Nutztierhaltung in Österreich: Wirtschaftsfaktor unter Druck, Leistung mit Breitenwirkung

Nutztierhaltung in Österreich: Wirtschaftsfaktor unter Druck, Leistung mit Breitenwirkung
Rückgrat der heimischen Landwirtschaft
Rinder, Schweine, Geflügel, Schafe, Ziegen und Pferde sind in Österreich weit mehr als Produktionsfaktoren. Als Nutztiere bilden sie die Basis für zentrale Wertschöpfungsketten – von der Futtermittelproduktion über Zucht und Haltung bis hin zur Verarbeitung tierischer Produkte. Gleichzeitig prägen sie Kulturlandschaften, sichern regionale Identität und leisten einen Beitrag zu Tourismus, Kreislaufwirtschaft und technologischem Fortschritt.
Die Nutztierhaltung ist damit tief im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefüge Österreichs verankert – mit Auswirkungen, die weit über die landwirtschaftlichen Betriebe hinausreichen.
Leistungsprofile je Tierart: Vielfalt statt Einheitsmodell
Die wirtschaftlichen Schwerpunkte liegen traditionell in der Rinder- und Schweinehaltung, die auch den größten Anteil am Umsatz stellen. Die durchschnittliche Tieranzahl pro Betrieb variiert stark und spiegelt unterschiedliche Betriebsstrukturen, Haltungsformen und Nutzungsziele wider.
Über alle Sparten hinweg dominiert die konventionelle Haltung, ergänzt durch einen relevanten Anteil biologischer Produktion. Der Verkauf von Jung- und Schlachttieren ist in allen Tiergruppen ein zentrales Geschäftsmodell. Ergänzend spielen Milch- und Eierproduktion – etwa bei Rindern, Ziegen und Geflügel – eine tragende Rolle. Die Fleisch- und Fleischwarenerzeugung ist über alle Tierarten hinweg fixer Bestandteil der Wertschöpfung.
Spezialisierte Leistungen wie die Wollproduktion bei Schafen oder die Zucht hochwertiger Zuchttiere – insbesondere bei Rindern sowie Schafen und Ziegen – erweitern das wirtschaftliche Spektrum. Eine Sonderrolle nimmt die Pferdehaltung ein, deren Leistungsstruktur sich deutlich von jener anderer Nutztierarten unterscheidet.

Umsatz wächst – Kosten explodieren
In den vergangenen fünf Jahren verzeichneten Österreichs Nutztierbetriebe einen durchschnittlichen nominellen Umsatzzuwachs von 18 Prozent. Diese grundsätzlich positive Entwicklung wird jedoch von einer deutlich stärkeren Kostendynamik überlagert.
Im selben Zeitraum stiegen die Kosten über alle Tiersparten hinweg um durchschnittlich 36,6 Prozent. Futtermittel, Energie, tierärztliche Leistungen und Betriebsmittel belasten die Betriebe massiv. Die Folge: steigender wirtschaftlicher Druck trotz höherer Marktumsätze.

Milliardenwert für Österreichs Volkswirtschaft
Die unmittelbare Wirtschaftsleistung der Nutztierhaltung belief sich 2024 auf rund 7,2 Milliarden Euro. Rechnet man vor- und nachgelagerte Effekte sowie konsum- und investitionsbedingte Impulse hinzu, entsteht ein gesamtwirtschaftlicher Produktionswert von über 15,6 Milliarden Euro. Das entspricht rund 1,6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs.
Insgesamt werden 6,7 Milliarden Euro an Wertschöpfung generiert – direkt in den Betrieben ebenso wie indirekt in verbundenen Branchen. Rund 182.500 Arbeitsplätze beziehungsweise 143.600 Vollzeitäquivalente hängen mittel- oder unmittelbar von der Nutztierhaltung ab. Damit sind 3,6 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Österreich diesem Sektor zuzurechnen.
Regional konzentriert entfalten diese Effekte besondere Stabilität. Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark führen das Bundesländer-Ranking an, während Wien als Dienstleistungszentrum eine Sonderrolle einnimmt.

Nutztiere als Tourismusfaktor
Gepflegte Kulturlandschaften zählen zu den wichtigsten Gründen für Urlaub in Österreich. Nutztiere leisten dazu einen zentralen Beitrag – sichtbar auf Almen, Wiesen und in bäuerlich geprägten Regionen.
Berücksichtigt man tourismusnahe Effekte über „Urlaub am Bauernhof“ hinaus, steigt der volkswirtschaftliche Impact deutlich. In dieser erweiterten Betrachtung werden bis zu 9,0 Milliarden Euro an Produktionswert, 4,8 Milliarden Euro Wertschöpfung und rund 82.700 Arbeitsplätze dem Wirtschaftsfaktor Nutztiere zugerechnet. Diese Zahlen markieren eine Obergrenze, verdeutlichen aber die enge Verflechtung von Landwirtschaft und Tourismus.
Absatzmärkte: national geprägt, selektiv international
Die Vermarktung österreichischer Nutztierprodukte erfolgt überwiegend im Inland. Internationale Absatzmärkte spielen punktuell eine Rolle – etwa bei Zuchtrindern, Pferden oder Spezialprodukten aus der Ziegenhaltung.
Die Vermarktungswege unterscheiden sich je nach Tierart deutlich: Schweine werden meist über Erzeugerorganisationen oder direkte Schlachthofbeziehungen vermarktet, Geflügel über integrierte Systeme. Rinder wechseln häufig als Kälber oder laktierende Kühe den Betrieb, während Schafe und Ziegen verstärkt direkt vermarktet werden. Pferdehalter setzen zunehmend auf Online-Plattformen und Zuchtveranstaltungen.
Zwischen Erwartung und Realität
Nutztiere sind Sinnbild für Ernährungssicherheit, Tierwohl, Kulturlandschaft und nachhaltige Transformation. Gleichzeitig klafft eine wachsende Lücke zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und betrieblichem Handlungsspielraum.
Während gesetzliche Vorgaben und Standards steigen, bleibt die wirtschaftliche Abgeltung oft hinter dem Mehraufwand zurück. Sinkende Praxiskenntnis in der Bevölkerung verstärkt Missverständnisse über Produktionsprozesse. Die Landwirtschaft ist zunehmend gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten – für realistische Erwartungen und informierte Konsumentscheidungen.
Ausblick: Dialog statt Stillstand
Steigende Kosten, internationale Wettbewerbsverzerrungen und strenge Auflagen prägen die aktuelle Lage. Die Erwartungen der Betriebe an Politik und Gesellschaft sind klar: Planungssicherheit, Bürokratieabbau, faire Wettbewerbsbedingungen und eine angemessene Abgeltung der erbrachten Leistungen.
Trotz der Herausforderungen zeigt sich die Nutztierhaltung investitionsbereit und dialogoffen. Als zentraler Wirtschaftsfaktor kann und soll sie auch künftig Impulse für Ernährungssicherheit, regionale Wertschöpfung und ein modernes Gesellschaftssystem setzen.
Die gesamte Studie finden Sie hier – bei der NTÖ – Nachhaltige Tierhaltung Österreich



