Erneut erschüttert ein Skandal die österreichische Schweinebranche, dazu kommen Engpässe bei der globalen Rohstoffversorgung und Konsumenten, denen das Geld ausgeht. Auf der anderen Seite steigt die Taktzahl der Proteste von Klima- und Umweltaktivisten an. Schwierige Zeiten für heimische Fleischproduzenten, aber auch eine Möglichkeit für einen grundlegenden Wandel? Einer der Branchenvordenker dazu ist Gourmetfein-Gründer Fritz Floimayr – wir haben mit ihm über Krisen und Chancen gesprochen.
Fleisch & Co: Herr Floimayr, Sie haben Gourmetfein als Marktführer im Bereich Glaubwürdigkeit & Transparenz positioniert. Klappt das auch in der Krise?
Fritz Floimayr: „Gerade in der Krise braucht es Verlässlichkeit und Beständigkeit. Unternehmen, die bislang in ihren Lieferketten auf massenhaft globale Importe gesetzt haben, stehen vor großen Herausforderungen. Wer hingegen auf die Wertschöpfung in der Region gesetzt hat, der kann einiges davon abfedern. In der Krise trennt sich in gewisser Weise eben die Spreu vom Weizen, denn manche Prozesse haben einfach keine Chance auf Fortführung. Das betrifft insbesondere auch die Erzeugung unserer Lebensmittel. Wenn für die Herstellung von einer einzigen Portion Essen nicht nur Tausende Kilometer an Transport zurückgelegt, sondern auch Unmengen an Wasser und Fläche verbraucht und belastet werden, dann geht sich das in diesen Zeiten einfach nicht mehr aus. Und ich finde das nicht nur schlecht, denn so wie bisher kann es ohnehin nicht weitergehen.“
Fleisch & Co: Was konkret meinen Sie damit?
Fritz Floimayr: „Ich meine damit, dass immer noch Millionen Kilo Gen-Soja aus dem Regenwald jedes Jahr in österreichischen Schweinetrögen verfüttert werden. Das ist vielleicht im Einkauf unmittelbar billiger, aber es zerstört die Zukunft unserer Enkelkinder. Es kann doch nicht sein, dass jahrhundertealte Bäume am anderen Ende der Welt gefällt werden, nur damit große Mengen an Tierkraftfutter spottbillig hergestellt werden können. Ich meine damit aber auch den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und den Trend zu immer größeren Betriebseinheiten. Schauen wir uns an, was derzeit zum Beispiel in Spanien passiert, da werden ganze Dörfer und riesige Landschaften zu gigantischen Produktionsstätten umgebaut. Die Folgen für die Umwelt sind eine Katastrophe. Das ist der völlig falsche Weg und das wissen die handelnden Personen vermutlich auch selbst.“
Fleisch & Co: Woran hakt es?
Fritz Floimayr: „Manche haben noch nicht verstanden, dass die Zeiten der Ausrichtung auf maximale Menge unter Missachtung der ökologischen Grenzen vorbei sind. Schauen wir uns doch die Entwicklung der Welt an, es gibt Wetterextreme ohne Ende und das hat unmittelbar etwas mit der Art und Weise zu tun, wie wir diesen Planeten behandeln. Wir gehen mit der Erde um, als würde sie uns nichts angehen. Dabei ist sie unser Lebensfundament. Doch es rechnet sich offenbar immer noch, auf Zerstörung zu setzen und das ist ein Problem, das uns wirklich alle angeht. Es sollte nicht die Entscheidung eines Konzerns sein, ob man Tiere und Natur respektvoll behandelt, das sollte auf einem für alle Beteiligten verbindlichen Grundkonsens ruhen. Und zwar in der gesamten Europäischen Union, sonst kommt es nur zu Verdrängungseffekten und der Auslagerung der Produktion.“
Fleisch & Co: Das Problembewusstsein in der Gesellschaft steigt, aber gibt es auch Auswege aus der Krise?
Fritz Floimayr: „Natürlich! Wir zeigen ja tagtäglich bei Gourmetfein, dass wir einen anderen Weg gehen können. Zum Beispiel ohne Gentechnik, ohne Regenwald-Soja und ohne Glyphosat. Das kostet uns natürlich unternehmerischen Profit, aber es bringt uns etwas, das viel wichtiger ist: ein ruhiges Gewissen! Ich leiste nicht nur als Privatperson, sondern auch mit meinem Betrieb einen aktiven Beitrag dazu, dass die Welt ökologischer wird. Aber das reicht mir nicht. Wir müssen über den eigenen Tellerrand hinwegblicken und uns fragen, was wir noch tun können. Hinter mir liegt ein langes Leben, mit vielen gesammelten Erfahrungen. Und gerade, weil ich weiß, was alles möglich ist, wenn man sich nur entsprechend anstrengt, weiß ich auch, dass wir dieser Situation nicht ausgeliefert sind. Wir haben die Chance, einen grundlegenden Wandel herbeizuführen.“
Fleisch & Co: In welche Richtung denken Sie da?
