
Acht Minuten ab Meidling. Nein, das ist kein neuer Agatha Christie („16 Uhr 50 ab Paddington“). Acht Minuten fährt der Zug von Wien Meidling nach Hennersdorf im Süden von Wien. Dort empfängtuns der Wiesmayer Hannes (53). Trachtige, doch coole Lederhose, schwarzes T-Shirt, der Spruch darauf: „Scheiß di ned au’“. Eh nicht. Hannes, permanent in Rotation, ist gleichzeitig tiefenentspannt. Siehe der Spruch. Vielleicht handelt es sich beim T-Shirt auch um einen Charaktertest. Hannes, verschmitzt: „Für euch hob i mei schönstes T-Shirt angezogen.“ Wir nehmen es als Kompliment.
Die Anfänge in Hennersdorf
Zwar hatten die Eltern bereits eine kleine gemischte Landwirtschaft, aber, wie üblich, sollte sie der ältere Bruder übernehmen. Schon von Kindesbeinen an war er offenbar recht lustig, die Schule war nicht so sein Ding. Alle Theorie ist grau. Er hingegen, mehr ein Mann der Praxis. Schließlich absolvierte er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, bevor er in der Automobilbranche anheuerte. Im Verkauf war’s, wo der wilde Wirt sein Talent, mit Menschen umzugehen, ausspielen konnte. Ein Talent, das sich auch nach seinem Wechsel zur Landwirtschaft bezahlt machen sollte.
Das Wildfleisch
Begonnen hat es wild: mit Wild. Vor gut 20 Jahren. Wenige Autominuten von seinem „Wildes Wirtshaus“ liegen seine Wiesen und Felder. Flach ist’s hier. Auf den Wiesen grasen Schafe, Rehe und Hirsch. Die ersten Kunden waren schon Hochkaräter: Christian Domschitz und der Joachim Gradwohl. Ersterer kochte damals im Schwarzen Kameel groß auf (Legendär: Hummer- Krautfleisch!), während Gradwohl seinem feinen Händchen im Meinl am Graben freien Lauf ließ. Kurz danach wurde Reitbauer vom Steirereck auf das Wild vom Hannes aufmerksam. Auch er ist seitdem Kunde. Wobei, das sei erwähnt, immer auch einiges von befreundeten Jägern zugekauft wurde – und wird.
Die Hühner
Damals hatte Hannes bloß ein kleines Wildgehege gepachtet, später kamen Felder dazu. Gemüse wird dort angebaut. Verschiedene Rüben, Topinampur, Erdäpfeln. Gut haben es hier auch die Hühner. Zwar Typ Hybrid – was dem Hannes „eh ned taugt“– doch leben sie hier zwei Jahre in ihrem natürlichen Habitat. Legen Eier, wann sie wollen, und landen als Suppenhuhn in der – erraten! – Suppe. Hannes Wiesmayer: „A echtes Suppnhuhn kriegst jo nirgends. Des hat no a echte Kraft.“
T-Shirt, allerbesten Produkten und ganz viel Charme hat Hannes
Wiesmayer seinen Betrieb zum beliebten Genuss-Treffpunkt im
Süden Wiens etabliert. © Locatin
Eigene Schlachtung
Nach dieser Runde ist es an der Zeit für einen Einschnitt im Wirtshaus. Dort befindet sich auch der kleine Schlachtraum. Ausgebildeter Fleischermeister ist er noch nicht, aber Hannes hat von einem Meister gelernt, der ihm lange Jahre sein Wild zerlegt und portioniert hat. Der Meister damals: „Du hoitst des Messa wie an Kugelschreiba.“ Mittlerweile hält er das Messer wie ein Messer und zerlegt satte 500 bis 600 Tiere im Jahr – eigenhändig. Er schießt auch sein eigenes Wild. Als Betreiber einer Landwirtschaft ist das übrigens alles erlaubt, wie er rasch erwähnt. Nun aber ins Wirtshaus.
Wildes Wirtshaus: alles bio, alles nachhaltig
„Schauts euch das an. Alte Kirchenbänke. Hat sonst niemand.“ Ja, auch das Wirtshaus zeugt vom originellen Charme der Betreiber. Inmitten alter Tische und Kirchenbänke kann man hier getrost bei Speis und Trank seine Sünde abbüßen. Alles ist hier durch und durch bio, wie wir uns bei einem Küchenrundgang überzeugen. Heizung, Strom, Wasser seit langem echt nachhaltig. An diesem Mittwoch, man beachte die Öffnungszeiten – fix: freitags und samstags – sind die meisten der knapp zehn Tische im Hof besetzt. Einige Gruppen sitzen auch drinnen. Hannes hirscht von einem zum anderen, unterhält die Gäste, es wird viel gelacht. Rehschnitzel, Wildschwein, Beef Tatar und Palatschinken werden an unserem Tisch verdrückt. Kurz gesellt sich auch Roman Thum, ein Freund des Hauses dazu und Lydia, Hannes’ Frau. Lydia zieht im verwunschenen Garten hinter dem Haus allerlei Kräuter. Außerdem leitet sie erfolgreich Töpferkurse.
Der Hofladen
Schließlich gilt es natürlich, auch noch den feinen Hofladen zu erwähnen. Eigene Produkte und jene von befreundeten Produzenten gibt es hier. Lamm, Wild, Würste, Wein, Eier, Käse, Brot und Gebäck und vieles mehr. Auch sein berüchtigter Schnaps („Der Amador bestellt den immer in rauen Mengen“, Zitat) ist stets vorrätig. Apropos Schnaps. Es ist spät geworden, freilich Hannes Wiesmayer ist immer noch auf Achse. „Trinkts eh noch a Schnapserl?“ Aber ja – es fährt ja noch ein letzter Zug. In acht Minuten sind wir in Meidling. Ein Besuch in Hennersdorf zahlt sich aus.