Die Zukunft der Ernährung ist fleischlos. Das heißt aber nicht, dass Wirte kein Schnitzel mehr servieren werden. Denn laut einer Studie des internationalen Unternehmensberaters A.T. Kearney werden im Jahr 2040 bis zu 60 Prozent der Fleischprodukte nicht mehr von Tieren stammen. Für die
Agrar- und Lebensmittelbranche bedeutet das immense Veränderungen und freilich auch für die Gastronomie. Der Studienautor und Landwirtschaftsexperte Carsten Gerhardt spricht von Disruption. Im konkreten Fall geht es der Fleischindustrie an den Kragen. Doch der Reihe nach.
Liebling der Wallstreet
Wohin die Reise geht, zeigte zuletzt der Börsengang des amerikanischen Fleischersatzanbieters Beyond Meat, dessen Aktie zwischenzeitlich um das Neunfache des Ausgabepreises gehandelt wurde. Und das, obwohl das Unternehmen weiter Verlust schreibt. Wie geht das? Die Investoren glauben jedenfalls an große Marktchancen.
Die ÖGZ testete die Burger-Pattys (ÖGZ 10/2019) von Beyond Meat. In der Jury: der vorab skeptische Betreiber des Wiener Augustinerkellers und ehemalige Gastro-Obmann Sepp Bitzinger. Dieser war derart beeindruckt, dass er das Produkt auf die eigene Speisekarte setzte. „Es kommt an“, sagt er. Klarerweise sei der Einsatz von Fleischersatz aber auf wenige Gerichte beschränkt. In seinem Falle: Burger und Bosna (von der Firma Hermann). Doch bald könnte künstliches Fleisch schon in jedemEssen stecken.
Es ist das Ende der Fleischproduktion, wie wir sie kennen“, fasst Carsten Gerhardt, Partner und Landwirtschaftsexperte der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney seine Studienergebnisse zusammen. Der Fleischkonsum wird weiterhin wachsen, allerdings verdrängen neue Fleisch-alternativen und kultiviertes Fleisch zunehmend das gewöhnliche, vom Tier stammende Fleisch.
Der Trend zu Fleischersatz dürfte erst jetzt so richtig ins Rollen kommen, das zeigt die Tatsache, dass alteingesessene Fleischproduzenten derzeit jede Menge Kapital in die Forschung nach Alternativen stecken. In Österreich bietet der Leberkäse-Spezialist Neuburger seit einiger Zeit unter dem Namen Hermann vegetarische Alternativen aus Pilzen an. McDonald’s bietet einige seiner Burger bereits als vegane Variante an, Konkurrent Burger King investiert in Start-ups, die pflanzliche Nahrung herstellen, und der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé glaubt, dass er in zehn Jahren bereits eine Milliarde Euro mit veganen Produkten umsetzt.
Veganer „Gast“-Schwerpunkt
Dass der Trend der fleischlosen Ernährung auch längst in der Gastronomie angekommen ist, zeigt die Tatsache, dass auf der Branchenmesse „Alles für den Gast“ im November in Salzburg erstmals eine „vegane Welt“ inszeniert und damit nichttierischer Ernährung ein Schwerpunkt gewidmet wird. Die Zielgruppe dafür sind längst nicht nur Veganer und Vegetarier. Denn mehr und mehr spielt Umweltbewusstsein in der Ernährung eine Rolle. Da die Anzahl der Menschen von heute 7,6 auf zehn Milliarden im Jahr 2050 anwachsen wird, biete kultiviertes Fleisch die Chance, die Ernährung der Weltbevölkerung dauerhaft und nachhaltig sicherzustellen, folgern die Experten von A.T. Kearney.
Das klingt schön und gut, doch ist das wirklich eine 1:1-Alternative zum Steak, Schnitzel oder einer Bratwurst? Der normale Gast wird doch immer nach dem Original fragen? Der Wiener Gastronom Sepp Bitzinger meint etwa, dass der Geschmack bei Fleischersatz abflaut, wenn die vegetarischen Würstel vom Grill kommen. Es schmeckt halt schnell „letschert“, wie der Wiener sagt.
Fleisch aus dem Labor
Schon heute gibt es aber künstliches Fleisch, das wie Fleisch schmeckt. „In-Vitro-Fleisch“ besteht aus im Labor gezüchteten Muskelfasern aus Stammzellen. Laut Angaben des niederländischen Lebensmitteltechnologieunternehmens Mosa Meat sei es inzwischen gelungen, Fleisch in großen Bioreaktoren mit 10.000 Litern Fassungsvermögen zu züchten. Der einzige Haken derzeit: Der Kilopreis liegt noch im vierstelligen Eurobereich.
Das wird sich aber bald ändern, meinen die Studienautoren von A.T. Kearney. Laut deren Prognose soll bereits 2030 der Preis auf 40 Dollar pro Kilogramm Kunststeak fallen. „Ab dieser Schwelle könnte Laborfleisch massentauglich werden“, heißt es. dan