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Rotes vs. Weißes Fleisch: Überraschende Studie zum Einfluss auf das Darmmikrobiom

Eine neue Studie zeigt: Mageres Rindfleisch der Pirenaica-Rasse hat ähnliche Auswirkungen auf das Darmmikrobiom wie Hühnerfleisch. Für die Fleischbranche könnten diese Erkenntnisse die Vermarktung nachhaltig produzierter Produkte revolutionieren. Erfahren Sie, wie Fleischkonsum die Darmgesundheit beeinflusst und welche Chancen sich daraus für die Industrie ergeben.

Fleischkonsum unter der Lupe: Neue Erkenntnisse zur Darmgesundheit

Die Fleischindustrie steht seit Jahren im Fokus von Gesundheits-, Umwelt- und Ethikdebatten. Während rotes Fleisch oft mit negativen gesundheitlichen Effekten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird, galt weißes Fleisch wie Huhn lange als die „gesündere“ Alternative. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht am 25. Juli 2025 im Fachjournal Molecular Nutrition & Food Research, stellt diese Annahmen nun infrage.

Die Untersuchung zeigt, dass mageres Rindfleisch der Pirenaica-Rasse – eine autochthone Rinderrasse aus den Pyrenäen – und mageres Hühnerfleisch vergleichbare Auswirkungen auf das Darmmikrobiom gesunder junger Erwachsener haben. Für die Fleischbranche eröffnet dies neue Perspektiven, insbesondere im Hinblick auf nachhaltige Produktion und Verbraucherakzeptanz.

Studienaufbau: Ein genauer Blick auf das Mikrobiom

Im Rahmen des DIETAPYR2-Projekts, gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (INTERREG V-A-Programm POCTEFA 2014–2020), führten Forscher eine randomisierte Crossover-Studie mit 16 gesunden jungen Erwachsenen (Durchschnittsalter 20,16 Jahre) durch. Die Teilnehmer konsumierten über zwei 8-wöchige Phasen, getrennt durch eine 5-wöchige Washout-Periode, dreimal wöchentlich entweder mageres Rindfleisch der Pirenaica-Rasse oder konventionelles Hühnerfleisch.

Die Fleischmengen (200 g Rind mit Knochen bzw. 150 g Huhn ohne Knochen) wurden in Universitätsresidenzen in Spanien unter standardisierten Kochbedingungen zubereitet. Stuhlproben, die zu Beginn und am Ende jeder Phase entnommen wurden, ermöglichten die Analyse der Darmmikrobiota mittels 16S-rRNA-Sequenzierung.

Die Pirenaica-Rasse, die extensiv mit lokalem Futter und Weidehaltung gezüchtet wird, steht exemplarisch für nachhaltige Fleischproduktion. Ihr Fleisch zeichnet sich durch einen niedrigen Fettgehalt (1,75–2,28 g/100 g), hochwertiges Protein (23–24 g/100 g) und einen hohen Gehalt an Mikronährstoffen wie Zink und B-Vitaminen aus. Doch wie wirkt sich dieser Fleischkonsum auf die Darmflora aus?

Überraschende Ergebnisse: Keine großen Unterschiede zwischen rotem und weißem Fleisch

Die Studie ergab, dass beide Fleischarten nur moderate Veränderungen im Darmmikrobiom hervorrufen – ohne signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Auf Phylum-Ebene stieg die Häufigkeit von Bacillota (früher Firmicutes) bei beiden Diäten leicht an, während Synergistota, Chloroflexota und Pseudomonadota (früher Proteobacteria) abnahmen. Besonders auffällig war der Rückgang von Chloroflexota in beiden Gruppen, der bei Huhn (p = 0,003) stärker ausfiel als bei Rind (p = 0,043).

Auf Genus-Ebene zeigte sich ein Anstieg von Blautia bei beiden Fleischarten, während SCFA-produzierende Genera wie Coprococcus und Roseburia abnahmen. Die Alpha-Diversität, ein Indikator für die mikrobielle Vielfalt, ging bei beiden Diäten zurück, wobei der Effekt bei Hühnerfleisch signifikant stärker war: Parameter wie Artenreichtum (p = 0,005) und Shannon-Index (p = 0,034) sanken deutlich. Mageres Rindfleisch der Pirenaica-Rasse beeinträchtigte die Vielfalt milder, was auf einen potenziell geringeren Einfluss auf die Darmgesundheit hindeutet.

