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Fleisch im Fokus

Der Technologietag Fleisch bot geballte Information rund um dieses wichtige Lebensmittel

Alle zwei Jahre findet der Technologietag Fleisch in der priv. HTL für Lebensmitteltechnologie in Hollabrunn statt. Organisiert von ecoplus, Lebensmittelcluster NÖ und dem Fleischtechnologiezentrum Hollabrunn (FTZ) haben Interessierte die Gelegenheit, bei Vorträgen live dabei zu sein und sich mit Referenten verschiedener, für das Lebensmittel Fleisch wichtiger Richtungen auszutauschen. Wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet, gab Dr. Rudolf Stückler von der AMA Marketing einen Überblick über österreichweite Markttrends, und Christian Lauer von GS1 Austria vermittelte, wie vielseitig Barcodes im Nahrungsmittelsektor einsetzbar sind.

„Es geht um die Wurst“, hieß es hingegen im Fachvortrag von Mag. Marlies Gruber (forum Ernährung heute). Tierische Kost wurde hier im Spiegel der Wissenschaft beleuchtet, und auch Ernährungstrends im Laufe der Geschichte wurden ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Dass Herr und Frau Österreicher genauso wie alle Bewohner von Industrieländern mehr Fleisch- und Wurstwaren essen als empfohlen, ist nun wirklich kein Geheimnis mehr. Rechnet man Verderb, touristischen Konsum und anderes (wie das Verfüttern an Haustiere) weg, kommt man laut der RollAMA-Erhebung des Vorjahres hierzulande auf einen Fleischkonsum von rund 50 kg pro Kopf und Jahr. Überraschen wird hingegen der Fleischkonsum vergangener Zeiten. Denn dass zum Beispiel im 14./15. Jahrhundert rund 100 kg Fleisch pro Person verzehrt wurden, ist weniger bekannt. Allerdings kam diese stattliche Jahresration nicht allen zugute. Die Verteilung war eine völlig andere als heute. Fleisch war ein Nahrungsmittel derer, die es sich leisten konnten – und damit der Adeligen und Reichen. Der Großteil der Bevölkerung musste ohne – oder wesentlich geringeren Rationen – auskommen.

Macht man einen Sprung durch die Zeit und betrachtet das 18./19. Jahrhundert, wurde wesentlich weniger Fleisch verzehrt. Denn hier belief sich die Jahresration pro Kopf auf 14 bis 20 kg. Also deutlich weniger – und bereits anders verteilt. Trotzdem musste man sich Fleisch erst einmal leisten können.

Kulinarischer Code
Auch wenn Fleisch heute in unseren Breiten für jedermann erhältlich ist und weit unter seinem Wert verkauft wird, ist an diesem Produkt eines haften geblieben. Und zwar das Image des wertvollen Lebensmittels, das Fleisch zu etwas Besonderem macht. Gruber nennt es in ihrem Vortrag den „kulinarischen Code.“
Und dieser steht für Kraft, Energie, Ansehen, Männlichkeit – und auch Gier. Das erklärt, warum gerade bei hohem Besuch das Fleisch am Teller des Gastes nicht fehlen darf. Denn diese Geste hebt sowohl den Status des Besuchers als auch den des Gastgebers. Die Leistbarkeit und Erhältlichkeit des Produkts mag sich geändert haben. Das, was wir damit verbinden, hinkt jedoch der Zeit hinterher.

Weiter im Programm ging es bei Gruber mit Studien zu Fettleibigkeit und Fleischkonsum. Wenig neu ist die Tatsache, dass übermäßiger Verzehr fetthaltiger Wurstwaren zu Übergewicht führt. Interessant ist jedoch der Vorschlag, wie denn dieses Problem individuell zu beheben sei. Weniger Fleisch essen? Besser auswählen? Irrtum. Mehr genießen lautet das Motto. Denn eine Studie zum Thema Genießen stellte fest, dass gerade Menschen, die am Essen besonderen Gefallen finden, meist normalgewichtig sind – oder sogar dünner als der Durchschnitt. Wertschätzung von auch häufigem, gutem Essen und krankhaftem Verzehr liegen also weiter auseinander als vielleicht angenommen. Im Gegenteil, desto genussunfähiger jemand ist, desto wahrscheinlicher leidet er oder sie an Adipositas. „Es gab Zeiten, in denen die Menschen unter 20 kg Fleisch pro Jahr aßen, und sie haben trotzdem nicht gesünder gelebt“, gibt Gruber zu bedenken. Denn schließlich geht es um eine ausgewogenen Mischkost, und dann darf’s auch einmal ein bisserl mehr vom Fleisch sein.

