Kuttermesser
Landwirtschaft & Umwelt

VGT: Hühnermast-Skandal in zwei weiteren Betrieben

Ein Video zeigt ein vergessenes Huhn in einer leeren Masthalle. Ein Arbeiter jagt das Tier und erschlägt es brutal mit einem Stock. Mit dem Fuß tritt er den bewegungsunfähigen, aber möglicherweise noch lebendigen Körper über den Boden.

Die im Rahmen einer Pressekonferenz (04.01.2023) des VGT (Verein gegen Tierfabriken) vorgestellten Videoaufnahmen aus südoststeirischen Geflügelmastbetrieben zeigen, dass der zuletzt im Dezember aufgedeckte Betrieb keinen Einzelfall darstellt.

Die schockierenden Szenen wurden im August und September 2022 in insgesamt drei Hühnermasten im Bezirk Südoststeiermark aufgezeichnet.

Gebrochenes Genick, Tritte, unter dem Fuß zerquetscht

In der ersten Aufdeckung  im Dezember schockierte das achtlose Überfahren etlicher Hühner beim Ausstallen die Allgemeinheit – seitens der Hühnermast-Branche sprach man von einem „bedauernswerten Einzelfall“. Doch die beiden weiteren Betriebe, die schon im Dezember umfassend wegen Tierquälerei angezeigt wurden, widerlegen den „Einzelfall“:

Kücken-Tötungen:

Videoaufnahmen aus einem anderen Betrieb in der Steiermark, zeigen einen Mitarbeiter beim Kontrollgang in einer Masthalle mit kleinen Kücken. Der Mann steigt mit vollem Gewicht auf ein offenbar bewegungsunfähiges Kücken und zerquetscht das Tier. Das Kücken wird danach wie andere tote Tiere in einem Kübel eingesammelt.

In dem dritten Betrieb ist ein Arbeiter mehrmals an verschiedenen Tagen dabei aufgenommen worden, wie er Kücken gegen die Gestänge der Tränk- und Futteranlagen schleudert und ihnen das Genick bricht.

Tritte und unterlassene Hilfe:

In mehreren Aufnahmen aus den beiden Betrieben 2 und 3 ist zu sehen, wie bewegungsunfähige, schwache oder auf dem Rücken liegende Hühner mit Tritten der Arbeiter:innen „weiterbewegt“ werden. Tatsächliche individuelle Hilfe für kranke, verletzte oder schwache Tiere ist auf den Aufnahmen nicht zu sehen.

Video zu den Vorfällen:

Qualzucht und illegales Dauerlicht

In allen drei Betrieben, die konventionell für einen steirischen Schlachthof produzieren und zum Zeitpunkt der Aufnahmen das AMA-Gütesiegel besaßen, werden Hühner von extremen Hochleistungsrassen verwendet. Alle Hühner haben eine kahle Körperunterseite, da durch das hohe Gewicht die Federn an Brust und Bauch zerstört werden. Hautentzündungen kommen bei diesen Rassen öfter vor.

In allen Betrieben wurden Hühner mit schweren Gehproblemen oder verkrüppelten Beinen dokumentiert. Mit nur 28 bis 40 Lebenstagen werden sie zum Schlachthof transportiert – ihr Gewicht ist innerhalb von 4 bis 6 Wochen von 50g auf rund 2kg gestiegen. Gelenke, Knochen und Organe bleiben hinter dem extremen Muskelwachstum zurück. Die Qualzucht begünstigt Krankheiten, erhöht das Verletzungsrisiko und verursacht starkes Leiden.

In allen drei Betrieben wurden die Tiere zudem beinahe ausnahmslos mit dauerhaftem Kunstlicht bestrahlt – Tag und Nacht in Helligkeit. Ruhe- und Schlafphase werden dadurch gestört, die Tiere leiden. Doch weil sie in der Helligkeit noch mehr essen und noch schneller zunehmen, nimmt man in der Branche diese illegale Praxis offenbar routinemäßig in Kauf.

Geflügelwirtschaft Österreich äußert sich zu den Enthüllungen

Die im Rahmen der Pressekonferenz des VGT vorgestellten Videoaufnahmen aus südoststeirischen Geflügelmastbetrieben wurden seitens der Dachorganisation der österreichischen Geflügelwirtschaft zum Anlass genommen, um die damit aufgezeigten Verstöße gegen das Tierschutzrecht scharf zu verurteilen.

