Entenblut eingedickt wurde, zeigt die Eignung des Hasen für die moderne Küche.
Vielseitig in der Küche
Um eine Lanze für den Hasen zu brechen, haben sich die Winzerfamilie um Stefan Bauer und Josef Floh von der „Gastwirtschaft Floh“ in Langenlebarn zusammengetan. Zehn Gänge sollen nach der Streckenlegung zeigen, was sich aus den vegetarischen Weingarten-Bewohnern zubereiten lässt. „24 Hasen waren es für die gekochte Wildhasenzunge“, fand der Profi selbst für diese Teile der erlegten Strecke Verwendung. Bewusst wurde der Hasenrücken als wohl bekanntestes Teilstück gleich zu Beginn und relativ unspektakulär
– mariniert und auf Kaki – gereicht. Und in der Tat erwiesen sich die mit Physalis und Ingwer aromatisierte Leber ebenso als Publikumsliebling wie das mit Yuzu aufgefrischte Beuscherl. Peter Zinter, jagender Spitzenkoch, geizte nicht mit Lob: „Die meisten trauen sich diese saure Note nicht einzusetzen; schon lang nicht mehr ein so gutes Beuschel gegessen!“
Im Revier Zinters werden nur so viel Hasen geschossen, wie es Vorbestellungen – zumeist aus dem Bekanntenkreis – gibt. Das Interesse seitens der Fleischer hält sich in Grenzen. Wobei Raimund Mann sen. beim gemeinsamen Essen erzählt, dass sich sogar Wurst aus dem mageren Fleisch machen ließe. „Mit der haben wir seinerzeit sogar eine Auszeichnung gewonnen“, erinnert sich der pensionierte Fleischer, den in der Familie alle „Onkel Schlumpf“ nennen. Die eher fleischarmen Teile (Rippen, Bauchlappen und Vorderläufe) der bis zu sechs Kilo schweren Hasen wiederum eignen sich dem Profi zufolge z. B. für Pasteten, wie sie Stefan Bauers Familie auch für ihre Heurigengäste anfertigt. Im praktischen Glas kann man diese Delikatesse auch mitnehmen.
Perfektes Schmorfleisch
Mit der etwas ironischen „Stelze vom Wildhasen“ brachte Josef Floh auch den zweitbeliebtesten „Cut“ neben dem Rücken auf die Teller. Vorder- und Hinterläufe sind schließlich ein perfektes Schmorfleisch. Die leichte Süße des Hasenfleischs konterkarierte er mit einer Creme aus Radicchio, die feine Bitterstoffe mitbrachte. Und Floh stellt im zehngängigen Menü auch eine immer beliebter werdende Zubereitungsart vor: Asiatische Aromen, die mit dem zarten Fleisch gut harmonieren. So wird in der Sichuan-Küche Chinas gerne Hase verkocht. Vor allem die reichen Salzhändler, deren Gerichte Kenner unter dem „Xiaohebang-Stil“ kennen, bereiteten das Wildfleisch gerne im Wok und mit dem „roten Öl“ mit Chili und Sichuan-Pfeffer zu. Auch Ingwer wird hier gerne eingesetzt – so wie es Floh bei seiner gerösteten Hasenleber tat. Der im chinesischen Stil zubereitete Bao Bun, gefüllt mit Hasen-Bauch und Kimchi, brachte das Wildtier in einer zeitgemäßen „Streetfood“-Variante des Haubenkochs auf die Teller. Beflügelt von den gereiften Magnumflaschen Roter Veltliner und Riesling Stefan Bauers formte sich bei diesem außergewöhnlichen „Schüsseltrieb“ ein seltsamer Gedanke: Vielleicht sollte man es dem chinesischen Tierkreis nachmachen und 2024 ein „Jahr des Hasen“ ausrufen …
Feldhase „Wie eh und je“
Rezept von Maria Bauer, Weingut Bauer, Königsbrunn
Den zugeputzten Hasen zerteilen, mit Lorbeerblatt, Pfefferkörnern, Wacholderbeeren, Piment, Senfkörnern und Salz aufkochen. Dann Gemüse in mundgerechte Stücke schneiden: Karotten, gelbe Rüben, Sellerieknolle und -grün, Pastinake oder Petersilienwurzel, Lauch und Zwiebel. Mit dem Gemüse sowie Rosmarin und Thymian das Fleisch weichkochen. Eine Einbrenn aus Schmalz und Mehl zubereiten, kurz braunen Zucker
mitrösten und mit Cognac ablöschen. Danach mit gutem Rotwein und Hasenfond aufgießen. Mit Wildgewürz (fein gemahlen), Salz und Sauerrahm abschmecken. Das Hasenfleisch vom Knochen trennen und eventuell noch vorhandene Schrotkörnern entfernen. Fleisch dann in der Soße wieder wärmen. Maria Bauers Lieblingsbeilage dazu sind (Erdäpfel-)knödel. Aber das Gericht schmeckt natürlich auch mit Semmelknödel (siehe Foto) ganz wunderbar!
Autor: Roland Graf