
Die Wertschöpfung ist eine zentrale Kenngröße in der Volkswirtschaft. Aus der Summe der Wertschöpfungsanteile der verschiedenen Sektoren wird das Bruttoinlandsprodukt ermittelt. Sie errechnet sich, wenn vom Produktionswert die Vorleistungen abgezogen werden. Anhand der Entwicklung der Wertschöpfung kann das wirtschaftliche Gewicht verschiedener Sektoren beurteilt und die Strukturentwicklung sichtbar gemacht werden.
In Österreich trägt die Landwirtschaft maßgeblich zum Wohlstand bei, allerdings hat das volkswirtschaftliche Gewicht in den letzten Jahren abgenommen. Vergleicht man den Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette Agrargüter, Lebensmittel und Getränke, von 2005 mit 2019, so er um ein Zehntel gesunken.
„In allen Gliedern der Wertschöpfungskette Nahrungsmittel und Getränke konnte in dem Zeitraum von 2005 bis 2019, die Wertschöpfung ausgeweitet werden. In der Lebensmittelverarbeitung nahm sie real um 34% zu, im Einzelhandel von Nahrungsmitteln und Getränken um 44% sowie in der Gastronomie um fast 50%. Der Zuwachs in der Landwirtschaft betrug aber lediglich 10%. Dies erklärt, warum die Bedeutung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette und der Volkswirtschaft insgesamt gesunken ist“, erklärte der WIFO-Experte.
Internationale Konkurrenz verunmöglicht Zuwachs bei Agrargütern
In der Erzeugung von Agrargütern sind Zuwächse schwer erzielbar. Ursachen dafür sind die scharfe Konkurrenz auf internationalen Agrargütermärkten und die anhaltende Produktivitätsentwicklung, die real sinkende Agrargüterpreise ermöglicht. Die Bereitstellung von Dienstleistungen, das Anbieten von Services schafft höhere Zugewinne und auch Beschäftigung. Warum das so ist, erklärt Sinabell so:
„Daten aus dem Jahr 2017 zeigen Folgendes: Werden in Österreich Agrargüter im Wert von 100 Euro nachgefragt, so wird in der österreichischen Volkswirtschaft eine Wertschöpfung von 46 Euro erzielt. Der Restbetrag teilt sich auf Steuern und Importe von Agrargütern sowie Einfuhren von Vorleistungen wie Energie auf. In der Landwirtschaft verbleibt eine Wertschöpfung von 11,25 Euro, also etwa ein Viertel der gesamten Inlandswertschöpfung. Da die Landwirtschaft in erheblichem Umfang Vorleistungen bezieht, verteilt sich die übrige Wertschöpfung auf andere Sektoren in der gesamten Wirtschaft.“
Bauern unter Druck: Handlungsbedarf für rot-weiß-rote Trendumkehr
Die neue Studie verdeutlicht unter welchem enormen Druck die österreichischen bäuerlichen Familienbetriebe stehen. Um das zu ändern, braucht es Handlungsbedarf. „Österreich ist – in unser aller Interesse – gefordert, eine rot-weiß-rote Trendumkehr einzuleiten“, betonte Moosbrugger. Weiters erklärt er welche Faktoren dafür tragend sind:
„Einerseits muss der Import von Billigwaren niedrigster Standards gestoppt werden. Stattdessen ist ein Bekenntnis zu regionaler Qualität in der gesamten Wertschöpfungskette von größter bedeutung. Die öffentliche Beschaffung geht bereits mit gutem Beispiel voran. Wir brauchen verlässliche Qualitätspartnerschaften sowohl mit dem Lebensmitteleinzelhandel als auch mit der Gastronomie und dem Tourismus, von denen alle Seiten profitieren können.“
„Höhere Erzeugerpreise und Planbarkeit sind entscheidende Zukunftsfaktoren für unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Heimische Spitzenqualität samt unzähligen Mehrleistungen gibt es nicht zum Weltmarktpreis“, unterstrich Moosbrugger, der zum wiederholten Male die Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung forderte, die eine wichtige Basis für mehr Absatz und Wertschöpfung wäre. „Die Grundlagen liegen fertig am Tisch. Das Gesundheitsministerium soll nicht länger auf der Bremse stehen, sondern endlich das fertig ausgearbeitete Paket zur Notifizierung nach Brüssel schicken.“
Stärkerer Schulterschluss auch branchenintern gefordert
„Außerdem zeigt die Studie einmal mehr, dass wir auch innerhalb der eigenen Branche stärker zusammenrücken müssen, um dem höchst konzentrierten Handel besser die Stirn bieten zu können“, erklärte der LKÖ-Präsident.
„Wenn wir die ruinöse Talfahrt des Wertschöpfungsanteils nicht alle gemeinsam aufhalten und eine Aufwärtsbewegung einleiten, dann zwingen wir unsere Betriebe, selbst noch größer, produktiver und effizienter zu werden. Oder sie sind gefordert, zusätzlich in dienstleistungsstärkere Bereiche einzusteigen, in denen mehr Wertschöpfung zu erzielen ist. Aber nur ein Teil unserer Bauernhöfe
ist für Veredelung und Direktvermarktung, Gastronomie und Beherbergung geeignet“, erklärte Moosbrugger und warnte vor weiteren Betriebsaufgaben. „In der Agrarpolitik und bäuerlichen Interessenvertretung geben wir jedenfalls unser Bestes, um für unsere bäuerlichen Familienunternehmen zukunftsweisende Rahmenbedingungen – auch im Rahmen der neuen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik – zu schaffen. Außerdem ist es unser Ziel, die Höfe mit einem zielorientierten Bildungs- und Beratungsangebot gut für die Zukunft zu rüsten und neue Wertschöpfungschancen aufzuzeigen“, so der LKÖ-Präsident.