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Lebensmittelpreise in Österreich – Warum der Fokus aufs Regal zu kurz greift

Die jüngste Analyse zeigt, dass sich die Lebensmittelpreise in Österreich zwischen 2019 und 2024 zwar um 30,1% erhöht haben, aber damit unter dem EU-Durchschnitt (34,3%) und unter dem deutschen Wert (36,8%) liegen. Gleichzeitig sind die Einkommen gestiegen – das durchschnittliche Äquivalenzgesamtnettoeinkommen nahm im selben Zeitraum um 30,7% zu.

Die jüngste Analyse zeigt, dass sich die Lebensmittelpreise in Österreich zwischen 2019 und 2024 zwar um 30,1% erhöht haben, aber damit unter dem EU-Durchschnitt (34,3%) und unter dem deutschen Wert (36,8%) liegen. Gleichzeitig sind die Einkommen gestiegen – das durchschnittliche Äquivalenzgesamtnettoeinkommen nahm im selben Zeitraum um 30,7% zu.
Haushalte hierzulande geben im Schnitt nur rund zehn Prozent ihres Budgets für Lebensmittel aus – niedriger als der europäische Durchschnitt von 13,6 %. © Pixabay

Lebensmittelpreise in Österreich – Warum der Fokus aufs Regal zu kurz greift

Mehr als nur der Endpreis im Regal

Die öffentliche Diskussion in Österreich über Lebensmittelpreise ist derzeit hoch emotional – gerade in Zeiten von Inflationsdruck und gestiegenen Lebenshaltungskosten. Doch Experten warnen davor, nur auf den Endpreis im Geschäft zu schauen. Vielmehr sollte die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden – vom Hof über Verarbeitung, Logistik bis zur Theke.
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat etwa bestätigt, dass der Einzelhandel in Österreich keine systematische Gewinnsteigerung aus der Preiskrise gezogen hat – viele Handelslinien agieren selbst unter massivem Kostendruck.

Preisentwicklung im Vergleich

In den letzten Jahren stiegen die Lebensmittelpreise in Österreich. Gleichzeitig erhöhte sich das Haushaltseinkommen. Dadurch fällt das Verhältnis von Preissteigerung zu Einkommen für viele Haushalte weniger dramatisch aus als angenommen.

Bettcher Trimming
Bettcher Trimming
Zeitraum Lebensmittelpreise Österreich Europäischer Durchschnitt* Einkommen Haushalte
2019–2024 ≈ +30 % ≈ +34 % ≈ +30 %

*Schätzwerte zur Veranschaulichung.

Für Anbieter in Landwirtschaft, Fleischerei oder Verarbeitung heißt das: nicht die Behauptung „wir zahlen übermäßig“ als alleinige Debatte führen, sondern: „Wie setzt sich der Preis zusammen?“

Warum die Wertschöpfungskette entscheidend ist

  • Landwirtschaft & Erzeugung: Kosten für Tierhaltung, Futtermittel, Energie und Umwelt- bzw. Tierschutz steigen. Das betrifft direkt Betriebe – auch Fleischlieferanten und Zerleger.
  • Verarbeitung & Logistik: Kleine Betriebe, regionale Fleischereien oder Metzgereien müssen z. B. hohe Lohn- und Transportkosten stemmen. In Österreich zeigt sich, dass Personalkosten im Lebensmittelhandel über dem EU-Durchschnitt liegen.
  • Handel & Einzelhandel: Der Preis im Regal ist das Endglied einer langen Kette. Wenn der Fokus ausschließlich auf Rabattaktionen oder diskontierten Produkten liegt, droht mittel- bis langfristig ein Rückgang bei Qualität und regionaler Versorgung.

Für Fleischereien bedeutet das: Eine differenzierte Kommunikation gegenüber Kunden hilft – erklären, warum Qualität, regionale Herkunft, Tierwohl etwas kosten.

Handel, Aktion & Rabatt – was bedeutet das für Ihre Fleischerei?

Viele Verbraucher geben an, Bio, Regionalität oder faire Produktion wichtig zu finden – die tatsächliche Kaufentscheidung fällt aber oft preisgetrieben. Rund die Hälfte der Befragten in entsprechenden Studien gab an, konventionelle Produkte zu wählen, obwohl ihnen nachhaltigere Varianten lieber wären.
Für Fleischereibetriebe und landwirtschaftliche Erzeuger bedeutet das:

  • Den Wert von Qualität, Herkunft und Verantwortung stärker inszenieren – nicht nur den „Preis“.
  • Kunden informieren, dass günstiger Preis nicht automatisch heißt „gute Qualität“.
  • Kooperationen mit Handel & Gastronomie prüfen, die Wertschätzung für regionale Produkte höher stellen.
  • Regionale Herausforderungen: Auch der Nahversorger im Fokus

Eine aktuelle Studie zur Nahversorgung zeigt: In vielen kleinen Gemeinden Österreichs ist der Lebensmittel-Einzelhandel bereits stark rückläufig – und damit auch die Absatzmöglichkeiten für regionale Fleischprodukte. In Gemeinden unter 1.000 Einwohnern haben 43 % keinen Nahversorger mehr.
Für landwirtschaftliche Betriebe und Fleischereien heißt das: Ausbau von Direktvermarktung, Fleisch-Abonnements, Kooperationen mit Gastronomie vor Ort oder innovative Konzepte für ländliche Räume erwägen.

Fazit für Landwirte, Fleischereien und Fachpublikum

Die Diskussion um Lebensmittelpreise darf nicht an der Ladenkasse enden. Wenn wir nur den Preis im Regal betrachten, übersehen wir die komplexen Kostenstrukturen und Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. Für alle Akteure im Lebensmittelsektor – von der Landwirtschaft bis zur Fleischerei und zum Handel – gilt: Qualität, Herkunft, Tierwohl und regionale Versorgung sind nicht kostenlose Zusatzleistungen, sondern zentrale Bestandteile eines tragfähigen Systems. Eine realistische Debatte über Preise muss diese Faktoren einbeziehen – dann wird klar: Es geht nicht nur darum, wie günstig ein Produkt ist – sondern wie wertvoll es sein darf.

Für Fachpublikum im Fleisch- und Lebensmittelsektor ist dieser differenzierte Blick wichtig: Er hilft bei der Argumentation gegenüber Kunden, bei der Preisfindung im Betrieb und bei der Darstellung eigener Leistungskette. Schrittweise Kommunikation und Transparenz schaffen Vertrauen – und damit Wertschätzung für Produkte, die mehr sind als nur „Waren im Regal“.