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Landwirtschaft & Umwelt

Integrativmedizin im Schweinestall

Gerade in der konventionellen Schweinehaltung, aber auch in Biobetrieben wird die Komplementärmedizin – und hier vor allem Homöopathie und Phytotherapie – immer beliebter. Doch welche Vorteile hat ein integrativmedizinisches Management, also die Kombination von konventioneller und Komplementärmedizin, im Stall?

Bakterien, gegen die Antibiotika häufig nicht mehr wirken, sind im Vormarsch. Das Problem ist groß: Experten-Schätzungen zufolge könnten Antibiotikaresistenzen bis 2050 mehr Leben kosten als Krebserkrankungen –, wenn nichts dagegen unternommen wird.

Ein Teil dieser Resistenzen geht auf die Anwendung in der Nutztierhaltung zurück, allerdings ist auch der Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin Grund für das Fortschreiten der Antibiotikaresistenzproblematik. Gemäß dem Resistenzbericht AURES 2018 der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit wurden in Österreich jährlich knapp 50 Tonnen Antibiotika in der Veterinärmedizin und 70 Tonnen in der Humanmedizin in Verkehr gebracht. Die WHO und die EU-Kommission rufen zum sorgsamen Umgang mit Antibiotika auf, denn jeder Einsatz von Antibiotika kann zu einer Selektion von resistenten Bakterien führen, somit geht es um unser aller Gesundheit – Mensch, Tier und Umwelt gemeinsam.

Biologische Landwirtschaft

Integrativmedizin ist die Zukunft zum Wohle der Patientinnen. Und im Fall der Schweinehaltung auch zum Wohle der Landwirte, der Umwelt und vor allem der Konsumentinnen, die ein gesundes, sicheres und unbedenkliches Lebensmittel fordern. Gerade die Homöopathie gewinnt in der Nutztierhaltung zunehmend an Bedeutung. Und nicht nur das: Wenn es nach der EU-Bioverordnung geht, soll sie in der biologischen Landwirtschaft sogar bevorzugt werden.

Das ist gut so: Denn die Kombination von konventioneller Medizin und Homöopathie erschließt uns ein breites Feld an Behandlungsmöglichkeiten. Die komplementärmedizinischen Methoden wie die Homöopathie und Phytotherapie bieten Möglichkeiten, einerseits bei Früherkennung von Erkrankungen und rechtzeitiger homöopathischer oder phytotherapeutischer Therapie einem Antibiotikaverbrauch vorzubeugen, andererseits in Kooperation mit der konventionellen Medizin die Optionen im Sinne der PatientInnen zu erweitern.

Homöopathie in der Praxis

Die Veterinär-Homöopathie ist eine Therapieform mit Einzelarzneien, die am gesunden Menschen geprüft und nach dem Ähnlichkeitsprinzip verordnet werden. Einzeltiere werden „per os“ (oral) behandelt. Dabei werden die Globuli direkt oder in Wasser gelöst ins Maul eingegeben. Weitere Möglichkeiten der Verabreichung sind das gezielte Ansprühen der Rüsselscheibe der Tiere oder das Ansprühen des Gesäuges der Zuchtsau, damit die Saugferkel das Arzneimittel über die Maulschleimhaut aufnehmen können. Bei größeren Tiergruppen erfolgt die Arzneimittelverabreichung zumeist direkt über das Trinkwasser oder das Flüssigfutter.

Die Gabe von homöopathischen Arzneimitteln erfordert den direkten Schleimhautkontakt. In der Schweinemedizin wählt man gerne sogenannte „bewährte Indikationen“, obwohl diese oftmals nur eine Unterdrückung der eigentlichen Erkrankung bewirken und keine vollständige Heilung. Aufgrund der kurzen Lebensdauer unserer Schweine ist diese Anwendung jedoch durchaus gerechtfertigt. Die Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln ist unter denselben Vorgaben wie die Verabreichung von chemisch-synthetischen Medikamenten zu dokumentieren – es gilt die Aufzeichnungspflicht!