Fritz Floimayr: „Aktuell diskutiert die Politik mal wieder über die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Dabei beteuern seit Jahren alle Parteien mehr oder weniger, dass sie für die verpflichtende Transparenz sind. Ich frage mich: Was dauert da so lange? Und wieso werden Konsumenten nach wie vor im Dunkeln darüber gelassen, woher ihr Essen kommt und wie es erzeugt wurde? Es kann doch nicht sein, dass die Intransparenz die Norm ist. Es braucht aber nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch die Bereitschaft von allen Marktakteuren, sich an einem Wandel zu beteiligen. Ich beobachte ein Umdenken in manchen Vorstandsetagen und das gilt es, zu unterstützen. Der Lebensmittelhandel hat eine besondere Position und damit auch eine besondere Verantwortung –, wenn er die noch stärker wahrnimmt, dann kann das eine erhebliche Dynamik entfalten.“
Fleisch & Co: Gibt es ein Wunschszenario für die Zukunft ?
Fritz Floimayr: „Weniger Fleisch, dafür aus verlässlicher Quelle. Maximale Transparenz in den Gasthäusern genauso wie im Supermarkt, beim frischen Fleisch und auch bei verarbeiteten Produkten. Und eine Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft , damit der Niedergang der Höfe endlich aufört. All das ist doch nicht unerreichbar, dafür bräuchte es nur den Willen aller Beteiligten und dann können wir das auf den Weg bringen.“
Fleisch & Co: Würde sich das nicht auf die Leistbarkeit der Lebensmittel negativ auswirken?
Fritz Floimayr: „Diese Frage bekomme ich oft gestellt und ich kann nur immer wieder unterstreichen, dass das nicht sein muss. Wie viel ein Produkt kostet, das ist auch davon abhängig wie stark entlang der Produktionskette besteuert oder eben subventioniert wird. Der Staat kann hier steuernd eingreifen, indem er unterstützt, was für die Böden und Gewässer zuträglich ist. Bislang passiert das nur in einer untergeordneten Weise –, wenn überhaupt. Aber natürlich muss auch die Wertigkeit wieder angehoben werden. Meine Erfahrung zeigt mir, dass Menschen durchaus bereit sind, ein paar Cent mehr zu bezahlen, wenn sie dafür die Sicherheit haben, dass das Fleisch aus verlässlicher Quelle stammt. Sogar bei Leberkäse, also einem Snack, der jetzt nicht als Hochpreis-Produkt bekannt ist. Auch beim Leberkäse wollen die Menschen lieber die garantierte Regionalität und Nachhaltigkeit und zahlen dafür mehr.“
Fleisch & Co: Apropos Nachhaltigkeit: Wie bewerten Sie die Aktivitäten der Umwelt- und Klimaszene? Die Aktionen werden ja immer eindrücklicher.
Fritz Floimayr: „Ich habe großes Verständnis für junge Menschen, die das Gefühl haben, dass ihnen die Zukunft gestohlen wird. In gewisser Weise passiert das ja auch, der derzeitige Umgang mit natürlichen Ressourcen und Lebensräumen ist mitunter von einer Präpotenz geprägt, die eine große Rechnung entstehen lässt. Begleichen wird das aber nicht meine Generation, sondern die nachfolgenden. Insofern kann ich die Wut und Verzweiflung verstehen. Mir ist aber auch der Dialog über Generationen und Branchen hinweg sehr wichtig. Letztes Jahr haben wir eine 16-jährige Klimaaktivistin bei einem unserer Gourmetfein-Partnerbauern zu Besuch gehabt. Das war das erste Mal, dass sie überhaupt in einem Stall war und das hat sie wohl auch nachhaltig geprägt. Es sind solche Momente, die eine Veränderung auf beiden Seiten bewirken. Auch die Landwirtschaft muss sich dafür öffnen.“
Fleisch & Co: Haben Sie das Gefühl, dass die Bauern dafür offen sind?
Fritz Floimayr: „Ich sage mal so: Wer sich dazu bereit erklärt, dass sogar sein Name und die Adresse des Bauernhofs auf der Fleischpackung steht, der ist grundsätzlich schon mal daran interessiert, dass Menschen sich mit seiner Arbeit beschäftigen. Unsere Gourmetfein-Bauern machen genau das. Auch wenn es nicht leicht ist, weil das Tagesgeschäft schon sehr herausfordernd ist, so denke ich doch, dass in der Begegnung auf Augenhöhe eine große Kraft liegt. Aber man muss ihnen natürlich auch entsprechend entgegenkommen. Einen Ausweg aus den Krisen unserer Zeit werden wir nur gemeinsam finden. Die Konsumenten, die Produzenten, die Händler und auch die Politik sind aufgerufen, sich gemeinsam mit Lösungen zu beschäftigen. Als Unternehmen leisten wir auch weiterhin gerne unseren Beitrag dazu. Aber je mehr unserem Beispiel folgen, umso mehr werden wir erreichen.“