Krisenfitte Unternehmen
Heute aktueller denn je ist das Thema der Krisenbewältigung. War zur Zeit der Veranstaltung Mitte Jänner der Pferdefleischskandal noch ein paar Wochen entfernt, stellte jedoch Mag. Andreas Schmölzer (ÖFZ-Kolumnist und Mitarbeiter von Saicon Consulting) die Frage: Wie krisenfit ist Fleisch? Auch wenn Lebensmittelsicherheit ein sensibles Thema ist, relativiert sich jede Problematik, wenn man sich die Produktrückrufzahlen ansieht. Wurden im Vorjahr in Österreich 46 Waren zurückgerufen, entfielen 20 % davon auf Fleischwaren. Ein relativ hoher Anteil zwar, jedoch überschaubar in realen Zahlen betrachtet. Gründe hierfür waren hauptsächlich nachgewiesene Listerien oder Fremdkörper in den Produkten.

Was Rückrufe betrifft, werden diese in anderen Branchen als Zeichen der Professionalität gesehen. Es bestätigt, dass Unternehmen seriös vorgehen und Fehler eingestehen, um ihre Kunden nicht zu gefährden. Nicht so im Fleischbereich. „Die Fleischer sind halt anständige Leute. Die haben dann ein schlechtes Gewissen“, so Schmölzer. Und das ist nicht immer gut. „Ein Autorückruf ist ganz normal, und niemand regt sich darüber auf“, meint Schmölzer. Und bis auf seltene Serienpannen von Automobilherstellern hat das jeder über Nacht wieder vergessen. Warum die Krisenbewältigung branchenübergreifend so gut funktioniert, ist die Kommunikation zwischen den Unternehmen. „Jaguar und BMW reden miteinander“, meint Schmölzer dazu. Im Fleischbereich werde das zu wenig getan – was sich auch im Falle von Krisen in der Öffentlichkeit bemerkbar mache.

Aber was kann man als einzelner Unternehmer tun, um krisenfit zu sein? Gut vorbereitet ist, wer in Prävention investiert und im Falle des Falles deren Abwicklung beherrscht. Was die Vorsorge betrifft, ist zum einen natürlich Sicherheit im Produktdesign vonnöten. Rückverfolgbarkeit sowie ein Produktsicherheitskonzept (HACCP) ermöglichen, über Ursachen und Probleme einen raschen Überblick zu bekommen. Einen Krisenfall einmal durchzuspielen oder in größeren Firmen sogar Trainings abzuhalten, kann im Falle des Falles allen Beteiligten helfen, zur richtigen Zeit das richtige zu tun. Denn Zeit ist in dem Falle alles. Notfallnummern, Ansprechpartner bei Behörden sowie Textvorlagen sollte man bereits parat haben, um sie in kleinen Abänderungen an Mitarbeiter, Behörden oder Medien weitergeben zu können. Das spart Zeit und Geld – und Nerven.

Weg von Schuldfrage
Es ist also von Bedeutung, seine Abwicklungswerkzeuge vorausschauend zu entwickeln, um Schlimmeres zu verhindern. Unterstützung durch Sachverständige oder Pressesprecher bzw. Medienagenturen können ab einer gewissen Dimension vonnöten sein. Denn gerade im Falle von Produktrückrufen fällt es Firmen oft schwer, handlungsfähig zu bleiben. „Wir machen keinen Rückruf den Behörden zuliebe. Von diesem Gedanken muss man auch im Krisenfall wegkommen“, gibt Schmölzer mit auf den Weg. Was passiert ist, sei schließlich passiert. Das Rad zurückdrehen könne man so oder so nicht mehr. Das mache auch die Schuldfrage zu diesem Zeitpunkt obsolet. „Maßnahmen und Schuldfragen muss man unbedingt trennen“, fährt Schmölzer fort. Erstere müssen aus Gründen der Sicherheit ohnehin gesetzt werden, und wer was wann warum falsch gemacht hat, steht zu dem Zeitpunkt nicht im Zentrum. Und damit Medien dies nicht auch nicht tun übernehmen, ist Tempo angesagt. „Wenn ich schneller bin als die anderen, kann ich die Themen setzen.Es gilt agieren statt reagieren“, so der Berater. Und da die Fleischbranche schon lange kann, was Jaguar und BMW können, wurde ein Stammtisch eingerichtet. So ist es möglich, von den Erfahrungen und Ansätzen anderer zu profitieren. Denn vom gegenseitigen Austausch im Vorfeld profitieren im Falle einer Krise alle. Wie man an Pferdefleischskandal und Co gesehen hat, betrifft sie schnell nicht nur einen, sondern schwappt gerne auf die ganze Branche über.
Phytogene Zusatzstoffe
Wie sich das gezielte Zufüttern bestimmter pflanzlicher Substanzen (phytogene Zusatzstoffe) auf die Tierproduktion auswirkt, entschlüsselte Dr. Karola Wendler von Delacon Biotechnik. Denn bereits standardisierte Mischungen aus Kräutern und Gewürzen (bzw. deren Extrakten) haben einen wesentlichen Einfluss auf die Verdauung der Tiere – und damit auch auf die Futtermittelkosten. Denn aufgrund der so verbesserten Darmflora kann die Nahrung besser verwertet werden.

