Kuttermesser
Landwirtschaft & Umwelt

Das Gurkerl erntet der Flieger

Pikante Pfefferoni, knackige Essiggurkerl – ohne Sauergemüse wäre keine Jause komplett. Woher aber stammen die fein-sauren Fleisch-Begleiter, und wie kommen sie ins Glas? Das erfährt man bei einer Felder-Wanderung im Burgenland.

Eine knappe Autostunde von Wien entfernt liegt St. Andrä am Zicksee im burgenländischen Seewinkel. Der trockene August-Wind treibt einem am Güterweg Murkenäcker schon den Paprika-Geruch entgegen. Hinter Mais-Stauden und Weinstöcken entlang der Hauptstraßen reihen sich hier die Gemüsefelder aneinander. Das warme Klima begünstigt den Anbau von Einlegegurken und Paprikavariationen, die das Wiener Traditionsunternehmen Staud’s von den Bauern zwischen Huldenacker und Murkenäcker bezieht.

„So viel wie möglich soll aus österreichischer Landwirtschaft kommen“, bekräftigt Geschäftsführer Stefan Schauer beim Rundgang am Feld. Gemeinsam mit dem Machland und dem Marchfeld gehört die Region zu den traditionellen Anbaugebieten des Landes. Doch auch hier im Seewinkel haben sich die Zeiten geändert. „Vor 20 Jahren war das Gemüse ein Zusatzeinkommen für viele, in jedem Ort gab es ein, zwei Aufkaufstellen“, erinnert sich Jürgen Hagenauer.

Saures aus dem Seewinkel

Der Geschäftsführer für alles Saure bei Staud’s bewirtschaftet selbst einige Felder in der Gegend. Entsprechend gewichtig ist auch seine Aussage, dass „Sauergemüse unter seinem Wert geschlagen wird“. Es sind nicht nur die vielen Handgriffe und die immer schwieriger zu findenden saisonalen Erntehelfer, die selbst ein scheinbar banales Essiggurkerl zum landwirtschaftlichen Spezialprodukt machen.

Das Wetter muss von Anfang an, nämlich bereits bei der Aussaat passen, die unter bewässerten schwarzen Folien im April erfolgt. Ein dauerhaft kalter Mai wie in diesem Jahr verhindert aber die Keimung: „Gurken brauchen dauerhaft 15 Grad für den Austrieb“, so Stefan Schauer. Die Saat verfaulte heuer witterungsbedingt, ein zweites Mal musste neu gepflanzt werden – mit 7.000 Euro zusätzlich ist das kein kleiner Kostenfaktor für die Gurkenbauern vom Huldenacker, wie Feld-Besitzerin Lisa Wachtler, im Hauptberuf Polizistin, vorrechnet.

Zwanzig liegende „Piloten“

Sind Mehltau und Spinnmilben besiegt, dann beginnt die „Kampagne“ am 20. Juni. Jeden zweiten Tag startet in St. Andrä dann der Gurken-Flieger. Dieser Anhänger, auf dessen „Flügeln“ je zehn Personen liegend (!) die Feldfrüchte einbringen, erleichtert im Gegensatz zur Chili- oder Pfefferoni-Ernte die Handernte zumindest ein wenig. Zwei Personen bearbeiten dabei eine Gurken-Reihe, acht Wochen lang dauert es in der Regel, bis die Ernte eingebracht ist. Temperaturen über 40 Grad sind unweit des österreichischen Hitzepols Andau dabei keine Seltenheit, wenn die Erntehelfer die Gurkerl von den Pflanzen abdrücken. Es wird nämlich nicht gezupft, denn der Stängel der leicht stachlichen Sorte namens „Karaoke“ soll nicht an der Frucht hängen bleiben.

Der burgenländische Hektar-Ertrag liegt mit 20 bis 25 Tonnen deutlich unter den Erntemengen anderer Gebiete (in Bayern sind es rund 80 Tonnen). Die extreme Selektion lässt nur 50 % für die Weiterverarbeitung zu Essiggurkerln zu. „Der Rest wird für Salzgurken oder für den Pusztasalat verwendet“, erklärt Hagenauer, der auch die Weiterverarbeitung bei der Firma „Gurkenprinz“ – offiziell: Südobst Obst- und GemüseveredelungsgmbH – in Stegersbach leitet. Hier werden alle Sauergemüse verarbeitet, auch die Ernte vom „Murkenacker“. Dort hat die Familie Michlits vom Pusztahof aus Wallern ihren Pfefferoni-Anbau.

Mit der Hitze steigt die Schärfe

Generell gilt: Je heißer und trockener der Sommer, desto schärfer die Pfefferoni und Chilis. Diese gehören zu den am schwierigsten zu erntenden Gemüsesorten überhaupt, da immer noch zur Gänze per Hand gepflückt wird. Der zweite Würstelstand-Klassiker wird dabei von Heribert Michlits und den Söhnen Philipp und Oliver in zwei Sorten angebaut. Neben dem milden Spiral-Pfefferoni, der zum Einlegen nach wie vor händisch in die Gläser gedreht wird, gibt es auch den schärferen Merino.

Bio – wenn möglich

Ein Teil der Michlits-Felder wird bereits biologisch bewirtschaftet. Wo es möglich ist, setzt Staud’s beim 14,5 Hektar umfassenden Seewinkler Sauergemüse-Anbau auf Bio-Ware. Auch das verteuert die Produktion. Selbst während der dreijährigen Umstellungszeit von der konventionellen Landwirtschaft fällt das noch nicht als „Bio“ deklarierte Gemüse preislich bereits in diesen Bereich. Ob Bio oder nicht, in Stegersbach werden alle Gurkerl und Pfefferoni nochmals gewaschen. In Lake eingelegt und ebenfalls händisch mit den Gewürzmischungen versehen, werden die Gläser verschlossen, pasteurisiert und etikettiert. 60 Gurkerl etwa kommen in die neuen Gastro-Großgebinde mit 1,7 Litern – genügend fein-saure Begleitung für eine Menge Käsekrainer, Leberkäs-Semmeln und Kümmelbraten-Brote!

Autor: Mag. Roland Graf

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