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Industrie fordert Österreichs Zustimmung zum Mercosur-Abkommen – was das für Fleisch-, Landwirtschafts- und Fachbetriebe bedeutet

Die EU-Kommission drängt auf einen Abschluss des Mercosur-Handelspakts noch in diesem Jahr – doch Österreichs Veto steht weiter im Raum.

Die EU-Kommission drängt auf einen Abschluss des Mercosur-Handelspakts noch in diesem Jahr – doch Österreichs Veto steht weiter im Raum.
Die Mercosur-Staaten sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Hier gelten für Tierwohl und Klima ganz andere Regeln. © Beigestellt

Industrie fordert Österreichs Zustimmung zum Mercosur-Abkommen – was das für Fleisch-, Landwirtschafts- und Fachbetriebe bedeutet

Warum die Industrie Druck macht

Die Industriellenvereinigung (IV) sieht durch geopolitische Verwerfungen wie Corona-Effekte, den russischen Krieg und globale Handelsspannungen ein starkes Argument für eine Zustimmung Österreichs zum Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block. Österreich könne als „Zünglein an der Waage“ fungieren – ein Nicht-Zustimmung werde als „Schnitt ins eigene Fleisch“ bezeichnet.
Gleichzeitig beruft sich die österreichische Regierung auf den Parlamentsbeschluss von 2019, der das Nein festgelegt hatte.

Status quo in Österreich

  • Österreich hatte sich bislang gegen das Abkommen positioniert, offiziell mit Verweis auf den Parlamentsbeschluss von 2019.
  • In wichtigen politischen Lagern stehen sich Wirtschaftsliberale (teilweise zustimmend) und Landwirtschafts- sowie Umweltverbände kritisch gegenüber.
  • Aus Sicht des Wirtschaftsflügels könnte das Abkommen neue Märkte erschließen, die Landwirtschaft aber sieht größere Risiken.

Was das Abkommen für Fleischereien und Landwirtschaft bedeutet

Aus Sicht von fleischverarbeitenden Betrieben, Landwirtschaftsbetrieben und Fachpublikum ist zu beachten:

 
Thema Mögliche Auswirkungen für Österreich
Import von Fleisch- und Agrarprodukten Zusätzliche Quoten bzw. Zollsenkungen können den Preis- und Margendruck erhöhen – besonders bei Rindfleisch und Tierhaltung. Kleine handwerkliche Betriebe spüren den Wettbewerb am stärksten.
Produktions- und Umweltstandards Unterschiedliche Tierschutz-, Umwelt- und Rückstandsvorgaben außerhalb der EU können zu Wettbewerbsnachteilen für heimische Qualitätsproduktion führen.
Exportchancen der Industrie Potenzial vor allem bei Maschinen/Anlagenbau und Investitionsgütern; direkte Vorteile für Landwirtschaft und Fleischerei sind begrenzt und vom Marktzugang abhängig.
Marktsicherheit & Schutzmechanismen Geplante Kontingente, Monitoring und Notfallmaßnahmen könnten Preisschocks dämpfen; Wirksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit bleiben entscheidend für bäuerliche und handwerkliche Betriebe.

Spezifische Aspekte für Österreichs Fleisch- und Landwirtschaft

  • Untersuchungen zeigen, dass gerade Österreichs Agrar- und Fleischbranche bei billigerem Importfleisch und geringeren Margen unter Druck geraten könnte.
  • Kleinere handwerkliche Fleischereien arbeiten häufig mit hochwertigen regionalen Produkten und hoher Produktionsqualität – Wettbewerb mit großvolumigen Importen kann hier zur Herausforderung werden.
  • Österreichs Landwirtschaft ist geprägt von kleinstrukturierten Betrieben mit hohen Produktionskosten – im Vergleich zu großen Produktionsanlagen in Südamerika könnte das Wettbewerbsungleichgewicht wachsen.

Warum die Industrie dennoch unterschreiben möchte

Aus Sicht der Industriellenvereinigung geht es um:

  • Die Sicherung von Export- und Handelsbeziehungen angesichts globaler Spannungen.
  • Diversifizierung von Märkten, weg von übermäßiger Abhängigkeit von wenigen Handelsrouten.
  • Potenzial für österreichische Industriebetriebe – nicht primär für die Agrar- und Fleischwirtschaft – in Südamerika.

Allerdings ist deutlich: Für die kleinere Fleisch- und Landwirtschaftsbetriebe stellt das Abkommen nicht zwangsläufig einen Vorteil dar – im Gegenteil könnte es Risiken bergen.

Fazit und Appell

Für die Fachwelt im Fleischereihandwerk und die Landwirtschaft gilt: Das neue Handelsabkommen mit dem Mercosur-Block wird nicht automatisch positive Effekte bringen. Auf Wunsch der Industrie wird Österreich derzeit zur Zustimmung gedrängt – doch gerade kleine Fleischereibetriebe und landwirtschaftliche Betriebe sollten aufmerksam bleiben und sich aktiv einbringen in die Diskussion um Schutzmechanismen, Wettbewerbsbedingungen und Produktionsstandards.

Nur mit klar definierten Schutzinstrumenten, transparenter Regulierung und fairen Rahmenbedingungen kann eine Zustimmung im Interesse der heimischen Fleisch- und Agrarwirtschaft erfolgen – andernfalls drohen Margendruck und Marktverwerfungen.

Ich empfehle allen Betrieben: Beobachten Sie die Entwicklungen, prüfen Sie mögliche Auswirkungen auf Ihre Produktions- und Absatzwege und bringen Sie Ihre Perspektive in die Verbands- und Branchenvertretung ein. Die Entscheidung fällt nicht nur auf politischer Ebene – sie betrifft Ihre Werkbank, Ihren Markt, Ihre Zukunft.