Der Greissler“, Alexander Obsieger, 28 Jahre jung, ist seit knapp drei Jahrenin der Albertgasse im achten Wiener Bezirk erfolgreich tätig. Der gelernte Binnenschiffer hat die Ruhe auf dem Schiff gegen das unruhige Leben als Lebensmittelhändler getauscht, um zu 100 % das zu tun, was er eigentlich will. Selbst umdenken, das Konsumverhalten aktiv gestalten und Essen und Lebensmittel als politische Entscheidung bewusstmachen. Inspiriert von unverpacktem Obst und Gemüse auf dem Floridsdorfer Markt und der Frage, wie es wäre, wenn es andere Lebensmittel auch offen zu kaufen gäbe, entwickelte er sein Konzept für einen verpackungsfreien und ökologischen Lebensmittelhandel – das er dank großem Idealismus mit einer guten Portion Geschäftstüchtigkeit gepaart erfolgreich umgesetzt hat. Für Fleisch & Co hat er seine Türen geöffnet und aus dem „Lebensmittelladen“ geplaudert.
Als Binnenschiffer in den stressigen Einzelhandel … Gibt es alles bei Ihnen zu kaufen? Wie funktioniert der Einkauf? Aller Anfang ist schwer. Was ist Ihr Fazit nach drei Jahren Selbstständigkeit? Autorin: Katharina Stögmüller
Es war nicht der Jugendtraum „Ich will Kaufmann werden“, sondern mein Wunsch, etwas zu verändern. Essen und die Nahrungsaufnahme an sich sind heute mehr denn je politische Entscheidungen. Jeder weiß, wieinternationale Konzerne produzieren. „Ich weiß es nicht“, kann ich heute nicht mehr sagen. Deswegen gibt es nur zwei Wege: Entweder ich unterstütze deren Ausbreitung oder eben nicht, das kann ich entscheiden. Für mich gab’s damals als Konsument zu wenige alternative Angebote. Ich habe immer gefragt: Warum soll ich jeden Tag kaufen, was ich nicht will?
Mein Leben als Seefahrer? Klar: Angestellt war alles easy, und dazu die Ruhe auf dem Schiff, aber ich hatte keinen Seelenfrieden. Ich möchte nicht angestellt sein. Bei mir gibt’s kein „Hinter mir die Sintflut“. Das Leben als Firmengründerist unruhig, aber ich mag die Unsicherheit, dafür mache ich das, was ich will, zu 100 Prozent.
Sie können bei mir Waren in ökologischer Qualität von regionalen kleinstrukturierten Betrieben kaufen. Fleisch gibt es bei mir nur auf Bestellung. Ich biete die Möglichkeit, Fleisch zu kaufen, aber forciere es nicht. Mein Motto: „Besser weniger, aber in absoluter Hammerqualität!“ Ich arbeite mit zwei Landwirten für Geflügel und Schwein, die das richtige Schlachtalter der Tiere respektieren und nur dann schlachten, nicht auf Nachfrage.
Ich arbeite mit bersta – der Biogroßhandel, der aus der ersten Biogenossenschaft Österreichs hervorgegangen ist –, und dieser ist Schnittstelle zwischen den Landwirten und dem Einzelhandel. Hier wird nur das verkauft, was die Bauern im aktuellen Angebot haben. Ich möchte durch meine Art des Einkaufs als Einzelhändler auch den kleinstrukturierten Lebensmittelhandel forcieren – weg von Konzernen und großflächigem Landbau und hin zu kleinstrukturierten Betrieben.
Die Waren, die ich anbiete – Gemüse, Obst, Teigwaren, Kartoffeln, Reis, Milch, Käse, Öle, Säfte, Wein und viele mehr –, sind von solchen Betrieben. Es gibt auch internationale fair gehandelte Bioware, Basmatireis, Olivenöl, Erdnüsse oder Paranüsse, Orangen. Und der Kunde legt wirklich Wert auf diese Dinge.
Ein wesentlicher Bestandteil eines Einkaufs bei mir ist schon im Vorfeld darüber nachzudenken, was man braucht. Brauche ich Reis, brauche ich auch ein Gefäß dazu. Im Idealfall nimmst du ein Gefäß mit, wir wiegen es ab, dann befüllst du es, wir wiegen noch mal ab, du schreibst mit einem Stift auf das Gefäß oder Sackerl, wie viel es ist, und zahlst an der Kassa.
Als ich angefangen habe, war mir wichtig, dass ich wirtschaftlich überleben kann. Ohne das funktioniert die Verbesserung nicht – ich habe bis jetzt überlebt, und es schaut sehr gut aus. Ich wachse be- ständig. Finanziell ist es ein großer Stress – der Sommer ist eine sehr schwierige Zeit,bei uns in Wien herrscht ja die Stadtflucht. Die Miete läuft weiter, die Waren müssen vorfinanziert werden, der Cashflow ist gestört. Ich habe versucht, auf besondere Umstände in der Stadt zu reagieren: Im Lebensmittelhandel ist es bitter, wenn die Sachen schlecht werden. Ich versuche immer zu vermeiden, dass etwas übrigbleibt, und ich versuche so einzukaufen, dass die Dinge eher aus- als kaputtgehen. Wenn dann doch etwas übrig bleibt, dann verkocht das Restaurant Mamamon Thai nebenan all die Sachen. Ich verkaufe es zum „Pay as you like“-Preis, und wir teilen die Einnahmen. Eine Kooperation auf Augenhöhe.