Metabolische Funktionen: Huhn mit stärkerem Effekt

Die Analyse der mikrobiellen Stoffwechselwege mittels PICRUSt2 offenbarte Unterschiede in der funktionalen Kapazität. Während die Rindfleischdiät die metabolischen Aktivitäten weitgehend stabil hielt – mit Ausnahme eines Anstiegs in Methionin-Biosynthesewegen (p = 0,026) – führte Hühnerfleisch zu signifikanten Reduktionen bei der Biosynthese aromatischer Aminosäuren (p = 0,026) und der Glukoneogenese (p = 0,007). Dies könnte darauf hinweisen, dass Hühnerfleisch die metabolischen Prozesse der Darmflora stärker beeinflusst, was weitere Forschung erfordert.

Bedeutung für die Fleischbranche: Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Die Ergebnisse dieser Studie sind für die Fleischindustrie von hoher Relevanz. Erstens widerlegen sie die pauschale Annahme, rotes Fleisch sei für die Darmgesundheit schädlicher als weißes Fleisch. Mageres Rindfleisch aus extensiver Haltung wie das der Pirenaica-Rasse zeigt sich in punkto Mikrobiom-Einfluss als gleichwertig zu Hühnerfleisch – eine Erkenntnis, die Vorurteile gegenüber rotem Fleisch relativieren könnte.

Zweitens bieten diese Ergebnisse eine Chance, nachhaltig produzierte Fleischprodukte stärker in den Fokus zu rücken. Verbraucher legen zunehmend Wert auf Herkunft, Tierwohl und Gesundheitsaspekte. Die Pirenaica-Rasse, die unter natürlichen Bedingungen in den Pyrenäen gezüchtet wird, steht exemplarisch für extensive, umweltfreundliche Produktionssysteme. Für die Branche könnte dies ein Marketingvorteil sein, um sich von industrieller Massentierhaltung abzuheben und gesundheitsbewusste Konsumenten anzusprechen.

Drittens unterstreicht die Studie die Bedeutung von Zubereitungsmethoden. Hoch erhitzte Techniken wie Grillen oder Braten, die bei beiden Fleischarten angewandt wurden, könnten durch die Bildung von Advanced Glycation End-Products (AGEs) zusätzliche Effekte auf das Mikrobiom haben. Dies eröffnet Raum für weitere Innovationen in der Produktentwicklung – etwa durch die Förderung schonender Garverfahren.

Herausforderungen und Grenzen der Studie

Trotz ihrer Stärken – wie dem robusten Crossover-Design und der standardisierten Zubereitung – weist die Studie Limitationen auf. Die kleine Stichprobe von 16 Teilnehmern schränkt die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse ein. Zudem sind die Effekte spezifisch für die Pirenaica-Rasse und ihre extensive Haltung, weshalb sie nicht direkt auf andere Rindfleischarten übertragbar sind.

Unkontrollierte Ernährungsfaktoren und mögliche Carry-over-Effekte könnten die Daten ebenfalls beeinflusst haben. Dennoch bietet die Untersuchung eine solide Basis für weiterführende Forschung, insbesondere zu langfristigen Effekten und größeren Populationen.

Ausblick: Gesundheit und Nachhaltigkeit im Fokus

Die Fleischbranche steht vor der Herausforderung, sich den steigenden Ansprüchen an Gesundheit und Nachhaltigkeit zu stellen. Die aktuelle Studie liefert einen wichtigen Beitrag, indem sie zeigt, dass mageres Rindfleisch aus extensiver Produktion wie das der Pirenaica-Rasse gesundheitlich mit Hühnerfleisch mithalten kann – zumindest in Bezug auf das Darmmikrobiom.

Dies eröffnet Möglichkeiten, solche Produkte als Teil einer ausgewogenen Ernährung zu positionieren und Verbraucherängste zu entkräften. Zukünftige Forschungen sollten die Langzeiteffekte, den Einfluss verschiedener Fleischarten und die Rolle der Zubereitung vertiefen, um präzisere Empfehlungen für Verbraucher und Produzenten zu formulieren.

Quellenangabe: Rueda-De Torre, I. et al. (2025). Effect of the Consumption of Lean Red Meat from Beef (Pirenaica Breed) Versus Lean White Meat (Chicken) on the Gut Microbiota. Molecular Nutrition & Food Research. DOI: 10.1002/mnfr.70189

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