Da soll noch einer sagen, Messebesuche brächten nichts. Auf der Ernährungsmesse „Anuga“ vor zwei Jahren entdeckte der niederösterreichische Fleischer Franz Geyer-Schulz erstmalig Salzsteine im Ziegelformat. „Das hat mich zwar fasziniert, aber es blieb bei den Überlegungen, wo ich das bei mir im Betrieb einsetzen kann“, so der 54-Jährige. Heuer im Jänner war es so weit. Das Ende der Eigenschlachtung ließ auch einen Kühlraum ungenutzt. Plötzlich reifte – im wahrsten Sinne des Wortes – die Idee beim Gloggnitzer, dessen Betrieb nach dem Gründer immer noch Baumgartner heißt: Warum nicht einen Reiferaum mit den Salzplatten auskleiden?
3.000 Kilo Salz
Das Know How mußte sich Geyer-Schulz selbst aneignen, zwar wird vermehrt auch Schweinefleisch trocken gereift, doch ein ganzer Raum dafür aus Salz war ein Novum. Immerhin 3.000 Kilo davon trafen in der Stadt im Wechsel-Gebiet ein. Die Details seines einzigartigen Reiferaums behält der findige Fleischer für sich, die technischen Details ähneln der klassischen „Dry ageing“-Methode: 15% Gewichtsverlust sind die Regel. Allerdings wird das Fleisch nicht nur abgehangen, die Salzluft sorgt auch für zarte Würzung. Auf zusätzliches Salzen etwa der aus dem Schopf geschnittenen Stücke verzichten viele Kunden gänzlich. Dass das Salz in der Luft antibakteriell wirkt und auch Schimmel-Bildung unterbindet, hat auch die Abnahme der selbstgebauten Anlage erleichtert. „Wichtig war, dass es sich um keinen Vorbereitungsraum handelt“.
Verbindung mit Gastronomie
300 bis 400 Kilo Fleisch hängen im Schnitt im Schau- und Reiferaum in Gloggnitz. Was für Schweinefleisch gedacht war, hat sich nämlich schnell auch für Rind als interessante Dry Age-Methode herausgestellt. Optimal, so hat das erste halbe Jahr gezeigt, sind vier Wochen Reifezeit. „Danach wird das Fleisch nicht mehr viel besser“, so Geyer-Schulz. Die lokale Gastronomie nimmt das neue Angebot jedenfalls seit März gut an (Bestellungen derzeit nur telephonisch möglich). Das Weikersdorfer Haubenlokal „Jeitler im Steinfeldhof“ etwa hat die Salzstein-Steaks jeden Freitag als Spezialität auf der Karte. „Vor allem sous-vide gegart, das heißt bei uns drei Stunden bei ca. 60 Grad, wird das Fleisch perfekt“, erzählt Michael Jeitler. Beim Eintreffen der Gäste werde das Schweine-Steak dann nur mehr kurz angebraten.
Die Verbindung mit der Gastronomie ist bei Geyer-Schulz nie abgerissen, denn eigentlich hat er die Hotelfachschule absolviert. „Die Gesellenprüfung habe ich ohne Berufsschule gemacht, dann den Meister“, erinnert er sich an die Anfänge. Entsprechend wichtig ist auch der Partyservice und der tägliche Schmankerl-Teller bei „Anton Baumgartner’s Witwe“, wie der 120 Jahre alte Betrieb nach den ersten beiden Besitzern heißt. Dann übernahm Franz Geyer-Schulz‘ Vater die Schlachterei und den angeschlossenen Verkauf. Heute stehen fünf Familienmitglieder im Geschäft; neben Franz und Karin Geyer-Schulz sind auch beide Töchter, Theresa und Christina, sowie der Schwiegersohn Christian im Betrieb aktiv.
200 Essen täglich
Rund 200 Essen werden täglich gekocht, wohlgemerkt ohne einen Sitzplatz im Ladenlokal. Vom faschierten Laibchen bis zur Ente mit Rotkraut werden die Speisen im Kilo-Behälter abgeholt. Auch deshalb ist der „Baumgartner“ kein kleiner Betrieb – 28 Mitarbeiter zählt man aktuell. Gibt es dafür ein Erfolgsgeheimnis? „Du mußt dich immer neu erfinden; was vor 20 Jahren gepasst hat, passt halt heute nimmer“, meint Geyer-Schulz dazu.
Schau- und Reiferaum
Trotz des höheren Preises durch den Gewichtsverlust – 11,50 Euro kostet etwa das salz-gereifte Karree vor Steuern – haben die „Baumgartner“-Kunden das neue Produkt schnell akzeptiert. „Der direkte Blick in den Reiferaum hat viele neugierig gemacht“, so Geyer-Schulz. Sogar bei den Großabnehmern erweist sich das „Leuchtturm-Produkt“, wie es der 54-Jährige nennt, als idealer Gesprächseinstieg. „Ich habe schon einen Fleischer“, habe es da früher oft geheißen – „jetzt kann er das nicht mehr sagen“, ist der Gloggnitzer stolz auf seine Innovation. Die zerlegten Schweine für den Reiferaum kommen heute über den Wechsel in den Betrieb, eine Kooperation mit „Steirerglück“ sorgt für Nachschub.
Denn die Salzstein-Experimente gehen weiter, aktuell liegt ein Pancetta zur Reifung unter den zweieinhalb Kilo schweren Ziegeln. „Geplant ist auch ein eigener Raum für die Würste, den will ich noch heuer fertig bekommen“, will Franz Geyer-Schulz das Salz-Reich noch erweitern. Die erste Auskleidung des Kühlraums wird nach drei Jahren verbraucht sein, schätzt er. „Bei 74% Luftfeuchtigkeit geht Salz in Lösung über“, auf lange Zeit wird die Idealfeuchtigkeit von 60 % nicht immer gehalten. Der schleichende Materialverlust wird aber einfach wieder „aufgeziegelt“. Fünf Jahre will sich noch „Salzreifer“ Geyer-Schulz darum kümmern, dann steht Tochter Christiane und ihr Mann Christian bereit. Und auch die nächste Gloggnitzer Generation ist bereits unterwegs. Es dürfte also auch in Zukunft salzgereifte Spezialitäten aus dem Süden Niederösterreichs geben.