Vom Ferkel bis zum Schlachttier

Um Todesfälle in den ersten Lebenstagen zu vermeiden, werden viele Saugferkel bereits am ersten oder zweiten Lebenstag mit Antibiotika behandelt. Diese erste Antibiotikagabe bedingt aber auch gleichzeitig eine Störung der Entwicklung der Darmflora dieser neugeborenen Tiere. Da es in der Folge trotzdem oft zu Frühdurchfällen, meist durch Escherichia Coli und/oder Clostridien, kommt, folgt oftmals eine weitere Behandlung.

Dass derart vortherapierte Tiere anfälliger für allerlei Krankheiten sind, versteht sich von selbst. Daher sehen sich viele Schweinehalterinnen gezwungen, vor allem in der Absetzphase erneut Antibiotika ins Futter einzumischen. Ein Teufelskreis, der sich mit dem Einsatz von integrativer Medizin einfach und vor allem erfolgreich durchbrechen lässt.

Es gibt bereits viele Beispielbetriebe, die den Antibiotikaverbrauch mit einem integrativmedizinischen Management reduzieren konnten. Das wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit der Ferkel, die Qualität des Fleisches, sondern auch auf die Brieftasche der Landwirte positiv aus. Denn ein weiterer großer Vorteil ist, dass homöopathische Arzneimittel großteils kostengünstiger sind als Antibiotika.

Kein Allheilmittel

Vor allem auch im Bereich der viralen Infektionen liegt ein großer Tätigkeitsbereich vieler Tierärzte mit Zusatzausbildung in Homöopathie. Die klinische Erfahrung zeigt und die vorhandene Evidenz bestätigt auch hier die Wirksamkeit der Homöopathie in diesem Bereich. Gleichzeitig kann dadurch mitgeholfen werden, den nicht angezeigten Antibiotikaeinsatz bei viralen Infektionen zu reduzieren. Impfprogramme in Schweinebeständen sind dadurch natürlich nicht zu ersetzen, jedoch kann die Homöopathie in der Therapie und Präven- tion von viralen Infektionen durchaus erfolgreich eingesetzt werden.

Ein Allheilmittel ist die Homöopathie jedoch nicht – leider! Fehler im Management, im Fütterungsregime, in den Biosicherheits- und Hygienebereichen lassen sich mit homöopathischen Arzneimitteln gleich wie mit konventionellen Medikamenten nicht bekämpfen – diese Probleme müssen zuerst abgestellt werden. Homöopathie kann nicht alles, aber sie ist in vielen Bereichen eine zusätzliche Option, gerade bei der Problematik der Antibiotikaresistenzen.

Der große Vorteil, vor allem bei Nutztieren: Homöopathische Arzneien sind praktisch frei von Nebenwirkungen, haben keine Wartezeiten, sind keine Gefahr oder Belastung für die Umwelt und hinterlassen auch keine Rückstände. Daher sind sie für lebensmittelliefernde Tiere von großem Interesse und vor allem in der biologischen Tierhaltung unverzichtbar geworden.

Große Chance für alle

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg in die Homöopathie ist eine gewisse Neugierde, Lernbereitschaft und vor allem die Freude am Umgang mit den Tieren, da die Homöopathie eine sehr genaue Tierbeobachtung erfordert, um das richtige homöopathische Arzneimittel zu finden. Tierhalterinnen müssen sich jedoch bewusst sein, dass diese komplementärmedizinische Heilmethode auch ihre Grenzen hat. Sie kann zum Beispiel weder Antiparasitika noch diverse Vakzi- nationsprogramme ersetzen. Die Erstellung der Diagnose und des Therapiekonzepts durch den Tierarzt nach dem integrativmedizinischen Gesichtspunkt – konventionelle und Komplementärmedizin werden je nach Notwendigkeit eingesetzt – ermöglicht die Erweiterung der Grenzen der jeweiligen medizinischen Methode und ist somit ganz im Sinne der Patienten, Landwirte, Konsumenten – und verantwortungsvollen Lebensmittelhandwerker.

Autorin: Dr. Ursula Friedmann
Fachtierärztin für Schweine mit einem Diplom der Europäischen Akademie für Veterinär­ Homöopathie.
Alle Infos: www.dr­vet.at

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