Außerdem wirken die Zusatzstoffe auch präventiv – zum Beispiel, was Durchfallerkrankungen betrifft – und vereinzelt auch antibakteriell. So konnte in der Schweineproduktion die tierische Leistung um bis zu 60 % verbessert werden. Gleichzeitig wird auch der Umwelt ein Gefallen getan. Denn die Stickstoff-Ausscheidung und die Ammoniak-Freisetzung wurden im Schweinebereich um je 20 Prozent verringert. Was die Sensorik anbelangt, habe man übrigens bei den Fleisch- und Wurstwaren dieser Tiere keine Unterschiede festgestellt.
Vergrauung vorbeugen
Hier einen Schritt weiter ging jedoch DI Victoria Heinrich von der ofi Technologie und Innovations GmbH. Das Forschungsprojekt „Cure Colour“, an dem u. a. das ofi gemeinsam mit einigen Partnern aus Wirtschaft und Forschung arbeitete, wie u. a. dem FTZ, Wiberg, Vulcano, Wiesbauer, Reichherzer, Berger Schinken und Meier Verpackungen, widmete sich der Vermeidung der Vergrauung von Fleischwaren. So zeigte sich zum Beispiel, dass das Zufüttern von Vitamin E und Rosmarinextrakten sich signifikant auf die Farbstabilität im Falle von Lagerung auswirkt.

Natürlich gibt es auch Überlagerungen mit anderen Faktoren wie vor allem die Verpackung. Licht- und UV-Schutzfolien fördern z. B. die Haltbarkeit und Farbstabilität und helfen mit, die Temperatur niedrig zu halten und einen Treibhauseffekt zu vermeiden. Ebenso in den Fokus geriet der Sauerstoff in der Verpackung und wie man ihn reduzieren kann. Im Vergleich standen hier herkömmliche Verpackungen, Absorber-Folien und sogenannte Sachets – also kleine, der Packung beigelegte Säckchen mit der Aufschrift „Nicht zum Verzehr geeignet“, wie sie die Kunden schon aus anderen Lebensmittelbereichen kennen.

Eindeutig effizienter sind besagte Säckchen, haben aber gerade im Fleischbereich leider wenig Akzeptanz beim Kunden. Denn dank ihrer Beigabe war das Sinken des O2-Anteils im Inneren der Verpackung schon ab dem zweiten Tag erkennbar und die Ware blieb 21 Tage lang farbstabil. Bei einem Einsatz der absorbierenden Folie hingegen trat erst ab dem sechsten Tag eine Absenkung des Sauerstoffgehalts ein. Dies ist zu langsam, um einer Vergrauung entgegenzuwirken. Damit konnte zwischen herkömmlichen Folien und jenen, die Sauerstoff absorbieren, kein Unterschied festgestellt werden. Damit ist die Vergrauung von Fleisch- und Wurstwaren ein multifaktorielles Problem, denen es auf verschiedenen Ebenen – also Mastfütterung und Verpackung – entgegenzuwirken gilt. Außerdem betonte Heinrich, dass es auch hier noch weitere Möglichkeiten und Einflussfaktoren zu erforschen gilt. Bleibt also abzuwarten, welche Tipps und Tricks hierfür beim nächsten Technologietag Fleisch in zwei Jahren präsentiert werden.

Von Pia Moik

Fleisch & Co

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