Die Nichteinhaltung der tierschutzrechtlich vorgeschriebenen Ruhephase durch „Dauerlicht“ sei klar abzulehnen und entspreche nicht den Branchenstandards. Auch die im Rahmen eines der heute veröffentlichten Videos gezeigte Nottötung eines Masthuhns sei nicht vorschriftskonform durchgeführt worden. Zwar seien Nottötungen am Hof in bestimmten Fällen vorgeschrieben (um kranken Tieren Qualen zu ersparen), die vorherige Betäubung habe in solchen Fällen allerdings fachgemäß zu erfolgen.

Keine methodische Vernachlässiung

Unabhängig davon verwehrt sich die Geflügelwirtschaft Österreich gegen den aus diesen Bildern abgeleiteten Vorwurf, dass die betroffenen Betriebe ihre Masttiere methodisch vernachlässigt hätten, sowie den Versuch einer Skandalisierung der gesamten Branche.

Die vielen ordnungsgemäß arbeitenden Mastbetriebe hätten es nicht verdient, durch solche Ereignisse in Misskredit gebracht zu werden. Abgesehen davon, dass kranke Tiere für die betroffenen Bauern immer auch einen wirtschaftlichen Schaden bedeuten würden, sei selbst unter optimalen Bedingungen und unabhängig von der Hühnerrasse bei Herdenbeständen ein kleiner Anteil von schwächeren und krankheitsanfälligeren Tieren unvermeidbar.

Unangekündigte Kontrollen

Betont wurde zudem, dass die aufgezeigten Missstände bereits im Vorjahr abgestellt wurden. Nachdem die drei betroffenen Geflügelmastbetriebe Mitte Dezember letzten Jahres wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz angezeigt wurden, kam es umgehend zu unangemeldeten Kontrollen seitens der zuständigen Amtstierärzte sowie der AMA-Marketing.

Alle diese Untersuchungen hätten ungeachtet einzelner Regelverstöße keine Hinweise auf systematische Verletzungen von tierschutzrechtlichen Vorschriften ergeben. Darüber hinaus seien in den letzten beiden Wochen zusätzlich 20 Betriebe durch unangekündigte Spot-Audits überprüft worden, bei denen keine relevanten Abweichungen oder Verfehlungen bei der Tierhaltung festgestellt werden konnten. Weitere Kontrollen finden in den nächsten Wochen statt.

Maßnahmen zur Einhaltung von Tierschutzstandards gesetzt

„Die Bilder tun uns weh, wir begrüßen es aber, wenn solche Defizite in einzelnen Betrieben aufgezeigt werden. Durch verstärkte Beratungen, Nachschulungen und strenge Kontrollen gilt es, solche Probleme von vorne herein zu vermeiden“, so der Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich, Markus Lukas.

Als Sofortmaßnahme habe die Geflügelwirtschaft Österreich daher alle Mastbetriebe im Land nochmals eindringlich auf die geltenden Vorschriften hingewiesen. Darüber hinaus sei sichergestellt worden, dass im derzeit laufenden Schulungsprogramm für Landwirte verstärkt auf die betroffenen Themen eingegangen wird.

Schulung und Beratung

Neben zusätzlichen Schulungs- und Beratungsangeboten sowie einem Fokus auf verstärkte Nachschulungen hinsichtlich der einzuhaltenden Ruhephasen und vorschriftskonformer Nottötungen möchte die Geflügelwirtschaft die Vorkommnisse überdies zum Anlass nehmen, um noch in diesem Jahr ihre Qualitätsstandards weiter zu verbessern. Entsprechende Pläne sollen in den nächsten Monaten vorgestellt werden.

Geflügelwirtschaft Österreich „offen für langsam wachsende Rassen”

Offen zeigte sich die Geflügelwirtschaft für die marktangepasste Umsetzung der heute seitens des VGT erhobene Forderung nach der „Europäischen Masthuhn-Initiative“. Die meisten der damit verbundenen Standards würden hierzulande aufgrund der österreichischen Bestimmungen im AMA-Gütesiegel bereits heute erfüllt, die einzige größere Umstellung sei der geforderte Einsatz langsam wachsender Hühnerrassen.

„Wir sind jederzeit bereit, solche langsam wachsenden Rassen in der Geflügelhaltung einzusetzen, wenn der Markt das ermöglicht. Hier sind vor allem auch der Handel sowie die Konsumentinnen und Konsumenten gefordert“, so Obmann Lukas abschließend.

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