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Tierliebe am Haustier, Gleichgültigkeit im Supermarkt: Hannes Royer und Maria Fanninger von Land schafft Leben kritisieren Konsumverhalten scharf

Preis schlägt Prinzip: Hannes Royer und Maria Fanninger kritisieren Konsumverhalten der Österreicher scharf

Österreichische Konsumenten geben sich gerne tierlieb – zumindest wenn es um ihre Haustiere geht. Hunde und Katzen werden gehegt und gepflegt, doch beim Einkauf von Lebensmitteln scheint die Tierliebe bzw. das Tierwohl ganz oft zu enden. Der Fokus liegt auf dem billigsten Preis, statt auf Tierwohl und Qualität. Diese Diskrepanz war zentrales Thema bei der Pressekonferenz von Hannes Royer und Maria Fanninger, den Gründern von Land schafft Leben. Der neue Report des Vereins offenbart erschreckende Fakten über das Konsumverhalten in Österreich.

Billiger Preis schlägt Tierwohl: Ein kritischer Blick auf den Lebensmittelkonsum

Hannes Royer, der Schladminger Bio-Bauer, geht mit den österreichischen Konsumenten hart ins Gericht. „Wir sind eine heuchlerische Gesellschaft“, formulierte Royer drastisch. „Wir fordern Maximales von unseren Bauern, die auf Pflanzenschutzmittel und Tierwohl achten sollen, greifen aber selbst zum billigsten Produkt. Das passt nicht zusammen.“ Die Studie zeigt klar: Tierwohl mag in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert haben, doch an der Supermarktkasse wird das ausgeblendet. Stattdessen dominieren Aktionen und Schnäppchen den Einkaufskorb.

Das traurige Schicksal von Biohof Labonca: Ein Symptom für die Bio-Landwirtschaft

Ein besonders trauriges Beispiel für die Missstände in der österreichischen Konsumlandschaft ist das Scheitern des Vorzeige-Biohofs Labonca. Der Schweineflüsterer Norbert Hackl musste seinen Hof Ende 2023 in die Insolvenz schicken. Hackls Vision war es, seinen Schweinen ein glückliches Leben inklusive stressfreier Weideschlachtung zu ermöglichen. Doch die Realität sah anders aus: Trotz hoher Qualität und Tierwohl fanden seine Produkte nicht genug Abnehmer. Hannes Royer sieht in diesem Scheitern ein Symptom für die gesamte Biolandwirtschaft. „Wir fordern Tierwohl, aber kaufen es nicht. Das führt dazu, dass Betriebe wie Labonca nicht überleben können.“

Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Zahlen des aktuellen Lebensmittelreports sprechen eine deutliche Sprache. 96% der österreichischen Schweineproduktionen sind konventionell, nur 4% sind biologisch. Doch auch diese 4% werden nicht von den Österreichern gekauft: Lediglich 1,4% der Bio-Schweineprodukte werden im Land konsumiert, der Rest wird exportiert. Ähnlich ernüchternd sind die Zahlen für andere Lebensmittel: Der Bio-Anteil bei Milch liegt bei 25%, bei Eiern bei 13% und beim Fleisch insgesamt bei nur 4%. Hannes Royer betont, dass Konsumenten mit jeder Kaufentscheidung einen Produktionsauftrag erteilen. „Unser Kaufverhalten hat einen enormen Einfluss auf die Landwirtschaft. Wenn wir Bio und Tierwohl fordern, müssen wir auch bereit sein, dafür zu bezahlen.“

Die Macht der Aktionen: Warum wir zu Schnäppchen greifen

Besonders auffällig ist die Rolle der Aktionen im österreichischen Lebensmittelhandel. 44% des gekauften Fleisches sind Aktionsware, und bei Bier sind es sogar 70%. Hannes Royer erklärt dieses Phänomen mit der Gehirnforschung: „Das Gehirn blendet aus, was uns nicht wichtig ist. Erst wenn man den Fokus verändert, kann unser Hirn das Wesentliche erfassen.“ Zudem spielt die Teuerung eine Rolle. Eine Bio-Pute kostet rund 37 Euro pro Kilo, während die konventionelle Alternative für 15 Euro zu haben ist. Diese Preisdifferenz führt viele Konsumenten dazu, sich für die günstigere Option zu entscheiden.

Forderung nach Herkunfts- und Haltungskennzeichnung

Um den Konsumenten bessere Entscheidungen zu ermöglichen, fordert Land schafft Leben eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung. „Nur so können die Menschen auf einen Blick erkennen, warum sie mehr für bestimmte Produkte bezahlen sollen und hochwertige Produktion fördern, statt sie sich nur zu wünschen“, erklärt Maria Fanninger. Diese Kennzeichnung soll nicht nur im Lebensmittelhandel, sondern auch in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung gelten.

Eine Gesellschaft der Widersprüche

Die Konsumerhebung zeigt, dass Österreich zu den Ländern mit den geringsten Ausgaben für Lebensmittel im Verhältnis zum Einkommen gehört. Durchschnittlich werden nur 12% des Einkommens für Ernährung ausgegeben, 1954 waren es noch 45%. Dieser Rückgang ist auf Produktivitätssteigerungen, bessere Infrastruktur und Wettbewerb im Handel zurückzuführen. Dennoch führt die Teuerung dazu, dass viele Konsumenten vermehrt zu rabattierten Produkten greifen. Petra Lehner von der Arbeiterkammer Wien betont, dass der mangelnde Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel und die hohe Ladendichte zu den hohen Preisen beitragen.

Ein Aufruf zur Veränderung

Der Report von Land schafft Leben zeigt deutlich, dass unser Konsumverhalten nicht im Einklang mit unseren Ansprüchen steht. Wir fordern Tierwohl, greifen aber zum billigsten Angebot. Hannes Royer und Maria Fanninger appellieren an die Konsumenten, ihr Verhalten zu überdenken und bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Nur so kann eine nachhaltige und tierfreundliche Landwirtschaft in Österreich bestehen. Der Griff ins Regal ist nicht nur eine Entscheidung für ein Produkt, sondern auch ein Produktionsauftrag für die Zukunft unserer Landwirtschaft.

Autorin: Tanja Braune

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